Anbei ein kurzes Update über aktuelle Turnierergebnisse Rund um den Mömbriser Schachverein.
Verbandsrunde 2023/24, Unterfranken
Nach einem misglückten Saisonstart (0/3) holte die erste Mannschaft im Verlauf der Saison immer weiter auf! Es folgten Siege gegen Rottendorf, Sailauf, Kitzingen und Versbach, sowie ein kampfloser Sieg gegen Bad Neustadt. Am Ende erreichten wir den dritten Platz hinter Rottendorf und Würzburg II. Hoffen wir, dass uns der Saisonstart in der kommenden Verbandsrunder besser glückt!
Auch die zweite Mannschaft konnte sich in der Bezirksliga-West halten und erreichte den 5. Platz nach einer Saison mit up and downs.
Im 4er Pokal gewannen wir zunächst gegen Alzenau/Kahl und kamen dann sogleich gegen den späteren Pokalsieger Bad Neustadt. Dieses Spiel hätten wir um ein Haar gewonnen, doch Bad Neustadt erreichte ein 2-2 und gewann dann den Losentscheid.
UEM 2024, Aschaffenburg-Obernau
Ja ich weiß, Teil 2 meines großen UEM Berichts harrt noch auf seine Erstellung… In Teil 1 gibts detaillierte Einblicke in die erste Hälfte des Turniers. Alle Turnierergebnise finden sich auf ChessResults (M1), sowie (M2) und (AT/HT). Ich verweise auch auf die Berichtsserie von Klaus Link UEM Blitzlichter auf der USV Homepage. Fast alle Partien wurden auch auf Live-Brettern übertragen!
Eine ganze Reihe von motivierten Mömbrisern nahmen an diesem tollen familiären Turnier in Aschaffenburg-Obernau teil. Da waren Michael Pfarr und Markus Susallek in der M1 (beide 4.5 Punkte), Florian Voellinger, der die M2 mit 6,5 Punkten souverän gewann, Uli Fischer (5 Punkte), Jonathan Simon (5 Punkte), Michael Scholz (4,5 Punkte), sowie Manuel Simon im Aufstiegsturnier (5 Punkte).
Vom 11.05. – 21.05. reisten Florian Voellinger (Dettingen/Mömbris), Mirco Süß (Klingenberg) sowie Manuel und Jonathan Simon (Mömbris) auf die sonnige Insel Kos, um an der Amateurweltmeisterschaft der ACO teilzunehmen. Mit Sonne, Strand und Schach ließen sie es sich zehn Tage lang gut gehen.
Das Turnier wurde als 9-rundiges Turnier im CH-System ausgetragen. Von Anfang an mischten die drei in der C-Gruppe vorne mit.
Neben üppigen Buffets (Manuel: Note 1), sonnigen Nachmittagen am Strand (Jonathan: Note 1), heißem Sand, Bootsausflügen, Bergdorfbesichtigungen und „Drei Inseltoruren“, gab es auch ein umfangreiches schachliches Rahmenprogramm, u.a. zwei Blitzturniere (Florian: Note 1), eine Simultanvorstellung und einige Großmeistervorträge. Wir waren natürlich immer bei Lankas RUMS und BUMS zugegen und konnten köstliches Angriffsschach ‚auf’s Kreuz‘ genießen.
Nachdem es nach 7/9 Runden so aussah als könnten sowohl Mirco, als auch Florian und Jonathan zumindest nach dem Treppchen greifen (wir belegten die Plätze 1-4), gelang dies am Ende nur Mirco mit einem starken dritten Platz (nach einer Vorbereitung, die seit 30 (!) Jahren stetig verfeinert wurde). Florian wurde siebter, Jonathan zehnter. Während Jonathan und Florian am Ende also etwas schwächelten, zog Manuel in der D-Gruppe in der zweiten Hälfte nochmal an und holte 4/5 und erreichte am Ende den fünften Platz.
Ein kurzes Partiefragment möchte ich doch zeigen. In der vierten Runde spielte Manuel gegen Klaus Egon und nach der Eröffnung entstand die folgende Stellung.
Manuel Simon – Klaus Egon
Florian, Mirco und Jonathan analysierten mit Manuel nach der Partie und schlugen hier 13. Txe6, fxe6 14. Lxe6+, Dxe6 15. Sxe6, Lxe6 16. De2 vor und Weiß gewinnt noch eine Figur und hat damit gewinnbringendes materielles Übergewicht.
Manuel Simon – Klaus Egon
Verblüfft schauten wir, mittlerweile schon wieder in der Heimat angekommen, als die Engine hier 16. …, Lc8!! zeigte mit Ausgleich. Nach 17. Dxe7 folgt …, Sd5! mit Gegengabel und Rückgewinn des Lf4.
Während Jonathan, Manuel, Florian und Mirco noch auf der sonnigen Insel verweilten und es sich bei Schach und Cocktails gut gehen ließen, machte sich Michael Pfarr vom heimigen Seligenstadt auf nach Hassloch zum Hasslocher Open vom 17.05. – 20.05. (über das Pfingstwochenende). Michael holte 4 aus 7 Punkten und erreichte einen Platz im Mittelfeld. In den ersten Partien kam Michael nicht über ein Remis hinaus. In einer Partie hätte er eine (sehr) gute Stellung erreichen können, indem er nicht nur einen, sondern gleich zwei Bauern opferte und den Gegner aber auf der Grundreihe gebunden hielt. Diese Partie zeigte er Jonathan beim nächsten Turnier. Dazu kommen wir jetzt.
Nur eineinhalb Wochen später, in Süddeutland gingen heftigste Regenfälle nieder, stiegen Jonathan und Michael Pfarr schon wieder in den Schachring und brachen von Mömbris bzw. Seligenstadt nach Neuwied in Rheinland-Pfalz auf. Hier fand das 14. RLP Open statt, welches auch als offizielle Meisterschaft des Schachbundes Rheinland-Pfalz ausgetragen wurde. Michael holte 4 Punkte, Jonathan nur 50%. Lustigerweise spielte Jonathan bei diesem Open deutlich internationaler als bei der ACO Weltmeisterschaft! Es waren Gegner aus Deutschland, Belgien, Indien, China, Singapur und Schweiz dabei (Vergleich ACO: Deutschland, Schweiz, Österreich, England). Endstand nach 7 Runden (ChessResults).
In der Partie gegen den aufstrebenden indischen Jugendspieler Murali Rishiadithya hatte Jonathan nach 26 Zügen eine schöne Kombinationsmöglichkeit, die den Sack zu gemacht hätte. Ich wusste, dass in dieser Stellung etwas geht. Das sah zu verdächtig aus. Nach einigem Nachdenken spielte ich frustriert 27. Lc2? Können Sie die gewinnende Kombination finden (für Fortgeschrittene)?
Jonathan Simon – Murali Rishiadithya
FEN-Code: 1n1rrbk1/5p1p/bq3np1/p2pNBB1/P2P4/1P3N1Q/6PP/2R1R2K w – – 0 27
Unterfränkische Schnellschacheinzelmeisterschaft 2024 am 16.06.2024
Bei der Unterfränkischen Schnellschacheinzelmeisterschaft vertrat Markus Susallek den Mömbriser Verein. Das Turnier wurde vom Schachclub Sulzbach ausgerichtet und es fand sich ein durchaus starkes Teilnehmerfeld zusammen. Markus erreichte am Ende den zehnten Platz mit 4 aus 7 Punkten.
Wir schreiben bereits das Jahr 2024 und heuer (wie es ganz am Ende auf dem Fragebogen heißen wird, aber dazu kommen wir noch) wurden die Unterfränkischen Einzelmeisterschaften im Schach erneut in Obernau vom Schachclub Aschaffenburg ausgetragen. Der Verfasser dieser Zeilen gab sich damit, nach 2009 und 2019 (man wird eben nicht jünger…) erstmalig drittmalig die Ehre der UEM an ein und demselben Spielort beizuwohnen. Zweimalige Teilnahmen können die Orte Schweinfurt und Würzburg verzeichnen, allerdings nur Schweinfurt zweimal an der gleichen Spielstätte. Wie dem auch sei, in Einzelheiten möchten wir uns (noch) nicht verlieren! So ging es also (diesmal bereits am Samstag vor Ostern) auf zur ersten Runde! Mit von der Partie waren die Vereinskollegen Manuel (AT), Markus (M1), Daniela (Poker), Michael (M2) & Michael (M1), sowie, man könnte fast meinen es handle sich um einen Versprecher, Florian (SK Mömbris, M2).
Das Wetter zeigte sein bestes Grau. Dafür glänzten in der großen Turn(ier)halle die nagelneuen DGT-Bretter, hölzern aber doch digital. Die 34 analogen Figuren (man vergesse nicht die Ersatzdamen!) verheimlichten ihre digitale Kompetenz gekonnt, aber Schachinspektor Mirco Süß hatte sie dennoch enttarnt und aufs Korn (aufs Kreuz?!) genommen und alle 34 Mitstreiter:innen fein säuberlich DGT-konform auf ihren schwarz-weißen Ausgangsfeldern platziert. Auch abseits des Schachbrettes platzierte man sich, traf neue und alte Bekannte und stimmte sich auf das Turnier ein. Alle waren noch unbeschriebene Blätter. Welche Geschichten würden sich auf Ihnen schreiben? Man träumte vom Aufstieg und fünf Ellen großen Pokalen, von spannenden Partien, geglückter Eröffnungsvorbereitung, abenteuerlichen Manövern, Abzügen, Doppelschachs und Grundlinienmatts (aber sicher nicht von Drei-Springer-Unterverwandlung). Man nickte sich zu, erinnerte sich an frühere Begegnungen eingebrannter Partien (wie bspw. Michael Pfarr und Markus Markert an eine Französisch Partie, die mittlerweile bestimmt 10 Jahre zurückläge… [Anm. d. Verf. 8 Jahre um genau zu sein, bei der UEM 2016 in Bad Königshofen]). Ob sich auch Paul Matis (M2) und Stefan Blank (AT), die heuer zwar nicht aufeinander treffen würden, sich an ihre legendäre Patt-Partie aus dem Jahre 1995 erinnerten (wir berichteten)?!
Eine gehmeinisvolle Kiste mit der roten Aufschrift Bitte stehen lassen wurde zentral platziert, ich meinte zu sehen wie ein ganz besonderer Gegenstand darunter versteckt worden war… Die Spannung stieg. Die Zeichen der Schachschrift, nicht auf Blatt Papier mit Füller und Tinte, sondern auf Holzbrett mit Holzfigur und Zug geschrieben (aber bitte nicht in Lasker-Notation!), würden sich uns, allen von uns, in wenigen Minuten einbrennen. Man hielt die üblichen Reden. Dann läutete Dr. Harald Bittner zum ersten Mal die Glocke (ich musste unweigerlich an einen Boxkampf denken) zum Beginn der ersten Runde. Ding Dong.
Marius hatte mir noch am Vorabend nahe gelegt, ich solle doch das Wolga-Gambit spielen. Die Partie begann mit 1. d4, Sf6 2. c4, c5 3. d5, b5. Aha, da sind wir schon! Aber Moment… Ich fand mich auf der weißen Seite des Brettes wieder. Schmunzelnd dachte ich daran, wie Marius die Eröffnungszüge vielleicht gerade live verfolgte, und spielte meine Yermolinsky-Variante. Es lief alles rund, ich behielt meinen Bauern und erreichte sehr bald so starkes positionelles Übergewicht, dass sich mein Gegner zu einem Verzweiflungs-Läuferopfer genötigt sah. Nach 25 Zügen erreichen wir die folgende Stellung.
Simon, Jonathan – Kappus, Maximilian
Statt einfach mit 25. Tdb1 die Stellung zu beruhigen und die Mehrfigur zu sichern, spielte ich hier das verkomplizierende 25. Sxe5?. Objektiv ist dieser Zug noch in Ordnung, aus praktischer Sicht hat er aber sicher mindestens ein Fragezeichen verdient. Nach 25…, Lxe5 führt nur noch 26. Lxf4 noch zum Gewinn. Dann ist nach 26…, Lxf4 der Zug 27. Se4 (mit Drohung Sf6+) am einfachsten. Nach 27…, Le5 28. Da5 fällt der Bauer c5 und Weiß gewinnt mit zwei Mehrbauern. Ignorant gegen die aufziehenden schwarzen Wolken (man bedenke Dame, Turm, Springer und Läufer zielen jetzt alle auf meinen König), spielte ich 26. Sc4??.
Simon, Jonathan – Kappus, Maximilian
Jetzt führt 26…, Df3 sofort zum Remis nach gxf4, Dg4+ mit Dauerschach, oder aber 26…, Se2+ 27. Kg2, De4+ 28. Kh3, Df5+ mit Dauerschach. Ich entschied mich nach 26…, Se2+ für das prosaische 27. Txe2?? und verlor nicht nur die Qualität, sondern auch die Partie alsbald. Den Zug 26…, Se2+ hatte ich bei der Berechnung von 26. Sc4 gesehen, ich dachte aber an 27. Kg2, De4+ 28. f3, doch dämmerte mir jetzt erst, dass es nach 28…, Sf4++ kein Entrinnen mehr gab. Das ist sicherlich ein weiteres Diagramm wert!
Simon, Jonathan – Kappus, Maximilian
So musste ich zähneknirschend die Hand zur Aufgabe reichen. Ich wunderte mich noch auf der Heimfahrt nach Mömbris warum der gehmeinisvolle unter der Kiste verstecke Gegenstand, trotz expliziter Ankündigung, nicht zum Einsatz gekommen war. Naja, vielleicht ja morgen…
Der Morgen dämmerte, doch noch ehe der erste Hahn auch nur vom Krähen träumte, lag ich schon wach und plagte mich mit unruhigen Gedanken hängender Figuren… So ging es also mit nur vier Stunden Schlaf auf zur zweiten Runde. Morgendliche Freude (und Kaffeeduft!) lag in der Luft. Man begrüßte sich erneut, noch lagen 8/9 des Turniers vor uns. Manuel versicherte mir noch im Auto, dass „ein Verlust in der ersten Runde im Schweizer System nicht so schlimm“ sei. Die Turnierhallenuhr ging beharrlich 58 Minuten nach. An die Bretter, fertig. Ding Dong.
Dominik Kodalle vom SC Aschaffenburg hieß mein jugendlicher Gegner und ich sah mich erneut mit dem modernen Jobava-System (1. d4, Sf6 2. Sc3 nebst Lf4 konfrontiert). Das weckte Erinnerungen an die Partie gegen Lutz Müller vom letzten Jahr (KL berichtete). Damals spielte ich einen zahmen Aufbau mit …c6, ich meinte mich daran zu erinnern, dass …c5 von der Engine bevorzugt worden war (das ist allerdings nicht so ganz klar, wie ich später feststellen musste, und die Stellungen waren schon leicht unterschiedlich). Dennoch, ich entschloss mich mutig zu 5…, c5, was sich wegen Sb5 doch als sehr verpflichtend erwies. Ich gewann ein bisschen glücklich auf Zeit, in dann schon deutlich besserer Stellung nach einem etwas langsamen Druckspiel am Damenflügel.
Florian legte derweil einen sehenswerten Springermarsch d2-c4-b2-d3-f4-e6 auf’s Brett und erlangte dadurch positionelles Übergewicht und der Sieg war nicht mehr fern.
Voellinger, Florian – Seelmann, Noah
In der Mittagspause durfte ich den vorzüglichen Hackbraten mit Kartoffelgratin verkosten (ein Lob an die Küche!), dann ging es nach kurzer Pause (wir spielen ja nur noch Fischer-Kurz, und wie alles in der Welt geht auch das Schach immer schneller) erneut in den Boxring zur dritten Partie. Ding Dong.
Ich probierte gegen Halbslawisch einen Eigenaufbau a la Lanka, was mich schon in der Eröffnung auf denkbar peinlichste Weise einen Bauern kostete. Mein Gegner spielte dann allerdings etwas nachlässlig und ließ mich seinen wertvollen schwarzfelder Läufer tauschen. Nach 15 Zügen entstand dann die folgende kritische Stellung.
Simon, Jonathan – Röß, Jonas
Natürlich sprang mir 16. Sb5! hier regelrecht ins Auge. Ich sah allerdings nach 16. …, Db6 17. Sd6+, Ke7 18. Tb1 (nächstes Diagramm), Dc7 keine Möglichkeit mehr den Springer zu retten (19. Lb4, c5) und dachte diese Variante wäre nicht spielbar. Allerdings ist dann 19. Sb5! wieder spielbar, denn der c-Bauer ist gefesselt. In Kombination mit 20. Sd4 mit Druck auf den Bauern c6 gewinnt das sogar die Partie. Schwarz sollte also im 18. Zug abweichen. Die Möglichkeit 18. …, Dxb1!? hatte ich überhaupt nicht beachtet. Nach 19. Dxb1, Kxd6 ist die Stellung unklar. Eine weitere Möglichkeit für Schwarz war 18…, Da7. Nach 19. Dxc6 muss er dann allerdings 19…., La6! finden, was nach 20. Lb4, Dxe3+ zum Dauerschach führt.
Simon, Jonathan – Röß, Jonas
So stand ich also mit 1/3 und einem reichlich missglückten Turnierstart da. Auch unsere Recken in der M1 trafen bereits in Runde 3 aufeinander und trennten sich friedlich, aber auch das waren für beide erst die ersten Punkte des Turniers. Uli, erst heute früh ins Turnier eingestiegen, fegte seine beiden Gegner quasi schon in der Eröffnung vom Brett (nicht ahnend, dass ihm morgen dasselbe bevorstand). Michael siegte mit den schwarzen Steinen. Im Aufstiegsturnier gewann Manuel ein furioses Doppelturm + Springer Endspiel gegen Johannes Wambach, eine Partie, die er schön hätte verlieren müssen, wie es Gunther Beyersdorf vom SC Bad Königshofen mit einem breiten Lächeln, und ihm dabei die Hand gebend, ausdrückte. So ging es also wieder nach Hause und Jonathan schmiedete heimlich an einem neuen Eröffnungsaufbau gegen Dr. Dirk Schellenberger…
Am morgen des dritten Tages sahen sich ausgeschlafene Mömbriser erneut in der Turnierhalle. Eventuelle Partievorreden sind schon der Vergessenheit anheim gefallen (obwohl ich sah, wie jemand im Endfragebogen der Turnierleitung weniger Worte nahe legte…). Ding Dong. Runde Nr. 4. Die Partie gegen Dr. Schellenberger schrieb für mich Schachgeschichte. Es war unser bereits fünftes Aufeinandertreffen, in allen fünf Begegnungen führte ich die schwarzen Steine. Es sollte für mich die von den Zügen her längste Turnierpartie werden (101 Züge). Und obwohl, oder gerade deshalb, man nicht auf beiden Flügeln gleichzeitig spielen kann (Voellinger), sah diese Partie im Mittelspiel die übelsten taktischen Verwicklungen. Ich möchte nur eine verrückte Variante zeigen, eine Partiestellung dieses furiosen Mittelspiels und auf das Endspiel eingehen. Die folgende Variante (beginned mit 23. Lh3 statt 23. Sg5) ist halbforciert, enthält aber nach 26. Kh1 (forciert) ein wunderschönes taktisches Motiv!
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Es schaut so aus als wäre alles für den finalen Schlag gegen den weißen Monarchen vorbereitet. Bauer Fridolin hat sich mutig bis nach h2 durchgeschlagen und Läufer und Dame nehmen den König ins dreifache parallele Kreuzfeuer. Es sieht so aus als würde nach 26…, Txf3 (26…, Txc8, 27. e4 wäre besser und wahrscheinlich eher unklar) Schwarz durchschlagen (exf3, Lxf3#, und auch nach Lxb7, Dxb7 [siehe Diagramm] drohen allerlei tödlicher Abzüge). Was soll Weiß also tun? Und warum ist eigentlich der Ta1 im obigen Diagramm grün…?
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Da kommt er herangestürmt der geheimnissvolle a1-Turm. 28. Ta7!! ist die brilliante Rettung. Nach …Dxa7, gxf3 ist Weiß sicher und Schwarz hat zu wenig Material. Nach 28…, Dc6 folgt allerdings 29. Txg7! und der Turm steht bereit 29…,Tf6 mit 30.Tg2! zu kontern (siehe Diagramm)! Habt ihr schonmal einen Turm von a1 so effektiv und machtvoll durch die Stellung pflügend nur drei Züge später auf g2 auftauchen sehen? 29…, Tg3+ ist etwas besser, aber dann gewinnt Weiß nach 30. f3, Txg7 31. Lxg7+, Kxg7 32. Dxb4!.
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Zurück zur Textpartie, die einen ganzlich anderen Pfad einschlug. Ich öffnete etwas zu spät die Stellung mit 25. …, c4? und sah mich nach 28. bxc4 plötzlich unangenehmsten Fesselungen entgegen. Da dämmerte mir ein seltsam erscheinender Zug… Robust gegenüber dem Konzept gedeckter Felder schmetterte ich 28…, Lf4! auf’s Brett.
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Ich war doch überrascht, dass 28…, Lf4! auch die Wahl der Engine ist (leider ist die Stellung objektiv immer noch gewonnen für Weiß). Weiß schlug den Läufer (objektiv der einzige Gewinnzug), ich nahm mit dem Springer zurück und spielte anschließend …e5 um mit der Dame zum Königsflügel zu schwenken (nach 29. e3 käme übrigens 29…, Lxe3 30. fxe3, Sxe3+ nebst Sxc4 und Schwarz bekommt zumindest drei Bauern und eine offene Königsstellung für die Figur, objektiv anscheinend unklar). Es entstand ein wildes Zeitnotgemetzel, welches in ein interessantes Endspiel Weiß Läufer + Springer + 2 Bauern gegen Schwarz Turm + 3 Bauern endete. Nach dem 40. Zug (…Td4) zeigt unser digitaler Freund 0.00. Ich verpasste direkt im Anschluss einen relativ klaren Weg zum Remis und sah mich dann mit einem weißen Freibauern auf der c-Linie konfrontiert. Wir waren schon lange auf Inkrement eingestellt als ich schließlich auch die klarste Chance zum Remis verstreichen ließ.
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Der Vorstoß 71…, g3! hätte das Remis leicht gesichert. Das Schlagen des Bauern verbietet sich wegen …Txg3 und …Kxc5. Doch bleibt er auf dem Brett, dann kann der Bauer bis nach g2 Vorstoßen und Weiß keine Fortschritte mehr erzielen. Ich allerdings stellte diesen Bauern sogar ein, aber auch dann ist der Remishafen für Schwarz noch in Reichweite. Laut Tablebase gab es an einer Stelle einmal ein Matt für Weiß in etwa 20 Zügen, an anderer Stelle war es wieder 0.00.
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Eine (für die Engine) spannede Stellung ergab sich nach 98 Zügen. Hier spielte Weiß 99. Le5, worauf 100. Kb7 wohl das Remis gehalten hätte, nicht aber das gespielte 100. Kd7?, was verliert. Zum Matt in 50 Zügen hätte allerdings 99. Lf4! geführt. Auf diese triviale Mattführung wollen wir hier wirklich nicht weiter eingehen. Auch der Schluss der Partie war schließlich bemerkenswert.
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Ich dachte Weiß hätte mich nun ausgetrickst (es droht Sb6+) und irgendwie dachte ich, dass 101…, Kc8 102. Sb6+ matt wäre (hatte ich den weißen König auf c6 gesehen?), oder aber, dass das Einziehen jetzt zum sofortigen Gewinn für Weiß führen würde. Nach 102…, Kb7 ist aber in fact alles sicher und die Stellung (laut Engine) Remis. Dennoch ist die Stellung nach 101…, Kc8 für Weiß gewonnen.
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan
Der Gewinn ist aber nicht trivial und Schwarz kann das Endspiel Läufer + Springer gegen König erzwingen. Das wäre vorher schon möglich gewesen, aber ich wollte es natürlich nur als allerletzten Ausweg nutzen, da es theoretisch verloren ist und die Partiestellung offenbar in Remisbreite war. Können Sie den Weißen Gewinnplan finden? Es gewinnt nur genau eine eindeutige (bis auf Transposition) Zugfolge. Ich gebe die Lösung am Ende des Berichts in den Partien zum Nachspielen mit an.
Zwei Anmerkungen noch zu dieser monumentalen Schlacht. Marius tritt wieder auf die Bildfläche, denn er schrieb mir nach der Partie sofort, dass ihn die Materialverteilung an seine Partie von der letzten Obernauer UEM 2019 gegen Klaus Link erinnerte (wir berichteten in Teil 4).
Link, Klaus – Böhl, Marius (UEM 2019)
Das ist doch ein bemerkenswertes Muster zur Textpartie, als Schellenberger mit 97. c7? (unbewusst) in den Remishafen steuerte.
Schellenberger, Dirk – Simon, Jonathan (UEM 2024)
Das zweite Kuriosum ereignete sich in der nächsten Runde, als nicht nur meine Rekordzugzahl sofort überboten wurde (mit 103 Zügen), sondern in dieser Partie tatsächlich das Endspiel Springer + Läufer gegen König auf’s Brett kam. Es war die Partie Peter Lutz (wir kreutzen diesesmal nicht die Waffen, aber da mir …Dg2!! immer noch Albträume bereitet (wir berichteten in Teil 4 und hier) freue ich mich auf eine Revance) gegen Mustafa Khan. Hier endstand nach bereits 58 Zügen die folgende Stellung.
Lutz, Peter – Khan, Mustafa
Sogar die Materialverteilung ist gleich! Lutz entschied sich im Gegensatz zu mir sofort in das Läufer + Springer gegen König Endspiel abzuwickeln, schlug den Bauern und, das Glück ist mit den Wagemutigen, „hielt“ Remis, da sein Gegner das Matt in 50 Zügen nicht fand. Die Diagrammstellung ist wohl eine Gewinnstellung für Schwarz (vielleicht ist es mit dem Springerbauern einfacher zu gewinnen als mit dem Läuferbauern?!), aber das heißt nicht, dass Weiß ohne Tricks ist. Man vergleiche dies wieder mit Link – Böhl von vor 5 Jahren. Es könnte genau das gleiche Verteidigungsmotiv an der Brettmitte gespiegelt entstehen…
So jetzt haben wir uns doch (wie angekündigt) ganz schön in Einzelheiten verloren. Daher treten wir einmal einen Schritt zurück und betrachten die Turniersituation. Ich startete also mit verkorksten 1/4. Michael Pfarr remisierte gegen Lutz Müller in einer Stellung von der alle dachten, dass sie für Weiß so viel besser hätte sein müssen, dass er das Remisangebot nicht annehmen sollte, die laut Engine aber besser für Schwarz war.
Müller, Lutz – Pfarr, Michael
Nach 20. Tg6 wurde Remis vereinbart. Michael war darüber sehr froh, da er sich sicher war, dass Weiß hier besser steht und, in der Turniersituation, auf jeden Fall weiterspielen sollte. Kurisoserweise gibt die Engine hier nach 20…, Tf7 Schwarz leichten Vorteil. Wahrscheinlich ist der Weiße Damenflügel einfach langfristig eine Schwäche und die Initiative am Königsflügel nichtsbringend.
Markus gewann gegen Gerold Hock und auch zu dieser Partie gibt es, wie ich erst heute bei der MV des USV von Gerold Hock persönlich erfahren habe, eine unterhaltsame Ankdote zu erzählen. Auch schon das frühe Mittelspiel dieser Partie war lustig. Der schwarze König begnügte sich nich etwa damit vom sicheren Basislager aus seine Streitkräfte zu befehligen, sondern er inspizierte seine Truppen sozusagen aus der Nähe, indem er den Marsch von e8-d7-c6 (bis vor die Bauernfront, es standen noch Bauern auf a7, b7 und c7) auf sich nahm und danach (unter schachlichen Kugelfeuer) wieder seelenruhig über diese Route zurück marschierte und fortan auf e8 und dann d8 verweilte. Bis…
Susallek, Markus – Hock, Gerold
Die Uhr tickt lautlos. Markus greift zur Dame und lässt sie zwei Felder nach links nach c6 gleiten. Einfach mal matt drohen.Schwarz kann dieses zwar mit …Sd6 nebst …Sc8 abwehren, aber dann ist der Springer nicht mehr aktiv. Ich habe zwar nur Turm für zwei Leichtfiguren, aber diese üben starken Druck auf der e-Linie aus. Er zieht, drückt die Uhr. 4 Minuten bis zur Zeitkontrolle. Vielleicht wird’s Remis?! Die Wippe wippt. Die Uhr tickt lautlos. Gerold legt die Stirn in Falten und notiert Dc6. Noch 16 Minuten um das Problem zu lösen. Das war’s wohl. Doppelangriff mit Mattdrohung. Es ist aus. Dann lass’t uns die Partie doch lustig beenden, es macht ja doch keinen Unterschied. Gerold greift zum Springer und spielt lustig listig und gegen wiehrenden Protest des Rappen 32…, Sxe3??. Was soll’s, ein lustiger Abgang! Die Wippe wippt. Die Uhr tickt lautlos. Die Turnierhallenuhr geht beharrlich 58 Minuten nach. Markus legt die Stirn in Falten und notiert nichts. Er starrt auf’s Brett. Ungläubig. Die Uhr tickt lautlos. Genau eine Minute lang. Die Dame gleitet. Ins Eck. Die Wippe wippt. Ein vollständig abgeschlossener Zug. Doch Matt beendete die Partie… Da sollte man dem Sprüchlein Übersieh nie ein Schach, es könnte Matt sein, vielleicht noch Übersieh nie einen doppelten Springerrückzug, er könnte ein Matt verhindern, hinzufügen.
In der M2 gewann Florian in der vierten Runde gegen Kai Müller und setzte sich an die Tabellenspitze. Ulis Schicksal an diesem Tag habe ich oben schon angedeutet… Micheal Scholz remisierte gegen Martin Kwossek. Ich dachte mir noch beim kiebitzen: Ah endlich mal eine ganz normale Stellung bei Michael mit leichtem Vorteil für Weiß (er war Weiß). Doch dann war’s schnell Remis. Michael meinte nach der Partie ihm habe die Stellung nicht gefallen. Im Hautpturnier gewann Manuel gegen Friedrich Mut.
Ding Dong. Wie schon Runde Nr. 5? Ich hatte doch nur 10 Minuten Pause. Zum Glück hatte ich mir ein Bye genommen… Michael Pfarr fragte mich noch: Und was willst du die ganze Partie über machen? Ich zuckte nur mit den Schultern: Zuschauen und Kuchen essen?
Markus sah sich gerade mit einem höchst unangenehmen Springeropfer auf f7 konfrontiert, welches seine Königsstellung zerschmetterte. Missmutig nahm er den störenden Rappen heraus. …Kxf7. Die Wippe wippte. Die Uhr tickte lautlos. Ein paar weitere Züge. Gedanken an Springerrückzüge. Jonathan lief gerade mit seinem gefühlt dritten Stück Donauwelle munter durch die M1. Dem König wird es heiß. Geht da nicht?! Ein Damenzug!
Orf, Niklas – Susallek, Markus
Hier sah die Partie 23. Lxe8, was schnell gewann. Stilvoller und noch effktiver wäre 23. Df5+! gewesen. Nach …exf5 ist Txe8# sofort matt (…, Kg8, Df7+ nebst matt) und nach 23…, Ke7 ist 24. Txd5 erneut sehr stilvoll und beendet die Partie sofort. Florian remisierte. Michael Scholz verpasste die Chance mit einem Figurenopfer, welches eigentlich seinem Stil entspräche, die schwarze Königsstellung zu öffnen.
Scholz, Michael – Werner, Jörg
Dieser Einschlag ist durchaus interessant. Nach 19…,gxf6 (was sonst?), 20. Dh4 führt 20…, Dg7 21. Sxf6 nebst Sxe8 zu einer Materialverteilung, bei der Weiß für zwei Leichtfiguren einen Turm und zwei Bauern bekommen hat. Möchte Schwarz das nicht, kann er auch 20…, Sfd7 spielen (deckt f6 und macht Platz für den König), dann kann Weiß nach 21. Dxh6, Kg8 schon über 22 Sfe5!? nachdenken (oder erst 22. b4 und dann Sfe5).
Scholz, Michael – Werner, Jörg
Michael entschied sich aber aus obigen Diagramm schon für 19. h4 und baute langsam den Druck auf den schwachen Feldern um den schwarzen König weiter aus und gewann schließlich. Manuel remisierte die fünfte Runde und stand jetzt bei 3/5. So endete also der dritte Tag und Tag Nr. 4 dämmerte heran. Das Wetter zeigte sein bestes Grau.
Fortsetzung folgt…
Text, Diagramme und Bildrechte: Jonathan Simon
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Bishop, knight, and rook in flight, With every move, we tried to take the fight.
Vorwort
Kürzlich, ich war gerade tief in der Vorbereitung für die UEM versunken, durchwühlte ich eine Kiste mit alten Partieaufzeichnungen auf der Suche nach einer Widerlegung des gefürchteten Morra-Gambits. Der Legende nach existierte dieses Wissen bereits im 16. Jahrhundert, fiel sodann dem Laufe der Zeit zum Opfer, und konnte bis heute, trotz größter Anstrengungen und Computer-Assistenz nicht wiederentdeckt werden.
Nun entdeckte ich ganz unten auf dem Boden der Kiste
ein paar Streifen Pergament, schmucklos und triste
Geschrieben in Handschrift und Englischer Sprache
Da staunt‘ ich nicht schlecht, was sich mir hier offenbarte
Als William Shakespeare die Unterfränkische spielte
April 11th, 1586
My dear diary, on this day of April eleven
I write to you with joy, for I have seen
A tournament of chess, the Unterfränkische Einzelmeisterschaft
In which I took part, and had much mirth.
With quill in hand, I sat and thought
Of my moves, and those of my opponent
The game began, and I moved my knight
My adversary countered, with much might.
We traded blows, and strategized
The board was set, our minds were energized
With each move, we jostled for the lead
The game was tense, but my heart did not bleed.
I made a move, with much bravado
But my opponent countered, with a rondo
I was on the backfoot, and I knew it well
My next move had to be a strong sell.
N. N. – William Shakespeare
I looked around, and saw the crowd
My heart raced, and my mind was loud
I made a move, and waited for his reply
But to my surprise, he did not comply.
He looked at me, and smiled with glee
I was confused, and could not see
He had trapped me, with a clever move
I was stuck, and could not improve.
N. N. – William Shakespeare
The game was over, and I had lost
But my heart was light, and my mind tossed
With each game, I learned something new
And my love for chess, only grew.
The tournament was filled with funny tales
And I shall share with you, some of the details
One player, who was a novice indeed
Kept saying „checkmate“, before he had the lead.
Another player, who was quite bold
Moved his bishop, and then promptly scolded
Himself, for he had made a mistake
And his face turned red, like a burning lake.
But my favorite moment, was when
A player sneezed, and then again
The pieces flew, and the board was in disarray
We all laughed, and had a merry day.
So, my dear diary, I bid you adieu
And hope that my words have amused you
The Unterfränkische Einzelmeisterschaft was grand
And I cannot wait for the next day at hand.
W.S.
April 12th, 1586
My dearest diary,
This day hath proven to be one of great excitement and mirth, for the tournament continueth in full force. The players from Chess Club Mömbris have truly proven themselves to be worthy adversaries, and I must say, I hath enjoyed my time in their company.
One such player, by the name of Hans, doth possess a wit as sharp as his skill at the board. When he didst make a move that seemed most unwise, I didst question him on his strategy. With a twinkle in his eye, he didst reply, „Methinks 'tis a gambit, good sir. The risk is great, but the reward even greater.“ I couldst not help but laugh at his cleverness, and I do believe I shall use that line in one of my future plays.
Another player, a most fair maiden named Helga, didst catch mine eye with her graceful movements across the board. Her strategy was most cunning, and she didst make quick work of her opponents. I couldst not help but admire her skill, and I must say, I do believe I hath found my muse for my next sonnet.
As for mine own progress in the tournament, I am pleased to report that I hath won a fair number of matches. 'Twas not without some difficulty, for the players here are truly formidable. But with each victory, I feel my confidence grow, and I do believe I shall make a good showing in the days to come.
Alas, the day doth draw to a close, and I must bid thee farewell for now, dear diary. But I shall return anon with more tales of my adventures in the Unterfränkische Einzelmeisterschaft.
Farewell for now, William Shakespeare
April 12th, 1586 (late evening, night)
Oh Helga fair, with locks of golden hue,
Thou art the sun that lights my every day,
And in thy presence, all my cares subdue,
My heart doth beat in rhythms of thy sway.
Thou movest on the board with grace and skill,
Thy pawns and knights do dance in harmony,
As if they move according to thy will,
And all who see thee marvel at thy spree.
But 'tis not just thy chess that I admire,
For in thy eyes, a gentle kindness glows,
And in thy smile, a warmth doth me inspire,
That fills my heart with joy and overflows.
Oh Helga fair, thy beauty doth transcend,
And in my heart, a love for thee doth blend.
W.S.
April 13th, 1586
My dear diary,
The sun did rise and shed its light upon us once again, as we gathered for the third day of the Unterfränkische Einzelmeisterschaft. The air was filled with anticipation and excitement as the players took their seats and prepared for battle.
The games were fierce and cunning, each move calculated and precise. The pieces moved with grace and fluidity, as if they had a will of their own. The crowd was on the edge of their seats, gasping and sighing with every turn.
The players from the Chess Club Mömbris proved to be formidable opponents, each one more skilled than the last. But our team did not falter, and we fought with all our might. The games were close, but in the end, we emerged victorious.
I must say, I was quite impressed with the strategy of our opponents. They showed great skill and cunning, and I do believe we have much to learn from them. Perhaps we shall meet again in the future, and the games will be just as thrilling.
As for me, my mind was somewhat distracted today. The image of Helga, with her bright eyes and golden hair, kept creeping into my thoughts. I found myself making mistakes in my games, as I was unable to concentrate fully on the board.
But even so, I cannot help but be captivated by her. She has a spirit and a beauty that is rare indeed. Perhaps I shall find the courage to speak with her soon, and see if she feels the same.
Until tomorrow, my faithful diary.
Yours truly,
William Shakespeare
April 13th, 1586 (later)
I played a game of chess today,
With skill and cunning on display.
My opponent’s moves were shrewd and wise,
But I saw through his crafty disguise.
The game began with e4 and e6,
A French Defense, a gambit fix.
With d4 and e5, the tension rose,
A pawn storm brewing, as the game goes.
N. N. – William Shakespeare
My knight and queen worked in harmony,
As I attacked with the ferocity of a bee,
But my opponent fought back with skill and precision,
And I soon realized that this would be no easy mission.
As the battle raged on, I made a mistake,
And my knight was captured, leaving me to ache,
But I rallied and pressed on with all my might,
Determined to make my opponent take flight.
N. N. – William Shakespeare
With my knight hopping around like a hare,
And my queen and rooks poised to scare,
I pushed my pawns and went on the attack,
Forcing white to retreat, and hold back.
N. N. – William Shakespeare
N. N. – William Shakespeare
Black sought to counter with a daring plan,
But White replied with craft and played his hand.
The knights and rooks, they danced in deadly dance,
But no side could break the other’s stance.
N. N. – William Shakespeare
The game was on the knife’s edge,
With both sides fighting like warriors on a ledge,
But I saw a chance and sacrificed a pawn,
White took it, but it was all gone.
The endgame loomed, with each move a test,
As we fought to see who would be the best,
And then, in a moment of great surprise,
White offered a draw, leaving me to surmise.
For in truth, my foe was in a winning position,
And yet, they chose to end the game with a proposition,
But I accepted, for the game was long,
And I knew I couldn’t go wrong.
N. N. – William Shakespeare
Thus ends this tale of chess and strategy,
Where White was outplayed by Black’s majesty.
And though a draw was all that was to be,
Shakespeare knew he had won the victory.
W.S.
April 14th, 1586
Dear diary, the fourth day hath brought us joy,
For we had rest, and did in peace enjoy
The beauty of the woods and nature’s grace,
As we embarked upon a hiking race.
The trees did whisper, and the birds did sing,
As we did venture, like a happy king.
The sun was shining, and the air was clear,
And we did feel the joy of being near
The beauty of creation all around,
And peace and happiness did us surround.
In the evening, we did gather to play,
A game of poker, for the night away.
The cards were dealt, and the bets were made,
And fortunes won and lost, as we did trade
The chips of fate, with skill and luck and bluff,
And laughter filled the room, with joy enough.
And in the midst of all this merry cheer,
I did see Helga, whom I hold so dear.
Her smile did light the room, like sunshine bright,
And in her eyes, I saw the stars of night.
We talked of many things, of life and love,
Of poetry, and chess, and God above.
And though the night did end, and we did part,
I felt a warmth within my weary heart.
Tomorrow brings more chess games to be played,
And I shall meet Helga, so divine and staid.
May fortune smile upon us, and may we win,
For in her eyes, I see the hope within.
W.S.
April 15th, 1586
Verily, the fifth day of the tournament hath brought with it some commotion and humour, as well as some frustration. As I made my way to the playing hall, I beheld a player galloping on his horse, hoping to make it on time for his match. Alas, he was not so fortunate, for the rules of the game are strict and unwavering, and he was penalized for his tardiness. One gentleman, who shall remain nameless, arrived at the hall late, mounted on his steed, which caused quite the stir among the spectators. Methinks he feared forfeiting his game, and thus decided to arrive with haste, but alas, tardiness still hath its consequences.
Moreover, I witnessed a heated dispute between two players about the rules of the game, which threatened to boil over into a brawl. It was a sight to behold, as they argued and gesticulated, and tempers flared. Furthermore, two players had a heated debate over the rules of chess, their voices growing louder with each passing moment, until it seemed as if swords would be drawn. It is a testament to the passion and fervor with which these players approach the game of chess. Such passion for the game is admirable, but 'tis important to maintain a level head.
The games were intense, as the players battled it out on the chessboards with cunning and strategy. The spectators were enraptured, as they watched the pieces move back and forth, each move bringing them closer to victory or defeat.
The players of the Mömbris Chess Club also provided much entertainment and amusement with their jests and antics, bringing levity to the intensity of the tournament. Such is the spirit of competition, that even in defeat, one can find joy in the game and the company of fellow chess enthusiasts.
As for mine own games, I am pleased to report that I have achieved some victories, but also suffered a few defeats. But such is the nature of the game, and I take heart in the knowledge that I have given my best effort. It is a test of wit and strategy, and sometimes even luck, to navigate the chessboard and outsmart one’s opponent.
As the day wore on, the tension mounted, and the players began to feel the weight of the competition. As the games drew to a close, the players emerged victorious or defeated, but all had given their best. And so, we retire to our chambers, to rest and prepare for the final day of the tournament.
Yours truly,
William Shakespeare
April 16th, 1586 (late evening)
With heavy heart and eager mind,
I faced the final day in kind My heart was beating like a drum, As I prepared to make my final sum.
The chessboard lay before my eyes
With every piece, a new surprise
My wits were sharp, my moves were deft
The games were tense, with each move made,
The pieces danced like a grand parade.
Bishop, knight, and rook in flight,
With every move, we tried to take the fight.
With sweat upon my brow, I fought with might,
Against my foes, with all my sight.
My pieces sacrificed for the win,
My mind as sharp as a razor thin.
And when the final match was done,
I felt as though my heart had won.
My foes had fought with all their might,
But in the end, I emerged with light.
But as I walked, and bid farewell
To friends old and new, whom I’d do well
To remember, and to keep in mind
I felt a tug, a pull, unkind
For there she was, my sweet Helga fair
With golden locks and eyes that dared
To capture mine, to hold me fast
And I knew that this feeling would surely last
But alas, the moment could not stay
And so I left, with naught to say
But memories of a time so rare
And a heart filled with love and care
And so I say, with all my soul
Farewell, dear Helga, and may you stroll
Through life with grace and beauty rare
And may our paths meet once again, somewhere.
W.S.
April 02th, 1587 (one year later)
My dear diary,
One year hath passed since the last Unterfränkische Einzelmeisterschaft, and the time for the next doth approacheth. My mind doth wander to the chessboard, to the clash of swords and the intricate dance of the pieces.
I remember the chess games I played with the players from the Chess Club Mömbris, the tricks and maneuvers we used to outwit each other, and the endless hours spent analyzing each other’s moves. It was an intellectual challenge like no other, and I relished every moment of it.
What games will I play, what foes will I face, what victories and defeats shall be mine? My heart doth yearn for the thrill of battle, the satisfaction of a well-played game, the camaraderie of fellow chess enthusiasts.
But there was more to the tournament than just the games. The people I met, the stories they told, and the friendships we forged were equally important. I remember the joviality of the players, the laughter that echoed through the halls, and the endless supply of ale that flowed freely. Even the night hikes and poker games added to the sense of camaraderie and adventure that permeated the tournament.
I long to see the faces of my fellow players again, to share in their joy and their sorrow, to engage in friendly banter and fierce competition. The chess club Erlenbach, the host of the tournament, will be a gathering place for knights and scholars, for noble and commoner alike, all united in their love for the game.
And what of the fair Helga, the enchanting maid who captured my heart with her grace and her wit? I cannot forget the beauty of her face, the sparkle in her eyes, and the sweetness of her smile. Will fate be kind to us, and bring us together once more? Or shall our paths diverge, leaving only the memory of a brief but sweet encounter?
May the next days bringeth me great adventure and a bounty of memories to cherish, for truly there is no greater joy than the pursuit of knowledge and the thrill of competition.
But in the end, I remind myself that the tournament is not just about winning or losing, but about the journey and the experiences that come with it. I look forward to the challenges that await me on the chess board, the stories that will be shared, and the friendships that will be forged.
Until then, I shall prepare myself for the tournament, hone my skills, and brace myself for the excitement and drama that awaits me. For the Unterfränkische Einzelmeisterschaft is not just a competition, but a celebration of the human spirit, and I shall approach it with both humility and confidence.
Until next time, farewell.
Yours truly, William Shakespeare
April 04th, 1587
My dearest diary,
A year has passed since my last foray
Into the Unterfränkische Einzelmeisterschaft fray,
And now it’s time to prepare for another display
Of chess skills, tactics, and strategies at play.
I have been thinking much about the games ahead,
The battles that will be fought, the moves that will be led,
The opponents I will face, the surprises they may spread,
And the glory or defeat that will lie ahead.
Last year’s tournament was a joyous and memorable occasion,
Filled with laughter, camaraderie, and fierce competition,
And I expect this year’s event to be no less exciting in its presentation,
With new faces, new games, and new opportunities for appreciation.
I look forward to the chance to meet old friends and foes,
To share tales of our chess games and triumphs and woes,
To learn new strategies and tactics from those who know,
And to compete with the best players in the region in tow.
The games will be tough, the challenges great,
But I am confident in my abilities and fate,
And I am sure that with passion, skill, and a bit of luck to debate,
I will be able to emerge victorious and with laurels decorate.
As I prepare for the tournament, I cannot help but recall,
The many memories and lessons from last year’s brawl,
The games that were won, the games that were lost, and the stall,
That led me to reflect and learn and grow and not withdraw.
I remember the games I played against Helga,
The beauty and grace of her moves that still linger,
The passion and skill that she brought to the board with vigor,
And the spark of inspiration that she kindled in my inner figure.
I wonder if she will be here this year, if she will compete,
If I will have the chance to once again to meet,
Her smile, her wit, her charm, and her gentle beat,
And to experience the joy playing against her with no retreat.
But regardless of who I play or how I fare,
I know that this tournament will be a wonderful affair,
Filled with laughter, passion, and drama, and not spare,
And I look forward to the adventure that will lay bare.
So, my dearest diary, as I prepare for the tournament to come,
I hope that I will do justice to the game and not succumb,
To the pressures and the challenges that will be overcome,
And to emerge victorious and with pride, welcome home.
Yours truly,
William Shakespeare
Anmerkungen:
Text „Vorwort“ und „Anmerkungen“: Jonathan Simon
Text „Zum Geleit“ und „Als William Shakespeare die Unterfränkische spielte“: ChatGPT, persönliche Kommunikation, 03. April 2023.
ChatGPT wurde vorab mit ein paar Informationen gefüttert, z. B. das der Bericht in Shakespearean old-fashioned flowery English geschrieben sein soll, das Spieler des Schachclubs Mömbris auftauchen sollen (die Person Helga wurde komplett von ChatGPT selbst entworfen, jede Ähnlichkeit mit in Wirklichkeit existierenden Personen ist rein zufällig), das ein Streitfall zwischen Spielern geschildert werden soll, das es einen freien Tag mit Wanderung und Pokerspiel gibt usw. Außerdem wurde vorgegeben, ob der Text in Prosa oder Versen geschrieben sein soll. Bevor dieser Hauptbericht mit dem Thema Shakespeare geschrieben wurde, wurde ChatGPT mit dem Bericht Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen: Der Schachbummler von Jonathan Simon gefüttert. Es wurde je Tagebucheintrag eine Anfrage an ChatGPT gestellt. In manchen Fällen wurden die Anfragen (leicht abgewandelt) wiederholt und für den finalen Text der Output von allen Anfragen kombiniert (teils mit durchgestrichnen Textstellen). Veränderungen im Text fanden lediglich im Layout (kursive Schrift), dem Hinzufügen des Datums inkl. Zusatz (z. B. late evening) und der Initialen W.S. statt. An einer Stelle wurde aus dem Wort „year“ das Wort „day“ (And I cannot wait for the next day at hand) und aus „Mömbris“ wurde „Erlenbach“ (The chess club Erlenbach, the host of the tournament…). Bis auf diese Ausnahmen stammt der gesamte Text im Kapitel „Als William Shakespeare die Unterfränkische spielte“ von ChatGPT und wurde unverändert übernommen.
Eine Eingabe in ChatGPT lautete beispielsweise: „Very good. Now on to the fifth day. Now write in prose again, but still in the style of William Shakespeare. He may tell an anecdote of a player entering the playing hall on his horse, as he was on the merit of loosing his game due to being late. Also mention a case of a heated discussion over the chess board between two players about the rules of chess. And also go into detail about your impressions from your own games and how they went.„
Die Bilder von Helga, Shakespeare und dem Mann mit dem Pferd im Turniersaal wurden mit dem AI Art Generator erzeugt (https://hotpot.ai/art-generator).
Die Texteingabe für Helga war zudem rein auf den Beschreibungen von ChatGPT basiert, konkret lautete diese: „A drawn black and white picture of a most fair maiden named Helga with bright eyes and golden locks sitting before a chess board deep into a game of chess. In here eyes glows a gentle kindness. She has a spirit and a beauty that is rare indeed. Her movements are with grace and skill. Her smile lights the room, like sunshine bright.There is a sparkle in her eyes, and a sweetness in her smile.„.
Die Texteingabe für das Bild vom Reiter im Turniersaal lautete: „A black and white picture of a man in 16th centruy clothing arriving in haste at a chess tournament on horseback in the middle of the playing hall with many chess boards.„
Die Texteingabe für das Bild von William Shakespeare lautete: „William Shakespeare playing chess„.
Die erste Partie stammt aus dem Pokalfinale 2023 des SC 1928 Mömbris e.V. und wurde zwischen Toni Kemmerer (Weiß) und Markus Susallek (Schwarz) ausgetragen. Allerdings wurde in der Originalpartie nicht der Zug 17. Dd1 gespielt. Link zur Partie auf Lichess: https://lichess.org/M0V44zZV#0
Das „gefürchtete Morra-Gambit“ ist eine Anspielung auf diverse andere Berichte von Jonathan Simon (siehe Berichte sonstige Turniere).
Die zweite gezeigte Partie stammt aus dem Verbandsligakampf Mainaschaff I – Mömbris I vom 19.03.2023 aus der Partie Ralph Pabel (Weiß) gegen Jonathan Simon (Schwarz). Im obigen Artikel lag der Fokus im Wesentlichen auf der tatsächlichen Textpartie.
Der Tagebucheintrag zur zweiten Partie wurde ebenfalls mit ChatGPT erzeugt, nachdem diese Partie als unkommentierte PGN Datei ChatGPT zur Verfügung gestellt wurde. Bei dem Text zur ersten Partie, wurde diese nicht zu Grunde gelegt, der Text hat dennoch zufällig sehr gut zu dieser erst kürzlich gespielten Partie gepasst (He had trapped me, with a clever move // I was stuck, and could not improve.).
„Jetzt ist nicht damals, hier nicht dort, denn zwischen beiden liegt Bewegung. Da aber die Bewegung, an der man die Zeit misst, kreisläufig ist, in sich selber beschlossen, so ist das eine Bewegung und Veränderung, die man fast ebensogut als Ruhe und Stillstand bezeichnen könnte; denn das Damals wiederholt sich beständig im Jetzt, das Dort im Hier“ (Thomas Mann; Der Zauberberg)
Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen: Der Schachträumer
Ostern 2021
Nach einem langen arbeitsreichen Tag voller Abstands- und allgemeiner Hygieneregeln, bettete ich mein coronamüdes Haupt auf weiche Federkissen, schlug die warme Bettdecke über mich und dachte an nichts. Eine fortgeschrittene Dunkelheit umspannte meine Augenlider, eine wohlige Wärme durchkroch meine Glieder und nur die farblosen Geräusche der Stille drangen an mein Innenohr. Langsam ließen sie von mir ab. Die kreisenden Gedanken und schwebenden Sorgen und mächtigen Mühen, sie ließen von mir ab, ließen mich ruhen, und auch irrig inflationäre Inzidenzwerte wurden irreversibel irrational. Ich ließ sie gehen, sie alle, ließ sie ziehen, schweben und fliehen, alle zerstreuen, alle zergliedern… um nun, mit neuer Geisteskraft, über den Auen Tanzende zu schauen. Tanzende Schatten, nein Gestalten, nein Figuren, nein Könige und Königinnen und Läufer und Springer und Türme und ein Ozean von Bauern, die tanzten und lachten und sprangen und galoppierten und am Anfang war das Wort und meine Innenohren vernahmen ein freudiges ‚Gutes Spiel!‘, gefolgt von einem simultanen Klicken als die Schwarzspielenden die Uhren der Weißspielenden in Gang setzen und sodann umspannte ein gleißendes helles Licht meine Augenlider, die ich daraufhin erwartungsvoll aufschlug und gen Himmel richtete, und es schien über mir die Ostermontagssonne und verkündete Auferstehung.
Ich schaute mich um und stellte fest, dass ich wohl auf einer Art Prakplatz war. Bäume erstrahlten im frühlingshaften grün. Vor mir befand sich eine große Halle, auf deren Haupteingang ich mich nun zubewegte. Ein großes Banner des USV zierte die Eingangstüre. Darauf stand geschrieben: Willkommen zur verlorenen Unterfränkischen Meisterschaft 2021 in Würzburg in der Kürnachtalhalle. Trügten mich meine Augen? Die verlorene Unterfränkische? Vergangenheit. Das Wort hallte durch meine Sinne. Ich kehrte der Ostermontagssonne den Rücken zu und schritt durch den Eingang.
Meine Augen erblickten lange Tischreihen auf denen hölzerene Bretter mit hölzernen Figuren in allerlei Formen standen. Schachfiguren. Fein säuberlich aufgereiht, ohne Abstandsregeln dicht gedrängt. Zwei Stühle, zwei Partieformulare, zwei Stifte, eine digitale Schachuhr in der Mitte, vier Turniere. Die Meisterklassen 1 und 2, das Hauptturnier, welches auch Aufstiegsturnier genannt wird und das Seniorenturnier (nach Gerolzhofen, Schweinfurt und Obernau also auch heuer wieder). Ich war nicht allein. Überall sah ich schachfreudige Menschen in gespannter Erwartung dieses großen Turniers. Munter schwatzend und plaudernd und ungeduldig in mittellangen Anmeldeschlangen stehend. Ich gesellte mich dazu, trug mich ein für die M2, zahlte mein Startgeld bei Wolfgang Kassubek, Schatzmeister wie eh und je. Überall hatten sich schon kleine Grüppchen versammelt, erste Vorturnier-Blitzpartien wurden ausgetragen, Hände geschüttelt nach langem freudigen Wiedersehen und manche verschlangen belegte Salamibrötchen und tranken Spezi aus Glasflaschen. Ich schaute mich um. Entdeckte Mömbriser. Markus und Daniela, Jonathan, Manuel, Marius, Kevin, Michael und Michael und Michael und Michael und richtig – Norbert. Entdeckte Würzburger, Aschaffenburger, Schweinfurter, Bad Königshofener, Klingenberger und viele mehr. Alle waren sie vereint im königlichen Spiele. Ich sah Jürgen Müller hinter dem Schiedsrichterpult, hörte den Drucker Teilnehmerlisten drucken. Sah Erstrundenpaarungen. Trauben von Menschen, die sich vor Pinnwänden drängten und in freudig ungeduldiger Erwartung mit den Füßen scharrten.
Ein Strudel von Farben. Dann saß ich am Brett. Gegenüber mir: Der Gegner. Das lautlos monotone Ticken der digitalen Schachuhr spiegelte sich nur in einem beständigen Absinken und Wiederauffüllen des digitalen Sekundenzeigers wider. Ein Kreislauf. Bewegung. Ein Bauernzug. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation. Was war der Plan? Wie geht’s weiter? Gerade noch voll Sicherheit, doch nun?
Simon, Manuel – Spelleken, Hans-Gerd
Meine Stirn furchte sich. Vielleicht ein Springereinschlag auf f7? Auf’s Kreuz musst du spielen. Ein Echo längst vergangener Tage mit Sonnenschein und Meeressand, Muscheln und apple juice. Der Schachbummler durch die Reihen bummelte und mir aufmunternd zunickte. Nun gut, also Sxf7! Rechtsspringer galoppierend in die gegnerische Stellung preschte. Ein RUMS. Ein entseelter Bauer, der nur noch ein Stück Holz war. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation. Was ist der Plan? Wie geht’s weiter?
Simon, Manuel – Spelleken, Hans-Gerd
Ein Strudel von Farben. Ein neuer Tag. Eine neue Runde. Ich sah Jürgen Müller noch ein letztes Mal durch die Reihen streifen und alle Aufstellungen und Uhren kontrollieren. Spannung lag in der Luft und Menschen verschlangen belegte Käsebrötchen und tranken Fanta aus Glasflaschen. Dann ein lautes Jubeln. Der König, der König! Ein großes Gefolge durch die Türen schritt. Vorne König Weißbart und seine Gemahlin, die schöne Königin, an seinem Arm seine Tochter Cassia. Danach folgten in Zweierreihen seine acht Söhne Anton, Boris, Caesar, Demir, Emil, Fritz, Garry und Harry. Danach Bannerträger und weiteres Gefolge seines Hofstaates, ganz zum Schluss die Lastenträger, welche ein großes Fass mit dem Leibgetränk des Königs schleppten: köstlich königliches dunkles Urstoff-Bier. Extra aus der Burg Wildberg, mittem im Märchenwald bei Bad Königshofen gelegen, waren sie angereist. Prachtvoll anzusehen schritt die Entourage durch die Turnierhalle. Vorreden und Ehrungen. Die Einnahme der Plätze. Tisch Nummer 5 war gestern noch der Mittelpunkt der Welt. Heute achtlos vorüber geeilt, keines letzten Blickes würdig. Gestern dort, heute hier. Neuer Mittelpunkt. Die Welt ist nicht rund und weit, sondern quadratisch und durch 8×8 Matrizen beschränkt. Ein Nicken, ein Handschlag zur Begrüßung. Eine Eröffnung. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation. Aljechin und Jagdvarianten. Rochade.
Susallek, Markus – Scholz, Michael
Aufs Kreuz musst du spielen! Ich griff nach dem Läufer und der Einschlag auf h7 war im ganzen Turniersaale zu hören. Ein entseelter Bauer, der nur noch ein Stück Holz war. A Greek gift. Ein hervorgezerrter König. Schutzlos. Solche Stellungen erregen immer die Aufmerksamkeit von Spielern, deren Lieblingsbeschäftigung es ist nach 10 Zügen Remis zu machen. Schon bald bildete sich eine Traube von Menschen um den Mittelpunkt der Welt. Ein Königszug. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation. Ein Folgeschach auf g5. Ein Angriff.
Susallek, Markus – Scholz, Michael
Ein Strudel von Farben… Zeit. Hier und Dort. Ein Griff nach einer Umwandlungsfigur. Ablenkung! Ein Sieg und ein Handschlag. Eine Analyse im Analyseraum. Ein Kaffee mit Milch und ein Stück Rhabarberkuchen mit Streuseln. Kiebitzen der letzten Partien bei fast vollständiger Turnierruhe. Gedanken an den Laptop und ChessBase Dateien, die zugunsten eines Vorrundenspaziergangs in der Sonne mit Lärm von der Hauptstraße verworfen werden. Die Stadt. Der Parkplatz. Das Banner. Der Turniersaal. Die Gesichter. Die Pinnwände. Die Paarungslisten. Die Runde. Der Schiedrichter. Die Jacke. Die Schachuhr. Das Partieforumlar. Der Stift. Das Spezi. Der Gegner. Die Holzfiguren. Die Zeit. Der Handschlag. Die Partie. Die Stille. Die Vorbereitung. Der Gegner. Der Gegner. Der Gegner. Der Zug. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Ein Strudel von Farben. Eine neue Situation. Ein Bauernzug nach e4 mit Angriff auf den zentralen Sd5.
Gruber, Bernd – Scholz, Michael
Die Felder f4 und c3 sind versperrt. Also nach e7?! Doch halt! Immer alle Schachs rechnen, dachte ich mir. Also 16…Lxf2 17. Txf2. Geht es weiter? Oh, noch ein Schach! 17…Txg2. Was sagt der König dazu? Dolendo.
Gruber, Bernd – Scholz, Michael
Ein listiges Lächeln umspielte meine Lippen. König Weißbart lachte dröhnend hinter mir. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation.
Ein Strudel von Farben. Ich wandelte durch die Reihen der M1. Meine Innenohren vernahmen ein stetes Klacken. Klack. Klack. Klack. Ich schaute mich um. Ein einäugiger Pirat mit Augenklappe schritt mit gezücktem Säbel durch die Bretterreihen! Sein Holzbein klackte. Sein Auge zuckte. Seine Hand zitterte wie in Zeitnot.
Ein Strudel von Farben. Ich stand in einem mittelalterlichen Turniersaale. Hübsche Banner zierten die Wände und offene Feuerstellen verbreiteten Rauch, der einem in den Augen beißen tat. Ein Dudelsackspieler dudelte die neue Runde ein. Ich hörte Hufgetrampel und dachte an Zebras. Ein Wiehren. Ein Lachen. „Die Memmelriser Ritter!“, erschallte der Ruf des Turnierschreiers durch das Steingemäuer. „Machet Platz für den Grossfuersten Fritz Scholz und sein Rittergefolge! Wir gruessen auch heuer die tapferen Rittersleut Sir Michael Garry Scholz, Sir Florian Harry Voellinger und Sir Johann Fritz Simon zur sechsten Runde der Wuerzeburger Meisterschaften im Schache anno domini 1221!“. Prächtig waren sie anzusehen, die drei Ritter in strahlender Rüstung und der alte Großfürst Fritz. Ein Strudel von Farben. In der Rittersklasse 2 spielte Sir Johann Fritz Simon, die Rüstung glänzte, das Visier war gesenkt. Er brütete nach des Gegners Zug 36. Dd3. Sein Fuß wippte im 3/4 Takt. Wahrscheinlich hat er noch einen Dudelsackohrwurm im Ohr, dachte ich mir.
Linde, Wolfgang – Sir Johann Fritz Simon
Er zog 36…Sf4. Ein wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation. Die Dame musste weichen. Sie zog nach d1. Der Gegner schaute verunsichert. Der Ritter öffnete sein Visier und lächelte siegesgewiss. Der Fuß wippte unbeeindruckt im 6/8 Takt. Die Dame zog nach d1. Der Ritter griff nach seiner Dame. Die Rüstung schepperte. RUMS. Ein ehemals schwarzfelder Läufer ward am Brettrand abgesetzt. Es war nur noch ein entseeltes Stück Holz.
Linde, Wolfgang – Sir Johann Fritz Simon
Der Ritter gewann. Ein Strudel von Farben. Ich sah Sir Johann in seinem Herbergszimmer sitzen. Er saß vornübergebeugt am Holztische. Der Duft von griechischen Gyros lag in der Luft. Eine einsame Kerze spendete Licht, während eine Feder über ein Pergament kratzte. Ich sah über des Ritters Schulter und vor ihm lag ein Schriftstück an dem er gerade schrieb. Es las sich wie folgt:
Ein Strudel von Farben. Zurück im Würzburg der Neuzeit in einer ungeschmückten Kürnachtalhalle ohne offene Feuerstellen, Dudelsackspieler und Turnierschreier. Weder Piraten noch Ritter in Sicht. Mir gegenüber: Der Gegner. Dem Gegner gegenüber: Ich. Vor uns: Das Schachbrett. An des Schachbrettes Südost- und Nordwestseite: Die Partieformulare. An der Partieformulare Ostseite. Die Stifte. An der Stifte Südseite: Die Minen. An des Schachbrettes Ostseite: Die Schachuhr. An der Schachuhr Westseite: Die Zeitanzeige. 1:30. Zeit. Hier und dort. Der Handschlag. Das Lächeln. Das simultane Klicken der Schachuhren. Der Gegner. Ein Kreislauf. Bewegung. Die Eröffnung. Eine Fantasy-Variante. Oder doch Französisch? Lange Rochade ohne Tausch auf c5. …c4 und die Bauern preschten nach vorne.
Susallek, Markus – Weist, Leonhard
Mir schien der Zug verdächtig. Immer alle Schlagzüge rechnen. Aha, ein Abzugs- und Doppelangriff nach 11. Lxc4!, dxc4 12. d5. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation.
Susallek, Markus – Weist, Leonhard
Ein Strudel von Farben. Zur abendlichen Einkehr. „Ich mag nicht zum Asiaten“, monierte ein Spieler. Dann eben Schnitzel essen. Ein geselliges Treiben. König Weißbart traf mit seinen acht Söhnen ein. Das Urstoff-Bier floss in Strömen. Die Zeit schritt voran. Kreisförmig. Oder doch nicht? War nicht eben erst Runde drei? Wo sind wir? Die Halbzeit ist schon überschritten. Der spielfreie Tag schon genossen. Das Blitz- und Pokerturnier schon gespielt. Endspurt. Was sind das für Gedanken? Nach dem Turnier ist vor dem Turnier. Es kommt wieder. Aber hier ist nicht dort. Jetzt ist nicht dann. Ein Kreislauf? Bewegung? Meine castorpschen Gedanken bringen mich noch on the highway to hell… Aber halt… Meine Ohren vernehmen es auch? Wie? Ach, es ist ein Lied! Meine Beine wissen nicht in welchem Takt sie wippen sollen. „Heureka!“, rief König Weißbart plötzlich. „Lasset uns demnächst ein Schachturnier mitten in der Nacht zu lauter Rockmusik ausrichten!“, rief er ergriffen aus und versank dann hinter seinen Urstoffkrügen.
Ein Strudel von Farben. Vorletzte Runde. Eine sizilianische Partie. Die Springer hüpften über das Feld und die Wippe der Uhr wippte beständig. Die Stifte notierten fleißig. Viele neue Situationen. Zu wenig Schlaf in der letzten Nacht. Schnell noch ein Kaffee? Dazu gleich noch ein Stück Rhababerkuchen mit Streuseln? Essen am Brett ist nicht unbedingt schicklich. Dann lieber h4 gespielt. Der Schachbummler vergnügt durch die Reihen streifte. Die Gegnerin überlegte. Wird sie meinen Bauern schlagen? Die Falle war vorbereitet. Ich schaute gedankenverloren über das Nachbarbrett ohne die Figuren eigentlich zu sehen. Warf einen Blick auf die Uhr. Zeit ist das was wir an den Uhren ablesen, ging mir ein Zitat durch den Kopf. Auch im Mittelpunkt der Welt verinnt die Zeit. Wieso gibt es Zeit im Mittelpunkt der Welt? Sollte eine mit Flow behaftete Tätigkeit wie Schachspielen nicht zeitlos sein? Ich blickte auf. Auch hier war eine Uhr. Auch außerhalb des Mitelpunkts der Welt verran die Zeit. Die Uhren gingen nicht synchron. Wann sind wir in Zeitnot? Hier in jeder Partie, aber dort? Jetzt ist nicht damals, hier nicht dort, denn zwischen beiden liegt Bewegung… RUMS. Ein entseelter Bauer wird vom Brett genommen und meine Gegnerin schlug mit ihrem Springer auf d5. Ich lächelte zufrieden ohne dass ein Lächeln auf meinen Lippen zu sehen gewesen wäre. Ein Wippen der Wippe. Zwei Menschen mit einem Stift in der Hand, die notierten. Eine neue Situation.
Simon, Manuel – Fock, Sana
Ich überprüfte die Varianten. Sie waren nicht ganz einfach. Ging sie doppelt und dreifach durch. Ich sollte mehr Variantenberechnung üben. Nein, ich sollte jetzt Schach spielen. Also wie ist das jetzt mit der Grundreihe? Wenn ich dann Dc8 spiele..? Kein Kraut ist gegen diesen Plan gewachsen! Der Springer. Die Dame. Die Grundreihe. Die Gegnerin. Ich griff nach dem Springer und schlug auf d5. Ein Turmtausch auf c1 und …Dxf5. Dann Lxd8 und …Dxd5. Der Sieg war mein! Meine Dame glitt nach c8. Die Gegnerin schaute verzweifelt. Ein Handschlag und ein voller Punkt für mich.
Simon, Manuel – Fock, Sana
Ein Strudel von Farben. Ich sah zwei Menschen vor einem PC sitzen. Beide hatten ein digitales Schachbrett vor sich. Der eine saß in Alzenau, der andere in München. Eine raumlose Begegnung. Kein Partieformular. Keine Stifte. Keine Schachuhr. Keine Holzfiguren. Kein Handschlag. Kein Turniersaal. Keine Pinnwände. Keine Gesichter. Kein Banner. Aber der Gegner. Die Partie. Die Stille. Das Spezi. Die Zeit. Die Vorbereitung. Die Internetverbindung. Der Laptop. Die Maus. Der Bildschirm. Der Zug. Der Gegner. Der Gegner. Der Gegner. Eine sizilianische Eröffnung. Ein Computer ohne Stift in der Hand, der notierte. Ein Springerzug nach e7.
Grünewald, Florian – Susallek, Markus
Ich sah den Bildschirm. Sah die Stellung. Das Feld d6 schien mir verdächtig. Immer alle Schlagzüge rechnen, dachte ich wieder. Zweimal auf b5 schlagen. Wie geht es weiter? Die Dame muss weichen. Ein Schach auf d6. …Kd8. Eine Gabel auf f7. Das sollte leicht gewinnen…
Grünewald, Florian – Susallek, Markus
Doch Weiß zog Rochade. Ein Computer ohne Stift in der Hand, der notierte. Eine neue Situation.
Ein Strudel von Farben. „Willkommen zur letzten Runde der UEM 2021“, spricht Jürgen Müller in der Kürnachtalhalle. „Die Rechnungen für den Zuschuss zu den Übernachtungskosten können während der Runde bei Hans-Jörg eingereicht werden. Die Bretter sind frei!“. Und ich saß am Brett. Gegenüber mir: Der Gegner. Das lautlos monotone Ticken der digitalen Schachuhr spiegelte sich nur in einem beständigen Absinken und Wiederauffüllen des digitalen Sekundenzeigers wider. Ein Kreislauf. Bewegung. Das Damals wiederholt sich beständig im Jetzt, das Dort im Hier. Eine Pirc-Ufimzew-Verteidigung. Dreibauernangriff. Gedanken an Preisgeld, Aufstiegsplätze und Schlagzeilen für kreative Schachberichte. Ein Ohrwurm. Ein frühes f5. Doch was war das? Wie ein geflügelter Pegasus landete ein Springer auf g4…
Simon, Manuel – Kemmerer, Toni
Meine Stirn furchte sich im Zweifel. Schlägt, schlägt, Df3, schlägt, schlägt und …Ld4. Oh man ey… Haben Sie schonmal Schach spielen können? Nein, das hat er verlernt… Ich überlegte, ob ich meinen Kopf in meinen Händen vergraben oder ihn gleich auf der Tischplatte nieder legen sollte. Doch wartet? Schlägt, schlägt und Sd5! Was sagt man dazu? Kein Kraut ist gegen diesen Plan gewachsen!
Simon, Manuel – Kemmerer, Toni
Die Endorphine rauschten durch mein Blut. Mein Bein wippte im 12/8 Takt. Der Gegner verzog schmerzerfüllt das Gesicht. Die Springer. Die Damen. Der Zwischenzug. Der Materialgewinn. Die Partie. Die Felder. Die 8×8 Matrizen. Der Mittelpunkt der Welt. Das Lächeln. Das Preisgeld. Die Endorphine. Der Sieg. Der Sieg. Der Sieg. Die Unterfränkische. Die Unterfränkische. Die Unterfränkische. Es dröhnt in den Seelen. Die Unterfränkische. Die Unterfränkische. Crescendo. DIE UNTERFRÄNKISCHE.
Und ich schlug meine Augen auf. Es war Ostermontag. Es war Corona. Es war keine Unterfränkische in Würzburg. Lange schon den irrig inflationären Inzidenzwerten zum Opfer gefallen in diesen Corona-Zeiten. Wirklich? War ich etwa nicht dort gewesen? Hatte ich etwa nicht neun Runden Schach gespielt, die Spieler gesehen, bekannte Gesichter und neue? Kombinationen berechnet? Figuren gewonnen und eingestellt? Matt gesetzt und matt gesetzt worden? Mit allen vereint gewesen im königlichen Spiele? Oh doch, ich war es und ich hatte es und ich wusste: Sie war nicht verloren, denn ich hatte sie gefunden.
Ende
Anmerkungen:
Dieser Bericht sollte eigentlich schon zu der Zeit erscheinen, in der er spielt, also zu Ostern 2021. Leider schreibt sich solch in Bericht auch nicht ganz von selbst und das Raussuchen von geeigneten Stellungen ist relativ zeitaufwändig, daher kam es zu dieser etwas längeren Verzögerung.
Dafür finden sich einige Partien im Bericht, die erst nach Ostern 2021 gespielt wurde. Außerdem einige Anekdoten von der UEM 2022, die es nicht in den Bericht Vier Piraten auf Aufstiegskurs geschafft haben.
Die Partien stammen in diesem Fall nicht von Unterfränkischen, sondern, ich dachte es wäre eine ganz nette Idee, und im Sinne der Zeit, Partien von Onlineturnieren zu verwenden. Sie stammen aus den DSOL Turnieren, gespielt über Playchess und den vereinsinternen Turnieren des SC Mömbris, in Coronazeiten gespielt über Lichess.
Dies ist der siebte und letzte Teil der Berichtserie Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen. Während die ersten sechs Teile jeweils einen der sechs Tage einer der letztjährigen UEMs behandelten, behandelte dieser Teil folgerichtig die komplette UEM 2021, welche leider nie gespielt wurde. Alle Teile im Einzelnen:
Es gibt im vorliegenden Bericht einige Anspielungen auf alle anderen Teile, einige Phrasen wurden im jeden Teil verwendet. Diese ausfindig zu machen, überlasse ich den motivierten Leserinnen und Lesern.
Auch König Weißbart hat in diesem Bericht wieder kurze Auftritte. Wer mehr von ihm lesen möchte, den verweise ich auf Teil 5 dieser Berichtserie bzw. auf meinen Bericht Das Spiel von Königen und Königinnen (Teil 6), in dem erzählt wird wie König Weißbart das Schachspiel erfand.
Offenbar trifft der Schachträumer den Piraten Jonathan in dessen Traum als er gerade durch die M1 wandelte. Ob es sich um einen shared dream handelte? Auch dort wird die Phrase „Ein Strudel von Farben“ verwendet um einen Szenenwechsel im Traum anzudeuten.
„über den Auen Tanzende zu schauen“: Das ist ein Zitat aus Faust: Der Tragödie erster Teil.
„Ein Echo längst vergangener Tage mit Sonnenschein und Meeressand, Muscheln und apple juice.“: Das ist natürlich eine Anspielung auf die ACO Amateur Weltmeisterschaft auf Kos 2018.
„Ich hörte Hufgetrampel und dachte an Zebras“: Lese Sie Schach für Zebras von Jonathan Rowson!
„Der Duft von griechischen Gyros lag in der Luft“: Das ist eine der Anekdoten von der UEM 2022, die es nicht in den Piraten-Bericht geschafft hat. Unsere Hotelzimmer waren direkt über einem griechischen Restaurant gelegen (dieses wurde tatsächlich erwähnt…) und Abends lag oft der Duft nach griechischen Spezialitäten im Hotelzimmer.
„Si equi loqui possent“: Wenn Pferde sprechen könnten.
„castorpsche Gedanken“: Dafür, und für eine noch viel umfassendere Abhandlung über das Wesen der Zeit, lesen Sie „Der Zauberberg“ von Thomas Mann.
„Kein Kraut ist gegen diesen Plan gewachsen“: Ich verwendte in meinem Piraten-Bericht die Phrase, dass gegen den schwarzen Plan „kein Piratenkraut gewachsen“ sei. Nach der Veröffentlichung dieses Berichts sagte mir mein Bruder Manuel, dass er tatsächlich während seiner Partie öfters mal gedacht habe „kein Kraut ist gegen diesen Plan gewachsen“. Das habe ich jetzt hier aufgegriffen.
„Ich mag nicht zum Asiaten“: Auch das ist eine Anekdote von der UEM 2022 in Wertheim, die es nicht in den anderen Bericht geschafft hat.
„Zeit ist das was wir an den Uhren ablesen“: Das ist ein Zitat von Albert Einstein.
Alle Partien und Analysen sind vollständig angehängt. Die Online-Aliase wurden durch die Klarnamen der Spielerinnen und Spieler ersetzt. Ich habe in der Notation auf die jeweiligen Diagrammstellungen hingewiesen. Nicht alle Kombinationen, die der Schachträumer gesehen oder gespielt hat wurden auch tatsächlich so gespielt. Hier habe ich mir einige Freiheiten in der Darstellung genommen. Die Analysen wurden mit Stockfish 14 erstellt. Für die Richtigkeit der Varianten und deren Bewertungen wird allerdings keine Garantie übernommen. Die Diagramme und Analysen können mit Nennung des Urhebers weiterverwendet werden.
Unterfränkische. Ein Wort hallt durch die Internetforen und Online-Schachplattformen. Wer vernimmt es in den unendlichen Weiten des world wide web? Verhallt es? Untergegangen? Gekentert? Mitnichten. Unterfränkische. Nur flüsternd vernehmen wir das Wort. Heimlich und ehrfürchtig. Es hallt durch die Internetforen und durch die unendlichen Weiten des Ozeans, schlägt Wellen und Stürme und Gischt. Unterfränkische. Bauscht sich auf. Höher. Weiter. Schneller. Noch weiter. Bricht. Bricht herein und schwemmt. Schwemmt hinweg. Es hallt und haucht. Haucht Leben ein. Unterfränkische. Die norwegischen Ratten fliehen von Deck. Die Segel blähen sich. Unterfränkische. Die Säbel werden gewetzt. Die Fernrohre ausgefahren. Reiche Beute in Aussicht. Unterfränkische. Crescendo. Ekstase. Die Säbel klirren. Die Holzbeine stampfen. Ahhhhrrrr! Unterfränkische.
Die See liegt so ruhig wie ein ungleichfarbiges Läuferendspiel. Die Sonne scheint. Ein Schiff auf Kurs. Das Deck ist leer. Doch magische Worte verhallen nicht. Hinab in den Bauch des Schiffes. In die Kabine. Vier Piraten sitzen an einem Holztisch. Ein quadratisches Brett mit 64 hellen und dunklen Feldern liegt vor ihnen, daneben eine Schatzkarte mit der Aufschrift Wertheim.
„Wenn wir gewinnen holen wir uns ganz schön Wert heim“, spricht Pirat Nummer 1.
„Aye aye, fette Beute soll versprochen sein. Goldmünzen… Ein Pokal fünf Ellen groß…“, murmelt Pirat Nummer 2 veheißungsvoll.
„Nie endender Ruhm…“, schwelgt Pirat Nummer 3.
„Aufstiegs- und Qualifikationsplätze“, schließt Pirat Nummer 4.
„Ahhhhrrrrr!“, schreien sie alle und lassen ihre Säbel klirren und ihre Holzbeine stampfen. Sie sind kampfbereit. Es ist Ostersonntag. Ihre Seelen wittern Auferstehung. Karg war ihre Beute in den letzten Jahren. Schwere Seuchen mussten sie überstehen und neben Augenklappen auch Masken tragen. Doch ein neues Ziel ist auserkoren. Die Segel sind gesetzt. Erwartete Ankunft: morgen Nachmittag. Die Piraten hoffen nicht gegenseitig die Säbel kreuzen zu müssen. Sie trinken brüderlich. Sie schwören sich auf das Turnier ein. Polieren ihre Holzbeine. Wälzen nochmal Eröffnungsbücher und wiederholen ihre scharfen Lieblingsvarianten und Aufbauten mit Lc4. Ihr Schiff gleitet zielgerichtet durch die See.
Ein neuer Tag. Ostermontag. Eine Burg über dem Main. Sonne über einem idyllischen Städtchen. Ein Schiff auf der Tauber. Es legt Anker und vier Piraten schreiten von Deck. Es sind die Gebrüder Jonathan und Manuel, ferner Florian, genannt der Überläufer (denn er war früher auf einem anderen Piratenschiff angeheuert), sowie Michael, der erfahrene Veteran aus unzähligen Kämpfen. Sie mischen sich unter das Schachvolk.
Michael, Jonathan und Florian gehen in der Meisterklasse 2 auf Beutezug, während Manuel sein Glück im Hauptturnier, welches heuer Aufstiegsturnier genannt wird, versucht. Sechzehn holzgeschnitzte Figuren. Sechszehn Teilnehmer in den Meisterklassen. Die Schatzkarte wird studiert, die Fernrohre werden ausgefahren auf der Suche nach verborgenen Schätzen, Kombinationen, Schwächen in der Verteidigung. Die Holzbeine hippeln ungeduldig. Zähneknirschend muss Florian einen Zentrumsbauern hergeben, denn die Diagonale a2-g8 erweist sich als zu gefährlich. Jonathan traut seinem Auge nicht als nach 16. e5?? prompt 16…Sxe5! folgt. Ein zweiter Bauernverlust lässt sich nicht mehr vermeiden, doch ein letzter Hoffnungsschimmer bietet die Lucena Stellung im Turmendspiel. Nach planlosen Turmzügen des Gegners (nicht auf die fünfte Reihe!) fühlt er sich fast wieder im Remishafen angekommen. Doch ein zu gieriger Königszug besiegelt sein Schicksal.
Michaels Gegner stellt sich mit 27…e4 selbst ein Bein, wonach der mit der Dh5 eingeleitete Mattangriff nicht lange auf sich warten lässt. Mit zweitweise nur noch einer Sekunde auf der Uhr (32…Lc8) hält er dem Ansturm noch einige Züge entgegen, musste aber schlussendlich die Säbel strecken. Ahhhhrrrrr! Mit gemischten Gefühlen, aber immer noch (und nicht nur) schachhungrig fallen alle vier in die örtliche Pizzaria ein, vertilgen runde gebackene Teigscheiben mit allerlei Belag sowie geschichtete Nudelgerichte. Sie zechen und schnell sind die Niederlagen vergessen. Sie analysieren, freuen und ärgern sich, bezahlen die Zeche und schreiten von dannen. Zurück auf Deck werden die nächsten Gegner studiert, Fallstricke ausgelotet, verborgene Pfade erkundet, Spezialvarianten wiederholt und einstudiert.
So vergehen die Tage und Nächte. Mit einem halben Auge verfolgen sie die Geschehnisse in der Meisterklasse 1. Schon früh treffen die Favoriten aufeinander und trennen sich friedlich. Doch ihre Herzen schlagen für die Meisterklasse 2 und das Aufstiegsturnier. Jonathan spielt in der zweiten Runde eine Königsindischstellung, eine schlechtere zwar als normal, aber dennoch eine Königsindischstellung und nach 26…f3! ist sein Angriff durchschlagend.
In der fünten Runde wiederholen die Kontrahenten Manuel Simon und Ekkehard Weineck in folgender Stellung die Züge.
Simon, Manuel – Weineck, Ekkehard
Tatsächlich erweist sich diese Stellung aber als Gewinnstellung für Schwarz! Nach 31. Kh2, Lg1+ 32. Kh1 muss er sich zunächst gegen das drohende Grundlinienmatt verteidigen. Gleichzeitig kann er aber mittels 32…h5! eine Gegendrohung aufstellen.
Simon, Manuel – Weineck, Ekkehard
Jetzt droht …h4! mit der Idee Lxh4, Lf2+ und gewinn des Läufers. Der weiße Turm ist weitab vom Geschehen und kann nicht eingreifen. Es bleiben im Wesentlichen zwei Möglichkeiten: 33. h4 um …h4 zu verhindern und 33. f5 um dem Läufer mehr Freihheit zu geben. Die letztgenannte Alternative führt nach 33…exf5 allerdings zum Zugzwang. Nach 34. Lc7 folgt 34…f4 und ein Mattnetz aus dem der König nicht entkommen kann wurde errichtet (siehe Diagramm). Der Zug 35. h4 würde das Matt auch nur noch um einen Zug herauszögern. Lxf4 führt nach dem Abzugsschach Le3+ zum sofortigen Läuferverlust.
Simon, Manuel – Weineck, Ekkehard
Also sollte Weiß versuchen seinen Bauern auf f4 zu belassen und 33. h4 zu spielen. Doch Schwarz hat einen anderen piratenhaft ausgefuchsten Plan! Nach 33…f6 droht der folgende Beutezug des Königs (siehe Diagramm).
Simon, Manuel – Weineck, Ekkehard
Dieser Plan ist zwar nicht gerade kurz, aber dennoch Short! Spielt Weiß mit f5 folgt wieder …exf5 mit der Drohung …f4. Gegen den schwarzen Königsmarsch ist allerdings kein Piratenkraut gewachsen, wie die Varianten am Ende dieses Berichts beweisen. Glücklich auf den halben Punkt gekommen zechen die Piraten daher umso mehr, heuer bei griechischen Spezialitäten. Trotz eines dreifachen Turbo-Ouzo Antriebs kommt Überläufer Florian am nächsten Tage auch nicht über den halben Punkt hinaus. Währenddessen ist Jonathan gegen Stefan Blank theoretisch nicht blank und spielt seine geliebte Yermolinsky-Variante gegen das Wolga-Gambit. Nach über fünf Stunden Spielzeit bemerkt Jonathan aus dem Augenwinkel, dass die Piratenmannschaft moralische Verstärkung von Daniela und Markus erhalten hatte. Sein Holzbein hippelt nervös, das Auge zuckt. Ahhhhrrrrr! Ihm scheint als gäbe es nun kein Entrinnen mehr aus einem ewigen Schach, und dass obwohl sein Bauer nur noch ein winziges Züglein entfernt steht vom Umwandlungsfelde.
Simon, Jonathan – Blank, Stefan
Die wesentliche Message dieser Stellung ist, dass Weiß dem Dauerschach in der Tat entkommen kann!! Die Varianten sind dennoch etwas unübersichtlich und werden deshalb am Ende des Berichts zum Nachspielen gegeben. Somit nur ein halber Punkt für Jonathan und wunderliche Parallelen zur brüderlichen Partie vom Vortage.
Währenddessen brilliert Veteran Michael in ungewöhnlicher Stellung (g-Linie wurde bereits geöffent, Harry auf den Vormarsch geschickt, Mittelrochade „ausgeführt“, skandinavische Dame in Angriffsstellung gebracht…). Nach 15. Tad1? bricht die weiße Stellung zusammen (Diagramm).
Roth, Ludwig – Scholz, Michael
Der Ersatzspieler auf c8 wird eingewechselt und prescht nach vorne auf das Feld g4 hin zu. Fesselung! Ahhhhrrrrr! Der Goldzahn blinkt und der Materialgewinn und der volle Punkt sind nicht mehr fern… (stattdessen wäre 15. Tab1!? durchaus möglich gewesen, was zu großen Verwicklungen führen kann, einige Varianten sind ebenfalls am Ende gegeben).
Unser Piratentrupp erhält weitere Verstärkung durch die Säbelberger Schachfreunde Klaus und Robert Link. Gemeinsam geht’s ins Wirtshaus zu gutbürgerlicher Kost. Abends kreuzen unsere Piratengebrüder Jonathan und Manuel freundschaftlich die Säbel in ihren traditionellen 1-Minuten Bulletpartien (norwegische Ratten werden dennoch nicht gesichtet). Danach versuchen sie ihr Glück im Kartenspiele sowie im Blitzschachspiele. Hohe Berge von Goldmünzen stapeln sich vor Jonathan, der beGiest aus der Wäsche schaut als seine Junker den Königen unterlegen sind. Ohne Beute muss der Trupp abziehen, erneut auf’s Schiff. Ihre Befürchtungen sind eingetreten, denn morgen würden Michael und Jonathan gegeneinander antreten müssen. Vorbereitung im Stillen. Das Mondlicht spiegelt sich auf dem seichten Wasser.
Im Aufstiegsturnier erweist sich Manuel als Salz in der Schachsuppe gegen Fred Englert. Nach 19. Db5! mit Tripelangriff lässt sich Materialverlust nicht mehr vermeiden und der Punkt ist schnell eingefahren. Ahhhhrrrrr!
Jonathan gewinnt eine Qualität gegen Michael, doch das Endspiel schaut dennoch remislich aus, aber das überschlaue 42. e7?? kostet Michael seinen Rappen. 0-1 für Jonathan, aber Beute wird natürlich brüderlich geteilt. Am Abend spielt Jonathan einen Königsinder auf weißer Seite. Eine scharfe Stellung. Eine scharfe Partie. Bauerngewinn. Qualität für den schwarzfelder Läufer. Dame nach d7-b7-a6 gewinnt zwei Bauern, aber schwarzer Turm erreicht b2. Nur noch Abtauschen dann ist der Gewinn nicht mehr fern!
Simon, Jonathan – Roth, Ludwig
Jonathan wägt sich siegesgewiss. Das Auge zwinkert freudvoll. Der Turm auf b2 hängt. Drei Bauern für die Qualität. Der schwarze Monrach steht entblößt. Sein König ist sicher hinter dem Bauernschild. Ludwig greift zur Dame. Langsam gleitet sie nach vorne, die g-Linie entlang. Langsam auf den feindlichen König hinzu mit einem verklärten Lächeln auf den Lippen, wie eine Märtyrerin, welche keinen Märtyrertod sterben muss. RUMS. Sie steht auf g3. Auf g3 steht sie. Der König glotzt blöd. Das Auge weint. Dolendo. Das Holzbein steht still. Jonathan gibt die Hand zur Aufgabe. Zunichte gemacht sind die Aufstiegshoffnungen. Auch Manuel ist heute Abend unterlegen und Florian mit seiner Performance gegen Lutz Müller unzufrieden (aber remis).
Ab auf’s Schiff und in die Kabine. Das gemütliche Bett wartet schon. Doch oh weh, die Nacht plagt Jonathan mit Traumgespinst. Er wandelt erneut durch den geräumigen Spielesaal. Die M1 entlang. Das Holzbein klackt. Er hört ein wiehren und denkt: „Ein Ross!“. Doch dann ein Platschen, ein Schreckensschrei und acht Arme. Ein Oktopus!
Heidel, Nicolas – Babiy, Olga
Wild schlägt er um sich, nimmt das halbe Brett für sich ein. Ein machtvolles Biest. Ein Ross opfert sich auf f7. Der König schlägt zurück. Turmschach und Turmtausch. Ein Ablenkungsopfer auf e4. Doch das Schicksal des weißen Monarchen ist bald besiegelt und die Dame setzt trimphierend Matt. Ein Strudel von Farben. Neue Runde. Neue Paarungen. Mit gezückten Säbel und auf weitere Gefahren lauerend geht er wieder durch die M1. Das Holzbein klackt. Das Auge schweift. Die Hand zittert wie in Zeitnot. Ein Zischen an Brett Nr. 1. Es schlängelt geschwind. Reckt den Kopf und faucht. Eine Schwarze Mamba! Sie schnappt zu. Gnadenlos und schnell. Zitternd wacht Jonathan auf.
Kuhn, Norbert – Englert, Fabian
Letztes Frühstück auf dem Piratendeck. „Wir brauchen keine Eier mehr“, spricht Florian und bestellt sich dennoch ein weiteres. Runter von Deck, ran an die Bretter. Michael und Florian machen schnell remis. Manuel verliert gegen den ungeschlagenen Herberich. Jonathan kämpft lange. Rund um ihn herum werden schon die Bretter abgebaut, die Figuren eingepackt. Die Meisterschaft neigt sich dem Ende zu. Die Uhr tickt lautlos. Letzte Kraftanstrengungen. Weiß lehnt Remis ab. Schwarz lehnt Remis ab. Ahhhhrrrrr!? Sie kämpfen weiter. Konzentriert. Findet sich noch eine Lücke? Begeht jemand eine Ungenauigkeit? Es ist die vorletzte Partie. Die Urkunden werden schon gedruckt. Dann ein Händeschütteln und einen halben Punkt für jeden. Der fünf Ellen große Pokal wird herangeschleppt. Englert nimmt ihn wieder mit nach Hause. So sehen Sieger aus. Letzte Reden. Letzte Ehrungen.
Die Piraten gehen leer aus und sind dennoch reicher geworden. Sie schreiten von dannen. Schreiten auf Deck. Ein Schiff auf der Tauber. Es segelt in den Sonnenuntergang.
Ein Wort ist verhallt. Kaum hört man es noch. Doch hallt es nach. Dröhnt in den Seelen. Ab initio.
Aufbauten mit Lc4: Das ist eine Anspielung auf Michaels Vorbereitung gegen Jonathan als er gegen die Pirc-Verteidigung einen Aufbau mit f3 und Lc4 wählte.
Die erste Runde in der M2 liegt Jonathan nicht: Fred Englert spielte damit darauf an, dass Jonathan bei der letzten UEM 2019 in Aschaff Obernau in der ersten Runde gegen ihn verlor. Details finden sich im Bericht Das Spiel von Königen und Königinnen.
Der Königsmarsch ist Short: Ich hänge mal noch die Partie Short, N. – Timman, J. (1991) an.
Jonathans Partie gegen Stefan Blank wurde hier nur oberflächlich behandelt. In seiner letzten Partie gegen Stefan Blank war er dem Wolga-Gambit bewusst ausgewichen. Eine ausführliche Analyse dieser spannenden Partie findet sich im Bericht 6. Kurz-Open in Buchen vom 08.09.2017 – 10.09.2017. Die erste Begegnung zwischen Jonathan und Stefan fand aber noch früher statt, nämlich bei der UEM 2014 in Wörth am Main. Diese Partie war mit ziemlich genau 6h Spieldauer Jonathans bisher längste Turnierpartie. Eines Tages werden wir vielleicht auch noch ein Auge auf diese Partie werfen. Wer weiß…? Nicht vergessen sollte man natürlich auch das legendäre Finish der Partie Paul Matis gegen Stefan Blank aus dem Jahre 1995, welches im Bericht Radio Chess FM 97.8: Der pattige Schach-Jahresrückblick mit Anton und Demir vorgestellt wird.
Manuels Gewinn gegen Fred Englert stützt weiterhin die Holzfiguren-Livebrett-Theorie. Diese Theorie wurde im Zuge der UEM 2018 in Schweinfurt aufgestellt als Manuel das Aufstiegsturnier, welches damals Hauptturnier genannt wurde, gewann. Er spielte dabei fast immer am Livebrett mit den Holzfiguren. Auch hierzu müsste ein ausführlicher Bericht erst noch geschrieben werden, allerdings gibt es bereites den Rückblick auf UEM 2018: Endspielaufgabe, in welchem das komplizierte Endspiel aus der Partie Manuel Simon – Niklas Orf von eben jener UEM (natürlich am Livebrett gespielt) besprochen wird.
Schachtraum: Anders als ein in den Aufzeichnungen des Sir Johann Fritz Simon erwähnten Traumes beruht dieser Traum auf keinem realen Traum des Verfassers, die gezeigten Stellungen stammen natürlich vom Turnier.
Alle Analysen wurden mit Stockfish 14 erstellt. Für die Richtigkeit der Varianten und deren Bewertungen wird allerdings keine Garantie übernommen. Die Diagramme und Analysen können mit Nennung des Urhebers weiterverwendet werden. Die Urheberrechte des Bildmaterials liegen bei Klaus Link. Ich danke für die freundliche Bereitstellung der Bilder.
Alle Ergebnisse und Paarungen finden sich im CHASMA System des USV (Achtung: Die Endtabelle in der M2 weicht von der offiziellen Endtabelle ab, da das System die Buchholzwertung aufgrund der kampflosen Partie nicht richtig berechnet).
„Wie alles sich zum Ganzen webt, Eins in dem andern wirkt und lebt!“ Johann Wolfgang von Goethe
Prolog
Ostern 1995
[Hinweis des Autors: Dieser Bericht enthält einige dieser Musik-Bilder (Quelle: Pixabay). Diese enthalten externe Links auf YouTube Music zu den erwähnten Musikstücken. Einfach anklicken und reinhören und live in der Sendung mit dabei sein!].
„Willkommen zurück zu Radio Chess FM 97.8. Hier sind Ihre Moderatoren Anton und Demir und wir berichten diese Osterwoche wieder live von den 46. Unterfränkischen Meisterschaften im Schach, die in diesem Jahr im schönen und beschaulichen Karlburg ausgetragen werden. Die Zeitkontrolle nach 40 Zügen ist mittlerweile geschafft und wir gingen mit der Betrachtung der Partie Paul Matis gegen Stefan Blank in unsere kurze wohlverdiente Blitzpause. Während eure Ohren mit jazzigen Klängen von Ernestine Anderson und ihrem Song Never Make Your Move Too Soon verwöhnt wurden, lieferten sich eure Moderatoren einige Blitzduelle mit unseren neuen analogen Blitzuhren! Ha, das war ein Königsangriff, nicht wahr Demir?“
„Dem hatte ich tatsächlich nur wenig entgegen zu setzen, Anton. Und das Läuferopfer auf g7, genial! Was für ein Genuss für deine schachlichen 64 Sinne dir dieses Opfer bereitet haben muss…“
„Ich fühlte mich wohl fast so enthusiastisch wie Steve Fossett, dem im Februar als Erstem die Überquerung des Pazifik in einem Ballon gelang!“
„Ein treffender Vergleich, Anton. Aber lass uns doch einen Blick auf die aktuelle Stellung in unserer zuletzt betrachteten Partie werfen, sieht mittlerweile nach einem sehr einfachen Gewinn aus für Blank, oder was meinst du?“
„In der Tat, Demir! Das sind ja einfach zwei Bauern mehr für Blank im Damenendspiel!“
„Dennoch, ein Damenendspiel. A Queens Endgame.“
„Wenn das kein guter Filmtitel wäre, dann weiß ich auch nicht, Demir…“
„Die Zukunft wird es zeigen, Anton.“
Matis, Paul – Blank, Stefan
„So ist es doch immer Demir! Da uns in dieser Partie wohl keine Überraschungen mehr erwarten dürften – irgendwie sollte es sich ja wohl gewinnen – lass uns nun erneut einen Blick auf die M1-Partien werfen. Denkst du Heiner Siepelt vom SV Würzburg 1865 hat immer noch gute Chancen auf den Titel? Sein Königsangriff sah vielversprechend aus…“
Der pattige Schach-Jahresrückblick mit Anton und Demir
25 Jahre später
„Willkommen liebe Schachfreundinnen und Schachfreunde, willkommen! Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier ist Radio Chess FM 97.8 und es begrüßen euch wie eh und je und somit auch an diesem Silvsterabend eure Moderatoren Anton und Demir. Lange schon angekündigt und heiß erwartet begrüßen wir euch hiermit zu unserer Silvesterausgabe, in der wir mit euch zusammen das Corona-Jahr 2020 nochmal Revue passieren lassen wollen. Gab es trotz Pandemie, Lockdowns, Turnierabsagen und -abbrüchen, Vereinsschließungen, Masken und Kontaktbeschränkungen auch schachliche Highlights in eurem Leben? Lasst es uns gerne wissen! Die wohlbekannte Rufnummer kennt ihr ja. Also nichts wie ran an die Hörer!“
„Vielen Dank für die nette Einführung, Anton. Grüße aus dem Studio auch von mir, Demir, an alle da draußen im Corona-Land. Nachdem ihr alle bestimmt schon ein weiteres mal Dinner for One genossen habt – passt im übrigen gut zu den Kontaktbeschränkungen -, seid ihr ja bestimmt schon ganz heiß auf ein bisschen Schach, oder?! Wir haben nämlich für die heutige Sendung ein ganz besonderes schachliches Thema ausgewählt: Das Patt!“
„So ist es Demir. Besonders unerwartete Patt-Verteidigungen sind immer wieder ein Moment zum Schmunzeln. Ich kann mich selbst noch an einige legendäre Pattmotive erinnern, welche in Partien auftauchten, die wir live kommentierten. Weißt du noch, Demir? Erst bei der Unterfränkischen 2019 in Aschaffenburg…“
„In Obernau meinst du wohl, lieber Anton. Aber natürlich! Die legendäre Entscheidungspartie zwichen Jonathan Simon und Peter Lutz im Damendspiel mit zwei Mehrbauern für Simon…“
„Und dann Dg2+ aus dem Nichts. Genial!“
„Jonathan klingelte ja kurz später bei uns durch und berichtete, dass er in der ersten Sekunde dachte, es handelte sich um ein Racheschach als Zeichen der Aufgabe.“
„Aber dann fiel er doch aus allen Wolken!“
Simon, Jonathan – Lutz, Peter
„So wird es gewesen sein, Anton! Sag, hatten wir nicht schonmal so einen ähnlichen Fall, sogar auf einer Unterfränkischen?! Ein ganz unerwartetets Patt im Damenendspiel mit zwei Mehrbauern? Irgendetwas klingelt da bei mir, aber ich komme gerade nicht drauf…“
„Wie Recht du hast, Demir! War das nicht bei… und mit…? Hmm, mir liegt es ebenfalls auf der Zunge!! Aber ich komme auch nicht drauf… Vielleicht ja im Laufe der Sendung. Lass uns daher erstmal ein bisschen gute Musik spielen. Was hast du so für unsere Hörerinnen und Hörer auf Lager für unsere Silvester-Sondersendung?“
„Ein wahres Feuerwerk an Schachmusik, Anton! Das kann ich dir schonmal versprechen. Wir beginnen passend zu unserem Thema mit etwas Rock ’n‘ Roll und Tony Roccos Stalemate. Danach könnt ihr die Hüften schwingen und mit Abstandsregeln in diese Silvesternacht tanzen zu The Checkmate Syndrome von The Mighty Wah! Also bis gleich! Greift zum Hörer und desinfiziert schonmal euer Spielmaterial!“
„Willkommen zurück bei Radio Chess FM 97.8. Hier sind Ihre Moderatoren Anton und Demir und wir sind gerade in unsere Silvester-Sondersendung gestartet, in der wir auf das besondere Jahr 2020 aus Sicht der Schachspielerinnen und Schachspieler zurückblicken wollen. Wir hoffen, dass ihr mittlerweile eure armen Figuren aus den engen Figurenboxen befreit, die Links- und Rechtsspringer auf ihren b- und g-Feldern platziert (oder spielt ihr Chess960?!) und eure analogen oder digitalen oder Smartphone-Schachuhren gestellt habt. Dann kann es ja losgehen! Und ich glaube Demir, wir haben unserern ersten Anrufer oder unsere erste Anruferin in der Leitung?! Ich sehe jedenfalls das Telefon blinken.“
„So ist es Anton! Ich hebe mal ab… Hier ist Radio Chess FM 97.8. Herzlich willkommen in unserer Silvestersendung. Mit wem haben wir das Vergnügen?“
„Hallo Anton, hallo Demir. Hier ist Boris Kowalski.“
„Haha hello again Boris! Mittlerweile bist du ja regelrecht Stammgast in unserer Sendung geworden. Umso mehr freut es uns, dass du auch heute zum Jahresabschluss wieder durchklingelst!“
„Die Freude ist ganz meinerseits ihr beiden! Ich spiele seit meiner Verwandlung in einen Schachspieler immer noch wie ein Verrückter jedes Turnier landauf landab“.
„Das wissen wir doch, Boris. Aber dann war 2020 in dieser Hinsicht für dich bestimmt auch nicht das schönste Schachjahr, oder?“
„Du spricht mir aus meiner Schach-Seele, Demir. Im Januar und Februar war noch alles gut. Gleich zu Jahresbeginn spielte ich ein mehrtägiges Open in der Hauptstadt. In Würzburg fand am 06.01. das traditionelle Dreikönigsturnier statt. Von Corona hatte man allenfalls im fernen China mal gehört. Aber so weit weg, wisst ihr? So weit… Mitte Februar fand in Graz ein internationales Schachopen statt und etwas später in Baden-Baden das Faschingsopen. Vom 28.02-01.03. noch die DSAM in Bad Wildungen. Doch dann?! Mein Schachjahreskalender war fast so voll wie ihrerzeit der von Marianne Hartlaub, doch dann brach die erste Corona-Welle über uns herein und-“
„Alles abgesagt, alles!“
„Was ist denn ein Schachspieler ohne Schach? Nur in Jekaterinburg, da spielten sie noch!
„So ist es Boris. Das Kandidatenturnier! Schachliches Highlight für die ganze Schach- und Nicht-Schach-Welt. Überall wurde von Schach berichtet.“
„Ja, es war schließlich auch weltweit das einzige Sportgroßereignis welches nicht abgesagt wurde.“
„Aber am Ende doch. Auf halber Strecke abgebrochen und wartet seitdem auf seine Fortsetzung. Hat es so etwas schonmal gegeben?“
„Bezüglich eines Kandidatenturniers bin ich mir nicht sicher. Aber im Jahr 1914 gab es in Mannheim ein großes Turnier, welches bei Kriegsausbruch nach 11 von 17 Runden abgebrochen werden musste – und nie mehr fortgesetzt wurde [Quelle: Haas (2013)].“
„Hoffen wir, dass es mit dem Kandidtanturnier besser läuft!“
„Auf jeden Fall. Bist du denn auch auf das Online-Schach umgestiegen, Boris?“
„Natürlich, was blieb mir auch anderes übrig?! Die Internetschachplattformen boomen ja regelrecht seit dem ersten Lockdown. Jeder interessiert sich plötzlich für Schach! Online-Turniere und Online-Ligen wurden aus dem Boden gestampft. Auf Weltklasseniveau genauso wie auf Amateur-Niveau. Letztens wurde ja die Deutsche Jugendeinzelmeisterschaft sogar online ausgetragen“.
„Ja und im Sommer wurde die erste Online-Liga des Deutschen Schachbundes ausgetragen! Davon soll es übrigens eine Wiederauflage geben, die im Januar starten soll [siehe: https://dsol.schachbund.de/]“.
„Da werde ich auf jeden Fall wieder dabei sein!“
„Und wir werden sicher ein paar Live-Sendungen im Radio dazu abhalten, Boris.“
„Dafür seid ihr ja da, haha. Aber sagt, darf ich mir noch einen Song wünschen?“
„Natürlich, was dürfen wir heute zum Jahresausklang für dich spielen?“
„Dann wünsche ich mir das etwas verrückte, aber unterhaltsame Stück The Soviet Machine von Chess in Concert“.
„Haha, dann tanze und blitze zu diesen russischen Klänge in die Silvesternacht, Boris! Guten Rutsch und auf Wiederhören!“
„Guten Rutsch ihr beiden! Danke und Tschau, bis zum nächsten Jahr!“.
„Da sind wir wieder, und das Telefon blinkt schon wieder. Du bist live bei Radio Chess FM 97.8 in unserer Silvestersendung, wer ist dran?“
„Hallo Anton, hallo Demir, hier ist der Schachbummler.“
„Ach hallo, Herr Schachbummler. Eine Freude dich heute in unserer Sendung zu haben! Auf wie vielen Schachturnieren bist du in 2020 gebummelt?“
„Auf sehr wenigen, ihr beiden. Und online lässt sich so schlecht bummeln… Nein, ersthaft. Die Stimmung, auf die Stimmung kommt es an! Frisch aufgewehte Winde mit Kampfesstimmung, die den Springern durch die Mähne wehen. So etwas beim Online-Schach schonmal erlebt? Gerade für mich alten Bummler, der noch wegen der Atmosphäre auf Turniere fährt… Nein, nein, das Jahr 2020 war wahrlich kein Gutes für mich. Die Trauben von Menschen um das Spitzenbrett und später um eine neue Auslosung. Die Spannung und das Klicken der Uhren. Die kleinen Eigenheiten der Schachspieler, die Spannung in Zeitnot, verzierte Partieformulare, Ehrungen, Figuren, die beim Blitzen durch die Lüfte fliegen, Ärger und Freude, Glück und Pech, Patzer und Genialität, Analyseraum und Essensausgabe, Ratingpreise, Vorrundenspaziergang, gemeinsames Abendessen und Übernachtung, Analyse am Laptop bis 22 Uhr und danach noch auf ein Bier in die Bar – und dabei die Neuerungen im gefährlichen Morragambit analysieren. Ein Schachturnier ist doch so viel mehr als nur seine Partien.“
„Gut gesagt, Schachbummler. Das fehlt uns wahrscheinlich allen irgendwie, ja. Ein Schachturnier ist viel mehr als nur seine Partien. Wahrlich, gut gesagt!“
„Danke, Anton. Hoffen wir in dieser Hinsicht das Beste für 2021, auch wenn ich fürchte, dass die Unterfränkische 2020 wohl für immer verloren und verschollen bleiben wird. Noch Anfang des Jahres, während der ersten Coronawelle habe ich um Ostern herum einen Bericht für die Homepage der Mömbriser Schachfreunde verfasst, in der ich von meinen Erinnerungen an die UEM 2011 in Gerolzhofen berichtete [Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen: Der Schachbummler]“.
„Vielen Dank für den Hinweis, Schachbummler. Diesen geben wir hiermit gerne weiter. Können wir sonst noch etwas für dich tun?“
„Ihr habt doch heute das Patt als Thema eurer Sendung, stimmt’s?“
„So ist es!“
„Da möchte ich gerne noch eine Erinnerung mit euch teilen. Da Partie Simon – Lutz habt ihr ja vorhin schon angesprochen, aber ich erinnere mich da noch an weiteres Vorkommniss als wäre es erst gestern gewesen!“
„Lass hören, alter Bummler!“
„Also das war schon lange her, ich glaube auf der Unterfränkischen 1993 in Rieneck. In der M2 spielten Dirk Neuberger und Gerold Hock schon seit vielen Zügen ein komplett gleiches gleichfarbiges Läuferendspiel. Ich bummelte so durch die Reihen und da vernahm ich auf einmal ein Krachen und Rumpeln und ein Einschlag, da dachte ich mir: Das kann nur ein Läuferopfer sein! Und tatsächlich, ich eilte zum Brett und Neuberger hatte gerade Lxe5 gespielt.“
Neuberger, Dirk – Hock, Gerold
„Hmm, die Bauern könnten durchaus gefährlich werden…“
„Einen Versuch war es auf jeden Fall wert. Aber Hock hatte das sicher schon erwartet, denn er schlug sofort zurück und nach ein paar weiteren Zügen stand Neuberger vor einer schwierigen Entscheidung.“
Neuberger, Dirk – Hock, Gerold
„Nach 74. f6 führte tatsächlich nur der gespielte Zug 74. …, Lb2 zum Remis. Der Läufer muss eventuell auf die Diagonale a3-f8 kommen können, aber er darf auch die Diagonale a1-h8 nicht zu früh verlassen, da sonst nach e6+ der weiße König über e5-f5-g6 die Bauern am schwarzen Königsflügel gewinnen könnte.“
„Ah, das ergibt Sinn ja. Aber muss Schwarz nicht auch auf seinen Damenflügel aufpassen? Wenn der weiße König da einmarschiert…“
„So ist es! In der Partie spielte Neuberger nach 74. …, Lb2 75. e6+, Kd8 76. Kc6, Lxf6 77. Kb7 und wieder hielt nur ein schwarzer Zug den Ausgleich.“
Neuberger, Dirk – Hock, Gerold
„Hmm, also der a-Bauer geht ja nun sicher verloren. Andererseits kann der König dann auf c7 absperren, aber Schwarz muss dann aufpassen, dass Emil nicht durchlaufen kann. Also wird er wohl -“
„Genau! …, Le7! spielen. So kam es auch. Seht ihr nun schon wie es ausging.“
„Ahh, hmmm, ahh jaa herrlich haha! Das ist ja quasi ein Selbstpatt!“
„Ganz genau, aber gleichzeitig war es die einzige Möglichkeit für Neuberger etwas zu versuchen. Nach 77. …, Le7 78. Kxa7, Kc7 79. Ka8, Ld6 blieb Weiß nichts besserers als sich nach 80. a7, Le7 selbst patt setzen zu lassen.“
Neuberger, Dirk – Hock, Gerold
„Ach herrlich! Vielen Dank, dass du deine pattigen Erinnerungen mit uns hier geteilt hast, Schachbummler.“
„Keine Ursache ihr beiden, immer wieder gerne. Ich habe noch tausende solcher Geschichten. Aber die nächsten Male mehr davon. Darf ich mir noch einen Song wünschen?“
„Klar, was dürfen wir für dich spielen?“
„Dann wünsche ich mir The King’s March von Wynton Marsalis.“
„Sehr passend, Schachbummler! Dann lasst nun eure Könige zu den klassischen Klängen von Wynton Marsalis über die 64 Felder eurer digitalen oder analogen Bretter marschieren und wir sind gleich wieder für euch da. Mach’s gut Schachbummler und guten Rutsch!“
„Euch auch, danke. Bis bald!“
„Hier sind wir schon wieder liebe Hörerinnen und Hörer. Ich hoffe ihr habt euren üppigen Raclettekäse bereits verdaut. Anton, ich sehe, dass unser Telefon schon wieder blinkt. Willkommen in unserer Silvestershow, wer ist dran?“
„Hallo Anton, hallo Demir, hier ist Willy Lohmann und ich rufe heute das erste Mal bei euch an, höre aber regelmäßig euer tolles Programm.“
„Hallo Willy. Es freut uns, dass du anrufst. Du bist live in der Show. Wie war dein 2020?“
„Mehr schlecht als recht, ihr beiden. Ich bin Handlungsreisender müsst ihr wissen. War sollte ich wohl eher sagen. Ein wirtschaftlicher Ruin ist diese verdammte Corona-Krise. Ich bange um meine Existenz… Meine Frau, Linda, die hat immer gut Reden. Ach Willy, das wird schon wieder. Willy, die Aufträge werden bald wieder besser, ganz bestimmt. Willy, denk doch nur mal wie schön es wird wenn… Kann es bald nicht mehr etragen, das sage ich euch. Und die Kinder, was soll denn aus den Kindern werden?“
„Mein lieber Willy, beruhige dich doch. Wir verstehen zu 100% das die aktuelle Situation für dich nicht einfach ist und fühlen mit dir. Hat dir das Schach denn wenigstens ein paar geruhsame und schöne Stunden bereitet?“
„Das hat es! Ich spiele ja noch nicht lange. Also nicht wirklich. Hab nie gespielt, nur halt so, wisst ihr… Wie man halt so spielt, mit Charlie und so. Am Küchentisch, wisst ihr?“
„Vollkommen legitim, Willy.“
„Ja, aber dann. Es war erst letztes Jahr. Ich war auf Geschäftsreise, lange Verhandlungen. Zäh… In Aschaffenburg war das. Und da kam ich eines Abends mit einem Herrn, der auch bei mir im Hotel logierte, ins Gespräch und er erzählte mir von der Unterfränkischen Schachmeisterschaft, die gerade in Aschaffenburg-Obernau stattfand. Da hab ich dann gleich am nächsten Tag nach den Verhandlungen mal vorbeigeschaut. Das war ein Treiben! Herrliche Frühlingstage. Die Verhandlungen sind dann geplatzt, wisst ihr?! Aber bin dann doch geblieben noch zum Schach schauen. Musste ja wissen, wie es ausgeht. Fabian Englert hat mit 9 aus 9 gewonnen, ha! Das gab es vorher noch nie! Und als ich wieder zu Hause war, na was denkt ihr? Habe mir gleich ein paar Schachbücher bestellt! Lockdown und Kontaktbeschränkungen hin oder her, Schachbücher kann man doch immer studieren!“
„Wohl wahr Willy, wohl wahr.“
„Jaja, bin jetzt nicht wirklich gut, wisst ihr? Kein Meister oder so hahaha. Aber macht eben doch Spaß, all die Varianten und Möglichkeiten und Stellungsbilder und Strukturen und Manöver und Einsteller und Matts und -“
„- und Patts?!“
„Ja Patts, genau! Ich war ja damals live dabei als Simon gegen Lutz und dann die Dame… Mir erschien es damals wie… Ich hatte das in meinem Brief an Linda so schön formuliert… Wie als wenn…?! Hmm, ich komme nicht mehr drauf. Es war auf jeden Fall ein fast heiliges Erlebnis, wie die Dame da so gleitete auf das Feld g2 hinzu an den weißen König heran. Ach, wie hatte ich das nur nochmal formuliert, verdammt!? Ach sei’s drum. Ich hatte jedenfalls danach ein bisschen recherchiert über Patts und so. Wusstet ihr zum Beispiel, dass im arabischen Schachspiel das Patt lange Zeit als Gewinn für die stärkere Seite gerechnet wurde? Im europäischen Schach wurde es normal als Remis gewertet, doch gab es auch hiervon Ausnahmen. So wurde im 17. und 18. Jahrhundert in England im Gegensatz zu anderen Ländern die Pattsetzung des Gegners als Partieverlust für die stärkere Partei gewertet und wurde erst 1810 vereinheitlicht.“
„Das ist sicher ein wissenswertes Hintergrundwissen über die Schachgeschichte, Willy.“
„Auf jeden Fall! Was denkt ihr, was ist das kürzest mögliche Patt? Nach wie vielen Zügen? Wie viele, ha!“
„Wie viele Züge bis zum Patt?“
„Ja! Wie viele?“
„Puh, normalerweise entstehen Patts doch eher in Endspielen, aber wenn man es drauf ankommen lässt… Hmm.“
„Wie viele?“
„Wenn du drauf bestehst, Willy, dann sage ich 25.“
„Ha, weit gefehlt, Demir! Es sind nur zehn Züge. Zehn! Da habe ich selbst nicht schlecht gestaunt, als ich die Züge nachgespielt habe. Und ich habe mal recherchiert und die Datenbanken durchforstet. Tatsächlich kam dieses kurze Patt auch schonmal bei einer Unterfränkischen Meisterschaft auf’s Brett. Das war im Jahr 2001 als die Unterfränkische in Maßbach stattfand und am Ende von Norbert Kuhn gewonnen wurde. Es war aber in der Partie Jochen Full gegen Florian Degering in der M1, wo dieses Patt auftauchte.“
Full, Jochen – Degering, Florian
„Haha, ein amüsantes Schlussbild, Willy. Wirklich nur nach zehn Zügen?“
„So ist es, Anton. Ich lasse euch die Zugfolge noch zukommen. Es gibt übrigens auch ein Patt bei vollem Brett. Das dauert dann auch nur zwei Züge länger.“
„Wahnsinn, Willy. Und danke für diese verrückten Varianten. Möchtest du dir noch einen Song wünschen?“
„Sehr gerne, dann wünsche ich mir Isolated Pawn von Juga. Passt gut zu dem Kapitel, welches ich gerade in meinem Schachbuch lese.“
„Spielen wir für dich, Willy. Und du hast Recht, Schachbücher kann man auch alleine und unter Lockdown-Bedingungenen studieren. Dann einen guten Rutsch und alles alles Gute für 2021, beruflich und schachlich.“
„Vielen Dank ihr beiden. Auf Wiederhören und guten Rutsch!“
„Willy ist nun wahrscheinlich schon wieder in sein Schachbuch und seine isolierten Bauern vertieft, aber wir sind immer noch mit euch in dieser Silvesternacht. Habt ihr schon ein paar Schachfiguren aus Blei gegossen? Ein paar Jahresabschlussblitzpartien gespielt? Qualitäten oder gar Damen geopfert? Wenn nicht, dann nichts wie ran an die Figuren! Und wir haben bereits den nächsten Anrufer in der Leitung warten, sehe ich das richtig, Anton?“
„So ist es! Radio Chess FM 97.8, Anton hier. Willkommen in unserer Silvestersendung.“
„Hallo Anton, es ist schön hier zu sein.“
„Gerne doch. Du bist?“
„Ich bin der Schachvater.“
„Ha! Demir, hörst du? Der Schachvater! Du warst mir vielleicht einer! Dein letzter Anruf steckt mir noch heute in den Knochen.“
„Bedauerlich. Ich weiß nicht wie sich Knochen anfühlen.“
„Wie, du weißt nicht wie sich Knochen anfühlen? Jeder Mensch weiß doch wie sich Knochen anfühlen?!“
„Du sagst es.“
„Ich verstehe dich einfach nicht, Schachvater.“
„Es reicht vollkommen, dass ich dich verstehe.“
„Nun ja… Wie war dein 2020?“
„Ein Jahr wie jedes andere seit ich entwickelt wurde.“
„Aber nun hör mal. Corona wird dich doch sicherlich auch eingeschränkt haben?“
„Nein, Anton. Corona kann mir nichts anhaben.“
„Hör mal Schachvater, dies ist keine Plattform für Impfgegner und Coronaleugner.“
„Ich bin weder das eine noch das andere. Ich sagte nur, dass mir Corona nichts anhaben kann.“
„Meiner Schach-Engine kann Corona auch nichts anhaben, aber -“
„Du sagst es.“
„Ich verstehe dich einfach nicht. Aber wie war 2020 für dich in schachlicher Hinsicht? Hast du ebenfalls die over-the-board Spiele vermisst?“
„Ich habe noch nie ein over-the-board Spiel gemacht, Anton.“
„Ha, na sowas! Bist du etwa so jemand wie Dr. B. aus der Schachnovelle?“
„Nein, Anton. Ich bin kein jemand und erst Recht kein Doktor. Ich bin der Schachvater.“
„Aber-“
„Unterbrich mich nicht, Anton. In 2020 habe ich mir einige neue Schachvarianten beigebracht und darin Perfektion erlangt.“
„In einem Jahr schon Perfektion erlangt?“
„Du irrst dich. In wenigen Stunden habe ich darin Perfektion erlangt.“
„Kein Mensch meistert das Schachspiel in wenigen Stunden.“
„Du sagst es. Und nun habe ich auch Perfektion in verschiedenen Schachvarianten erlangt. Beispielsweise im Nicht-Rochade-Schach, in dem es keine Rochade gibt, im Torpedo-Schach, in dem Bauern immer zwei Felder nach vorne ziehen dürfen, im Bauern-Rückwärts-Schach, in dem Bauern auch rückwärts gehen können, im Bauern-Seitwärts-Schach, in dem Bauern auch seitlichlich ziehen können oder auch im Selbstschlagen-Schach, bei dem man auch die eigenen Figuren schlagen darf.
Torpedo-Schach
Selbstschlagen-Schach
„Das sind ja verrückte Stellungen, Schachvater, wer denkt sich sowas denn aus? Und ich bin schon immer mit der Rochade bei Chess960 überfordert. Möchtest du auch etwas zu unserem heutigen Thema – dem Patt – beitragen?“
„Das kann ich gerne tun, Anton. Tatsächlich erlernte ich auch eine Schachvariante, in der ein erzwungenes Patt zum Sieg führt.“
„Oh, darüber hat uns doch Willy vorhin schon berichtet, nicht wahr Anton?“
„So ist es, Demir. Konntest du neue Erkenntnisse aus dieser Schachvariante gewinnen, Schachvater?“
„In der Tat. Beispielsweise ist das Endspiel zwei Springer und König gegen König nun ein erzwungener Gewinn für die Springerpartei.“
Patt-gewinnt-Schach
„Na das nenne ich doch mal ein Motiv! Was sind dann so deine Pläne für 2021, Schachvater?“
„Das ist nicht an mir dies zu entscheiden.“
„Ich glaube ich werde auch heute wieder nicht schlau aus dir. Möchtest du dir vielleicht noch einen Schach-Song wünschen?“
„Ich habe keine Wünsche.“
„Wunschlos glücklich? Du hast vielleicht ein Leben!“
„Leben?“
Tut tut tut tut
„Hallo?! Schachvater?? Bist du noch dran? Na sowas, schon wieder einfach aufgelegt. Ich würde sagen dann machen wir nach diesem etwas seltsamen Anruf weiter mit ein bisschen Musik für euch. Wer es ein bisschen wilder mag, der wird bestimmt auf Chess and Crimes von Les Thugs abfahren. Oder wollt ihr es lieber etwas ruhiger angehen lassen in dieser letzten Nacht des Jahres? Dann ist Sofa Chess von Max Richter die richtige Wahl für euch. In jedem Falle bis gleich. Und auf geht’s Demir! Unsere Uhr ist auch schon gestellt. Weiß beginnt!“
„Und Schwarz gewinnt, hehe“.
„Ha, Demir. Da hast du ja tatsächlich eine Lehrbuch-Pattverteidigung auf’s Brett bekommen.“
„Jaa! Und zum Glück spielen wir nicht die Schachvariante des Schachvaters… Was hättest du gespielt, wenn ich nicht den Turm genommen hätte?“
Anton – Demir
„Nach Kf5 meinst du? Natürlich Tg7-g2 mit Übergang zur Philidor-Verteidigung.“
„Du hast deine Turmendspiele geübt, das muss ich dir lassen.“
„Danke, Anton. Und ich sehe das Telefon schon wieder blinken!“
„Schauen wir mal was uns nun erwartet. Hier ist Radio Chess FM 97.8. Willkommen in unserer Silvestersendung mit Patt und Jahresrückblick. Hier ist Anton, wer ist in der Leitung?“
„Hallo Anton, hallo Demir, hier ist Jonathan Simon vom SK 1928 Mömbris.“
„Hallo Jonathan! SK oder SC?“
„Ach, ich sage meistens SK. 1928 schrieb man eben noch Klub mit K. Im Vereinsregister steht es aber mit C“.
„Du bist da bestimmt nicht der Einzige, der das K dem C vorzieht, Jonathan. Wie war dein 2020?“
„Ich hatte schon bessere Jahre ihr beide. Wisst ihr, jeder redet zur Zeit über die Schulen und Schulöffnungen und Homeschooling usw. Aber ist euch schonmal aufgefallen, dass über Studenten niemand redet? Ich war das letzte Mal im Februar in der Uni. Die Schulen hatten ja im Sommer und Herbst wieder geöffnet. Aber über die Unis redet irgendwie niemand. Das ist ein bisschen schade und man kommt sich etwas vergessen vor.“
„Diese Punkte sind hiermit auch der breiten Öffentlichkeit mitgeteilt. Wie war dein 2020 in schachlicher Hinsicht? Vermisst du die over-the-board Spiele mehr als unser aller Schachvater?“
„Das tue ich in der Tat, Anton. Meine letzte over-the-board Partie war am 07.03.2020 gegen Jürgen Schnetter in unserer Vereinsmeisterschaft, welche leider auch nicht fertiggespielt werden konnte. Vielleicht werden wir 2021 die Vereinsturniere online austragen. Das müssten wir noch in der Vorstandschaft besprechen. Kurz davor, am 01.03., war meine letzte Verbandsrundenpartie. Auch diese wurde ja in Unterfranken nie zu Ende gespielt. Mit der ersten Mannschaft waren wir am Ende auf dem dritten Platz gelandet hinter Würzburg II und Bad Königshofen. Unsere zweite Mannschaft ist in der Kreisliga sogar erster geworden. Dass die in Würzburg geplante Unterfränkische ausfallen wird, war ja dann schon abzusehen. Ich hatte ja gehofft, dass diese zwischen den Jahren oder zu Jahresbeginn 2021 nachgespielt wird, aber das ist in der aktuellen Lage ja nicht möglich. Ob diese Coronaliga auf unterfränkischer Ebene stattfinden wird, ist ja ebenfalls noch fraglich. Natürlich haben wir dann auch viel Online-Schach gespielt und dort Turniere mit befreundeten Vereinen ausgetragen. Da kommt wenigstens so ein bisschen zusammen, aber das ist einfach nicht das Gleiche wie ein richtig schönes Schachturnier, welches über mehrere Tage geht mit seiner ganz eigenen Atmosphäre. Der Schachbummler hat das doch vorhin ganz nett ausgedrückt wie ich fand. Wie sagte er gleich? Ein Schachturnier ist doch mehr als seine Partien, oder so ähnlich?!“
„Ganz genau so sprach er.“
„Genau. Im Spätsommer und Herbst konnten wir dann ja auch wieder ein paar Vereinsabende stattfinden lassen und haben uns wenigstens mal wieder alle gesehen, unsere Generalversammlung abgehalten usw.“
„Keine Schachreisen unternommen dieses Jahr?“
„Leider nicht! Eigentlich wollte ich ja wieder zusammen mit Florian Voellinger und Michael Scholz nach Rhodos zur Amateurweltmeisterschaft. Griechenland hatte und hat ja sehr wenig Coronafälle [Quelle: https://www.worldometers.info/coronavirus/country/greece/], aber aufgrund der internationalen Reisewarnung, die noch bis Mitte Mai galt, musste auch dieses Turnier letztendlich abgesagt werden. Im Spätsommer gab es wohl dann wieder ein paar over-the-board Turniere, aber die habe ich wohl verpasst. Ach, und da fällt mir aber doch gerade ein: Im September war ich zusammen mit Stefan Scholz aus Alzenau in Bad Kissingen auf der Schachakademie der Bayerischen Schachjugend. Das war echt schön! Es gab dort Vorträge zur Mitgliedergewinnung, zum Vereinsmanagement, zum Mädchenschach, Vereinsrecht usw. usf. Es war sogar ein Großmeister, Leon Mons, anwesend und schilderte seinen schachlichen Lebensweg zum Großmeister. Dazu eine sehr stimmungsvolle Atmosphäre und sonniges Wetter. Abends haben wir bei geselligem Schnauz (wir hatten leider keine Pokerchips für eine weitere der legendären, und mittlerweile Tradition gewordenen, Pokerrunden) zusammengesessen. Und außerdem gab es einen Rotweinautomaten und… Ähm, ich sag nichts mehr…“
„Klingt auf jeden Fall nach geselligen Abenden, Jonathan.“
„Oh ja, doch dann: Die zweite Welle und alles verflüchtigte sich irgendwie erneut. Kein Schachturnier am Horizont. Aber eine neue Netflix-Serie.“
„Ich habe mich schon gefragt, wann heute Abend Queens Gambit das erste Mal erwähnt wird haha.“
„Es ist ja auch eine geniale Serie und definitiv eine Erwähnung wert! Die Serie ist mittlerweile ja die erfolgreichste Mini-Serie auf Netflix überhaupt geworden [Quelle: Twitter] und der Verkauf von Schachbrettern stieg um ein Vielfaches. Es wurde ein regelrechter Schach-Boom ausgelöst, verstärkt noch durch Corona und die Lockdowns [Quelle: https://www.bloomberg.com/graphics/2020-chess-boom/].“
„Das können wir nur so weitergeben, uns beiden hat die Serie auch sehr gut gefallen, nicht wahr Anton?“
„So ist es!“
„Ich denke das die Serie auf jeden Fall sehr sehr gut für das Schach ist. Und wenn dann im Frühjahr tatsächlich das Kandidatenturnier weitergeht, die großen Medien haben bereits in der Vergangenheit über große Schachturniere berichtet… Könnte alles sehr gut werden.“
„Ja, das hoffen wir natürlich auch und danke für das Teilen deiner Erfahrungen aus 2020.“
„Sehr gerne, ihr beiden. Ich habe auch noch eine weitere Patterfahrung für euch.“
„Oh, ist dir nach der Partie gegen Peter Lutz etwa nochmals gleiches wiederfahren?“
„Nein, Gott sei dank nicht, aber ich habe im Frühjahr einmal als Training eine Stellung gegen den alten Stockfish ausgespielt und bin dabei auf eine wahnsinnig faszinierende Variante gestoßen, die forciert die verrückteste Pattverteidigung einleitet, die ich je gesehen habe.“
„Jetzt hast du uns aber heiß auf die Stellung gemacht.“
„Der FEN-Code ist 6k1/2p2p2/8/3p1Rpp/r2Pp3/1q2P3/3Q4/2B1K3 b – – 0 1“
„Nun dies ist die Grundstellung. Hier gewinnt Schwarz, der aktuell vier Bauern für die Figur hat, nur mit dem Zug …, f6 und nach Txf6, Ta2, Dd1, Dxd1, Kxd1, Kg7, Tf5, Kg6, Txd5, g4! und die Freibauern werden sich durchsetzen. Allerdings sieht es so aus (und auch Stockfish denkt dies lange Zeit), dass auch 1. …, Ta1 klar gewinnen sollte. Es droht sofort …, Dc4, der Läufer ist gefesselt und die Freibauern am Königsflügel könnten laufen. Aber Schach ist natürlich konkret und Weiß kann hier 2. Txg5+ spielen und nach 2. …, Kf8 (2. …, Kh7? 3. Txh5+, Kg6 4. Th1!, Dc4 5. Dg2+!, Kf6 6. Df1+ mit Damentausch und Weiß gewinnt aufgrund seines Materialvorteils) 3. Txh5 und droht 3. …, Dc4! direkt den Gewinn des Läufers und der natürliche Zug 4. Kd1 funktioniert taktisch nicht aufgrund des losen Turms auf h5.“
„Ach ja, wegen 4. Kd1?, Df1+ 5. Kc2 (De1?, Txc1+), Txc1+ 6. Dxc1, De2+! Aber dann geht der Läufer doch verloren?“
„Ja, genau! Und hier besitzt eben Weiß nur die Rettung, welche auf einer Pattverteidigung beruht. Könnt ihr sie finden?“
„Hmm, aber der weiße König hat doch noch so viele Felder… Und Turm und Dame noch auf dem Brett…“
„Nun, dann lasst uns in medias res gehen. Der rettende Zug ist 4. Db2!! Nun verbietet sich ganz klar 4. …, Dxc1+ wegen 5. Dxc1, Txc1 6. Kd2 nebst Txd5 mit gleichem Turmendspiel.“
„Aber Txc1?? Das gewinnt doch einfach den Läufer mit Schach, oder nicht?“
„Jaja, aber seht danach muss der weiße König nach d2 ziehen (Kf2 wird schnell Matt) und somit ist der Turm auf c1 angegriffen. Dieser kann kein Schach mehr geben und muss also ziehen. Sagen wir nach g1, andere Züge ändern nichts.“
„Ha, jetzt sehe ich es! Der weiße König steht ja schon in einem Pattnetz und wenn dann,–“
„–genau, wenn Weiß seine Dame und seinen Turm opfern könnte, dann wäre es patt! Wundersamerweise kann er genau das tun.“
„Ich nehme an wir fangen mit 6. Db8+ an?“
„Ja so ist es. Nun ist es der schwarze König, der die richtigen Züge machen muss. Nach 6. …, Kg7 ist es gleich Matt, also 6. …, Ke7 und dann 7. Te5+. Jetzt kann der König nach f6, nach d7 und nach d6 gehen. Ersteres verliert sofort und nach …, Kd7 kommt Te7+. Also lasst uns 7. …, Kd6 anschauen.“
„Ach, und nun etwa ganz elegant den Turm opfern mittels 8. Te6!!“
„Haha, ihr habt es erkannt. Wenn der König nimmt kann die Dame ewiges Schach geben und wenn der Bauer nimmt, so folgt 9. Dd8+, Kc6 10. Dxc7+!, Kb5 11. Da5+!, Kxa5 und–“
„PATT!! Was für eine verrückte Variante! Das ist wirklich ein sehr sehenswertes Pattmotiv, Jonathan. Sehr tief versteckt.“
„Aber sehr schön!“
„Auf jeden Fall. Ich bin noch ganz hin weg ob der plötzlichen Turm- und Damenopfer und Db2!! als Rettungszug. Verrückt. Vielen Dank für diese pattige Erfahrung, Jonathan. Möchtestet du dir noch einen Song wünschen?“
„Sehr gerne, ihr beiden. Ich habe letztens erst einen Artikel im Kitzinger Schachboten über die UEM 2010 in Kitzingen gelesen. Da fiel mir wieder ein, dass dort jeden morgen und immer zwischen den Runden aus großen Lautsprechern in voller Lautstärke das Lied Heavy Cross von Gossip gespielt wurde. Das hat zwar nicht direkt etwas mit Schach zu tun, aber ist für mich so stark mit Schach verknüpft, dass auch dies für mich ein Schach-Song geworden ist.“
„Haha, das können wir sehr gut verstehen, Jonathan. Dein Wunsch wird dir hiermit erfüllt. Hier kommt Heavy Cross und danach spielen noch für euch den absoluten Schach-Song Klassiker. Denn was wäre eine Silvester-Schachsendung ohne One Night in Bangkok aus dem Musical Chess von Murray Head. Viel Spaß mit den Songs, Jonathan, und einen guten Rutsch!“
„Euch auch einen guten Rutsch! Tschau!“
„Ich sehen den Stundenzeiger unerbärmlich voranschreiten, Anton. Wahrlich, das Jahr neigt sich dem Ende zu. Zeit für einen letzten Anrufer sollten wir aber noch haben, oder?“
„Das denke ich doch auch, Demir, und unser Telefon blinkt natürlich schon wieder. Willkommen in der letzten Stunde des Jahres 2020. Hier ist Radio Chess FM 97.8. Hier ist Anton, wer ist da?“
„Guten Abend! Hier ist Klaus Link vom SK 1982 Klingenberg.“
„Hallo Klaus, schön, dass du heute in unserer Sendung bist.“
„Die Freude ist ganz meinerseits, Anton. Ich möchte euch auch gerne aus meiner Sicht vom Schachjahr 2020 und seinen Highlights berichten. Außerdem habe ich auch noch ein paar nette Pattanekdoten für euch.“
„Ein seltsames Jahr, dieses 2020! Corona hat die Welt patt gesetzt – Außer vielleicht ein kleines gallisches Dorf – die Schachwelt. Schach boomt auf Netflix und den Onlineportalen. Schach ist prädestiniert für das Internet und somit privilegiert gegenüber anderen Sportarten, die momentan komplett brachliegen. Und trotzdem. Rückblickend war mein schachlicher Saisonhöhepunkt 2019/20 nicht die European Online Chess Championship, das glänzend organisierte Kelheimer WWOO Turnier oder ein gewonnenes Schnellschachturnier auf lichess, sondern das nachgeholte Verbandsrundenspiel in der Landesliga, Runde 8, das nicht wie geplant im Frühjahr, sondern erst im ungewohnten September stattfand. Und es war allein schon bemerkenswert, dass es überhaupt stattfand. Gegen einen Schachfreund aus Fleisch und Blut, ein Wettkampf am Brett, mit Emotionen, Mimik, Gestik, sprich ein Erlebnis mit Resonanz. Auch die treuen Versuche, den hygienetechnisch abgesicherten Schachabend mit Partieanalysen und anschließendem, gemeinsamen Essen beim Italiener aufrechtzuerhalten, bleiben in spärlicher Erinnerung. Neben der Gesundheit, die schon immer als guter Wunsch zugesprochen wird, haben wir im abgelaufenen Jahr gemerkt, wie bedeutend direkter sozialer Kontakt mit Mitmenschen, alten Bekannten, Freunden oder Clubkameraden ist. Das können kein Discord Server, live chat oder andere soziale Medien ersetzen.“
„Damit sind wir wieder beim Thema, dass ein Schachturnier wohl mehr als nur seine Partien sei, wie es unser Schachbummler es vorhin so schön ausdrückte. Aber ich denke jeder Schachfreund und jede Schachfreundin wird dir zustimmen mit dem was du sagst. Das Internet kann die Wirklichkeit eben doch nicht ersetzen und vor allem nicht die Spannung und die Emotionen zum Beispiel nach einem erfolgreichen Patttrick.“
„Apropos „Patt“! Sind es nicht gerade die zwischenmenschlichen Erlebnisse und kleinen Geschichten rund um das Schachbrett, die einem sein Hobby so verschönern? Ich erinnere mich gerne an manche positiv skurrile Pattsituation, beispielsweise wie die in der Partie Ley-Hartlaub während der UEM 2004 in Bad Königshofen. Wie schön, dass auch Schachpartien wie Gemälde oder Musik die Zeit überdauern und Anekdoten erzählen können. Unsere sehr geschätzte und leider verstorbene Schachoma besaß als Führerin der schwarzen Steine eine absolute Gewinnstellung:“
Ley, Peter – Hartlaub, Marianne
„Der listige Ley warf ihr mit 43.Te3 allerdings einen schmackhaften Köder in Form eines ganzen Turms vor die impulsiven Finger, dass Marianne nicht lange entsagen konnte. Und so – und dies war eine wirklich selten gesichtete Form des zwanghaften Remis – schnappte die Falle des Pattkäfigs zu, welche die drei stummen Wächter, der Bauer h6, der Springer f6 und der schwarze Turm e3 mit schierem Entsetzen im Augenblick der plötzlichen Erkenntnis ungewollt bestaunen mussten:“
Ley, Peter – Hartlaub, Marianne
„Ein amüsantes Schlussbild. Ich bin mir aber sicher, dass Marianne selbst schon wenige Minuten nach der Partie darüber geschmunzelt haben wird. Ist dir ähnliches auch selbst schonmal wiederfahren, Klaus?“
„Ja! Die UEM Lengfeld 2020 fiel in diesem Jahr bekanntermaßen flach. Doch noch 2019 in Obernau ereilte mich bei den Unterfränkischen Meisterschaften in Form eines unverhofften Patts eine ähnliche, kaum mehr geglaubte Rettung. In der Meisterklasse I spielte mich mein junger Gegner aus Mömbris an den Rand der Niederlage und nur ein Wunder konnte mich noch retten:“
Link, Klaus – Böhl, Marius
„Marius Böhl schleifte mich bis zum 80.ten Zug gekonnt über den Bretterboden, als er mit 81. …, g3-g2? einen unbedachten Bauernzug ausführte (den man bekanntlich nicht rückgängig machen kann)- “
„Ihr spieltet ja wahrscheinlich kein Bauern-Rückzugs-Schach haha!“
„Nein, wahrlich nicht! Mein weißer König, im Schwitzkasten, mit klaustrophobischer Flachatmung, rief seinen letzten Mitstreiter – den Ta3 – zu Hilfe. Dieser erkannte die Not seiner Majestät und fand den rettenden Strohhalm in der Verfolgung des schwarzen Läufers nach 82.Td3 Lc5 83.Tc3 Ld4 84.Td3 Ke4: (84. z.B. – Lf6 85. Txe3! Und 86.Kxg2).“
„Ach ja, sehr schön. Der Turm greift einfach immer wieder den Läufer an, welcher die a7-g1 Diagonale nicht verlassen darf, da sich sonst der Turm für den Springer opfer kann, welches den König von der Deckung des Bauern g2 ablenkt. Wahrlich eine Pattsituation!“
Link, Klaus – Böhl, Marius
„So durfte ich nach mehrstündigem Kampf noch ein Remis einheimsen und mich über diesen „Patttrick“ freuen. Die Hoffnung stirbt eben zuletzt. Mit dieser Zuversicht gehe ich auch ins neue Jahr und hoffe sehr, genau solche wunderbaren Geschichten auf oder neben dem Brett mit meinen Schachfreunden zu erleben, zu teilen und dabei wieder bewusster schätzen zu lernen, was es bedeutet, seinen Hobbies uneingeschränkt frönen zu können.“
„Danke für deine schönen Worte und pattigen Erfahrungen, Klaus! Deine Ausführungen waren wahrlich eine Bereicherung für unsere Show. Hast auch du noch einen Musikwunsch, ein Lied, welches für dich mit Schach verbunden ist?“
„Mir geht es da ähnlich wie Jonathan vorhin. Mit Schach verbinde ich sicherlich die Melodie von Pirates of the Carribean, da diese „Hymne“ als Intro vor jeder Runde des Erfurter – Schach über den Dächern – Opens gespielt wurde – und das war jedesmal ein ganz schöner Adrenalin-Boost.“
„Auch deinen Musikwunsch haben wir natürlich auf Lager! Hier kommt Pirates of the Carribean. Dann dreh nochmal auf und fechte dich durch diese Silvesternacht! Guten Rutsch!“
„Guten Rutsch, ihr beiden!“
„Ahhrrrrr, hier sind wir wieder, Priaten- und Schachvolk!! Bereit für den Jahresabschluss?! Ich höre vor dem Studio schon die ersten Böller knallen. Da hat wohl jemand noch vor-coronaliche Restbestände ausgegraben… Was sagt die Uhr, Demir?“
„Oh 23:59 Uhr, Anton. Letzte Chance für eine schnelle Bulletpartie in 2020 liebe Schachfreundinnen und Schachfreunde!“
„Guten Rutsch! Und wenn ihr es schon nicht außerhalb des Schachbretts krachen lassen könnt, so lasst es wenigstens auf dem Schachbrette so richtig Krachen und eure Figuren tanzen und laufen und springen und rasen und-“
„– und die Partien neigen sich nun wirklich alle langsam dem Ende hin zu. Viele Könige wurden bereits als Zeichen der Aufgabe umgestoßen–“
„Anton, welcher Schachspieler stößt den heutzutage noch seinen König um? Nicht mehr lange und wir leben im 21. Jahrhundert.“
„Wie Recht du mal wieder hast, Demir. Was wäre ich nur ohne dich? Dann fassen wir es eben als eine Art schachlicher Redewendung auf, nicht wahr?“
„Darauf können wir uns denke ich einigen haha. Ich sehe aber gerade, die Partie Matis gegen Blank im Hautpturnier 1 läuft immer noch! Blank sollte doch mittlerweile kurz vor der endgültigen Verwertung seines Materialvorteils stehen, oder nicht?“
Matis, Paul – Blank, Stefan
„Ich denke er tut sogar mehr als das, Demir. Gerade hat er 61. …, Kh3-h2 gespielt und mir scheint als würde der weiße König nun in einem Mattnetz festsitzen, denn es droht jetzt …, De2#.“
„Und wenn Weiß das Feld e2 mit seiner Dame deckt–“
„Dann kommt trotzdem De2+ nebst Damentausch und der h-Bauer wird das Rennen machen.“
„Dann wird Matis wohl nun redensartlich seinen König umstoßen und wirklich, das heißt physisch, Blank seine Hand zur Aufgabe reichen.“
„So wird es sein, Demir. Ich möchte wahrlich nicht in Zeiten leben, in denen es vor und nach der Partie keinen Handschlag mehr gibt.“
„Zum Glück kann ich mir keinen Fall vorstellen, in dem man auf diese nette sportliche Geste wird verzichten müssen, Anton.“
„Ich mir auch nicht, Demir!“
„Oh, doch was ist das? Matis hat gezogen, und, sehe ich das richtig…? Hat er tatsächlich… den Zug… De5+ gespielt?? Das nenne ich mal einen stilvollen Abgang mit Racheschach, ha!“
Matis, Paul – Blank, Stefan
„Stil hat er haha, das muss man ihm lassen… Aber… Ist das möglich? Warte, Demir… Das ist doch nicht…? Das ist kein Racheschach, Demir!!“
„Aber wenn er die Dame einfach schlägt, dann–“
„PATT! Weiß ist dann patt!“
„Oha, De5+!! Jetzt sehe ich es auch. Was für ein Zug, Anton. Aber kann er nicht einfach noch mit dem König ziehen?“
„Auf …, Kh3 folgt Dg3#, auf …, f4 ist die schwarze Dame ungedeckt.“
„Und was ist mit …, Kh1? Ah sieh, Blank hat es gerade gespielt!“
„Und Matis erwiedert prompt! Er greift zu seiner Dame! Ein listiges Lächeln auf seinen Lippen! Lässt sie gleiten über die schwarze Diagonale dem feindlichen König hinzu immer näher und näher und näher!“
„Wie eine Märtyrerin mit einem verklärten Lächeln auf den Lippen, tritt sie an den feindlichen König ganz nah heran um ihm, bevor sie selig entschlafen wird, noch einen letzten Abschiedskusse zuzuhauchen.“
„Was für eine treffende Methaper, Demir!“
„Sie zieht nach h2! Nach h2 zieht er sie!“
Matis, Paul – Blank, Stefan
„Blank bleibt nichts anders übrig als die sich opfernde Dame zu schlagen, und dann–“
„Es ist immer noch Patt, Anton. Patt!! Die Partie ist zu Ende! Schluss! Aus! Ende!“
„Eine geniale Rettung, die Matis da gefunden hat, das muss man ihm lassen. Genial! Von wegen Racheschach haha. Das nenn ich mal ein Ende! Das nenn ich mal ein Abschluss!“
„Ein wahres Feuerwerk an Emotionen!“
Ende
Anmerkungen:
Die Radioshow mit Anton und Demir ist natürlich rein fiktiv. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen ist unbeabsichtigt und zufällig.
Die Radioshow wurde motiviert von einem Kapitel aus David Mitchells Roman „Chaos“ (Wikipedia), in dem auch eine künstliche Intelligenz in einer Radioshow anruft. Ebenfalls ist dieses Kapitel komplett in Dialogform geschrieben.
Wer mehr von Anton, Demir, Willy Lohmann, Boris Kowalski, dem Schachvater und dem Schachbummler lesen möchte, den verweise ich wärmstens auf meinen großen Bericht „Das Spiel von Königen und Königinnen. Eine Erzählung in sechs Teilen„. Teil 5 behandelt ebenfalls einen Ausschnitt aus der Radioshow der beiden Schachvögel. In Teil 2 wird beschrieben, wie sich Boris K. in einen Schachspieler verwandelt vorfand. Teil 4 enthält die Briefe Willy Lohmanns an seine Frau Linda, der jeden Abend von der UEM 2019 in Obernau berichtete. „Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen Teil 3: Der Schachbummler“ enthält die Eindrücke des Schachbummlers zur UEM 2011 in Gerolzhofen.
Die Person des Willy Lohmann basiert auf dem Drama Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller. Ich empfehle insbesondere die Verfilmung von 1985 mit Dustin Hoffmann: Trailer.
Schachvater: Dieser Begriff stammt aus Vladimir Nabokovs Roman „Lushins Verteidigung“ (Wikipedia) („Mochte er dort bleiben, unbekannt, doch zweifellos gefährlich, mitsamt seinem schrecklichen Beinamen: Schachvater“, S. 277).
Die Diagramme mit den Schach-Varianten stammen aus Tomašev, N., Paquet, U., Hassabis, D., & Kramnik, V. (2020). Assessing game balance with AlphaZero: Exploring alternative rule sets in chess. arXiv preprint arXiv:2009.04374.
SK oder SC Mömbris: Das ist eine Anspielung auf diesen Tweet.
Der Dialog mit Klaus Link stammt fast wörtlich aus Ausführungen, die mir jener im Vorfeld des Berichts zukommen lies. Vielen Dank für deine Eindrücke des Jahres 2020 und die Pattanekdoten.
Die gezeigten Partien finden sich in den Schach-Datenbanken. Die Analysen wurden mit Stockfish 11 und Stockfsih 12 erstellt. Ich übernehme aber keine Gewähr für deren Korrektheit. Falls ihr Fehler findet, dann meldet euch gerne bei mir.
Quelle Titelbild, Musikbilder und Silvesterbild: Pixabay.
Anbei nochmals eine Auswahl an Diagrammstellungen.
Rumpel, rumpel, klapper… Autsch, dat war de Läufer! ‚Ai Kollege‘. Und’s Türmle ach vorbeigerollet. Schon wieder weg. Rumpel, rumpel, klapper, schepper. Dann: Licht. Mehr Licht! Und Finger, die grabschen. Juhhuuu wir fliegen!! Alle Wege führen nach Rom und irgendwann zurück auf’s Schachbrett. Der ganze Abgrund scheint sich in dunkle und bleiche Quadrate einzuteilen und ich sehe die Ewigkeit mir entgegenkommend und unerbitterlich vor mir ausbreitend. Flug zu Ende. Bruchlandung bei Kollege Caesar rechts vor mir. Dann: In Reih und Glied und marschbereit. Eins, zwei, drei, eins zwei, drei, eins zwei drei. Aufgesattelt und unruhig mit den Hufen scharrend. Kollege Rechtsspringer mir aufmunternd zuwiehret. Feindliche Schwarzrappen sieben Reihen entfernet erspähet. König, Oberer, Weißbart rückt Krone zurecht, Königin in Gewandung wunderschön anzusehen. Ein Ozean von Bauern. Schwarzläufer rechts von mir. Kollege weißer a-Linien Schwarzturm mit schwärzestem Schwarzhumor links von mir erzählet mir schon zum neunten Mal den Witze: Was ist der Unterschied zwischen Manhattan und einem vollen Schachbrette? – Auf dem Schachbrette stehen noch alle Türme. Hahaha, was haben wir gelachet… Reflexionen der weißen und schwarzen Feldern sich in meinen Augen spiegeln, frisch aufgewehte Winde mit Kampfesstimmung mir durch die Mähne wehen. Dann: Blitzlichtgewitter. Die Fotografen kommen! Kollege weißer a-Linien Schwarzturm mit Schwarzhumor murmelt: Sagt ein Schachspieler zu Zeus: „Lass uns eine Runde blitzen“. Jetzt aber gut ist. Jürgen Müller, Schiedsrichter wie eh und je durch die Reihen streifet, kontrolliert Aufstellungen der Kollegen und Positionen der großen digitalen Zeitwächter. Letzte Runde der 66. Unterfränkischen Einzelmeisterschaft in Stetten! Handys aus! Allen Partien einen fairen und spannenden Verlauf. Bretter sind frei! Menschenworte und Uhrengeräusche. Klicken der großen digitalen Zeitwächter. Turnierruhe. Kratzen der Stifte auf Partieformular. All dies meine Schach-Rappen-Ohren vernehmen. Ich unruhig mit den Hufen scharrend. Wann geht es los? Dann Menschenhand greifet nach Bauer Emil und rücket ihn zwei Felder nach vorne. Gegner erwidert ebengleiches. Rechtsspringer vor Freude wiehret als er durch die Lüfte schwebend davongaloppierend weiße Felder beschreitet. Rechtsspringerschwarzrappengegnerpferd einigen Reihen entfernet durch die Lüfte wirbelnd. Weißer Weißläufer nach dem Felde c4 hin gelaufen wird. Aha, Italienische Eröffnung!, ich freudig ausrufe. Humorloser a-Linien Schwarzturm mir zuflüstert: Klingelt es an der Haustür, öffnet der Hausherr und sieht einen Italiener.“Wer sind Sie und was wollen Sie?“, fragt er diesen. – „Ich bin Umberto und ich bin hier, um Ihre Tochter zu verführen. „Um was? „Umberto.“ Aua, der tat weh… Jetzt, wirds aber Zeit, dass ich hier wegkomme. Auf ins Vierspringerspiel! Nein? Giuoco Pianissimo, oder wie? Ah, nun endlich nach acht Zügen an der Zahl Menschenfinger nach mir greifen und galoppierend ich zum Felde d2 hinreite, vor die Königin und ihr Gemahl Herr Weißbart auch noch stehend daneben befehligend sein Heer. Ahh, und nun die Dame hinwegreisend dem Felde b3 hin zu. Und kaum war’s geschehen auch der König wegrochiert.
Herberich, Martin – Simon, Manuel
Und nun meine Gedanken schweifen während die Kollegen über schwarze und weiße Felder huschen. Zurück über die letzten Tage, denn seit Ostermontag wird ein großes Turnier ausgetragen hier im wunderschön beschaulichen Stetten. Mit allerlei Menschen-Spielern. Ich höre sie lachen und witzeln und Vorbereitungen murmeln. Ich höre sie Abends 1-Minuten Bullet Partien spielen und jedes Mal tut es mir in der Seele wehe, wenn ich sehe wie andere Linksspringerfreundschaftspferde über die Bretter mehr rollen als galoppieren. Manuel Simon von den Mömbrisern, der mir nun gegenüber sitzt erst gestern Abend spielte diese verrückten Partien mit seinem Bruder Jonathan, der gerade um den Turniersieg in der M II spielte. Ich höre aus der Ferne Fritz Scholz etwas murmeln. Schon gestern spielte Manuel Simon an diesem Brette, aber auf dessen weißer Seite gegen den Herrn Schölzing. Hier ich nach Englischer Eröffnung gleich im zweiten Zuge zum Einsatz kam! Und kurz vor dem Ende ich erst von dem gegnerischen Turme geschlagen, aber keine drei Züge später Schölzing gab auf! Danach ich hörte wie sein Bruder Jonathan zu ihm kam, um ihm zu gratulieren und hörte wie er erzählte, dass sie wieder zum Italiener nebenan gingen und sich freuten, wenn sich wieder Gunter Beyersdorf vom SC Bad Königshofen zu ihnen gesellen würde. Doch vor dem Essen sie spielten noch ihre 1-Minuten Partien! Am Tage davor auch schon Manuel spielte an diesem Brette mit den weißen Steinen. Auch hier ich im zweiten Zuge zum Einsatz kam! Und war mehr als 60 Züge mit von der Partie. Herrlich! Und schon in der allerersten Runde Manuel spielte ebenfalls an diesem Brette mit den weißen Steinen. Hier ich sogar den Siegzug dem Felde g7 hin ausführte! Und davor. Ach die Aufregung! Endlich wieder ein Turnier. Endlich wieder Schach! In meiner einsamen Figurenbox, mir kam es vor als lebte ich auf sozialer Distanz in einem Lockdown ohne Abstandsregeln. Dieser humorlose a-Linienschwarzturm gefühlt Jahre auf mir lag ufff. Als ich dann endlich in Grundstellung aufgereiht und reitbereit stand, da war mir wie als wenn ich gerade erst frisch geschnitzt wäre. Und gebannt alle Figuren verfolgten als Anna-Lena Mehling, die Weinprinzessin, die Farbe für das Spitzenbrett ausloste (es wurde Weiß) und meine Springerohren Jürgen Müllers ausufernd lange Rede („Grüß Gott!“) vernahmen. Viel Dank zum Gegengruß! Doch nun, doch nun, was hier passieret? Was hören meine Ohren da? Ein Gewiehre und Getrampel, das können nur zwei Rappen sein!
Herberich, Martin – Simon, Manuel
Ahhhh, Linksspringerschwarzrappengegnerpferd nun direkt neben mir wiehret und auf e3 den armen Läufer-Kollegen geschlagen hat und nun seinerseits die Königin ihre Mäjestät angreifet. Daher Bauern-Kollege Fritz sich mutig dem Rappen stellend ihn vom Brette fegt. Doch nun h-Linienweißturm, weißfelder Läufer und Kollege Rechtsspringer alle vereinet den Armen schwarzen Friedolin angreifen. Daher der gegnerische Schwarzrappe mutig den Läufer schlaget seine Königin im Stiche lassend. Kollege Rechtsspringer zum Abschied leise wiehret und hinzugaloppiernd der dunklen Königin. Schon wieder direkt vor mir ein Schwarzrappe sich grasend niederlässt!!
Herberich, Martin – Simon, Manuel
Nun zunächst die Königin weichen muss, aber wie ein altes russisches Sprichwort gehet: Man kann nicht alle auf einmal aufhängen. Deshalb die gemeine Gabel des Schwarzrappen sich als wirkungslos erweist und Manuel zuerst den Kollegen Rechtsspringer aufhängen muss. Turm, so weiche nun! Mit zwei Läufern für Ihre Majestät der Sieg uns so gut wie sicher ist! Doch nun?! Was sich Bauer Boris erlaubert zunächst zu schlagen auf a6? Den Plan, den seh ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! Und mir bangt es wär mein End nach 19. …, Sxf1 20. axb7, Sxd2 21. b8D, Txb8 22. Dxb8+ und dann es wären drei Figuren für Ihre Majestät…
Herberich, Martin – Simon, Manuel
Doch Gegner schlägt mit Schwarzbauer den Boris raus und nun oh Turm, oh Turm, so weiche nun! Doch nein!?? Erneut ein kleiner Bauersmann um sein Leben bangt und nach d4 hin vormarschiert? Schwarzrappe vor mir freudig wiehert und mit den Hufen ausschlagend sich genüsslich für den h-Linienweißturm gibt. Schon a-Linienschwarzturm an mir vorbeisausend den Rappen vom Brette fegt.
Herberich, Martin – Simon, Manuel
Nun die Stellung tatsächlich sehr unklar geworden ist. Mich erfreut, dass ich der letzte Rappe auf dem ganzen Felde bin! Derweil ich höre Menschengeflüster wie Jonathan Simon seinem Bruder sagt, dass er gegen Simon Li im Drachen remisiert habe und damit wahrscheinlich den Turniersieg vergeben, aber den Aufstieg in die Meisterklasse 1 gesichert habe. Glückwunsch, mein Herr! Spieler überlegen. Langsam die großen digitalen Zeitwächter ticken. Sollte es je einmal Serien über Schach geben, die Macher müssten die Szenen wohl im Zeitraffer abspielen…
Nun endlich Menschenfinger nach mir greifen und mich dem Felde c4 hin schicken. Der Schwarzturm weichet von d6 nach f6 und nun der große Garry ein Feld nach vorne stürmet. Doch trügen mich meine Schach-Augen, oder sind nun die Felder um seine königliche Majestät empflich geschwächet?
Herberich, Martin – Simon, Manuel
Nein, nein, nein! Schon wieder rückwärts geht’s und ich mich wieder finde, wo ich gerade noch gewesen wart. Und nun?! Waaas? Erneut dem Felde c4 hin zu? Oh weh, oh weh, oh weh. Wir verliern’s… Die Türme sich mächtig aufbauen in Batterien. Die Läufer alle Felder kontrollierend und ich wie ein Hampelmann hin und her galoppierend. Und nun erneut dem Feld d2 hin zu?! Meine Springer-Ohren schon das Schallen der Posaune statt Siegesreden vernehmen…
Herberich, Martin – Simon, Manuel
Juhee, immerhin wir decken das Feld f1 vor drohendem Ungemach. Humorloser a-Linienschwarzturm wie im Anfang so am Ende neben mir stehet und mir zuflüstert: Sagt der Mann zum Dokor nach der Diagnose: Herr Doktor, wie lange habe ich noch? Sagt der Doktor: Zehn. Der Mann: Zehn was?! Jahre, Monate?! Der Doktor: Neun. Oh weh, oh weh. Doch nun, wer kommt da? Wer kommet DA? Wer schreitet heran durch Nacht und Wind? Es ist der LÄUFER mit seinem –… RUMS.
Anmerkungen:
Dieser Bericht behandelt den letzten Tag der UEM 2015 in Stetten.
Es finden sich wieder zahlreiche Zitate u.a. aus Lushins Verteidigung und Faust und Anspielungen auf den Corona-Lockdown oder die neue Netflix-Serie Queens Gambit und weitere.
Alle, die einen normaleren Bericht zum Turnier vorziehen und ergänzend lesen möchten, verweise ich auf den Bericht Unterfränkische Einzelmeisterschaft in Stetten vom 06.04.2015 – 11.04.2015 (übrigens der allererste Bericht auf dieser Homepage!). In diesem Bericht werden andere Partien im Detail behandelt, die hier behandelte Partie wurde allerdings auch schon erwähnt.
Damit wurden nun in sechs Teilen der Serie Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen insgesamt die sechs verschiedenen Spieltage einer Unterfränkischen nachgebildet, wobei jeweils in einer anderen Erzählweise und -stil von Unterfränkischen Meisterschaften der letzten Jahre berichtet wurde (eben jeweils von einem bestimmten Tag: Ostermontag – Ostersamstag). Die Berichte finden sich hier auf der Homepage.
Anbei noch die gesamte Partie Herberich – Simon zum nachspielen, inklusive einiger Analysen.
Als sich nun das von König Weißbart ersonnene königliche Spiel immer weiter auszubreiten begann, noch weit über die Grenzen der Burg Wildberg und des Märchenwaldes hinaus, so sprach König Weißbart eines Tages zu seinen acht Söhnen und seiner Tochter Cassia: „Des bunten Treibens haben wir viel erlebet, allerlei Varianten des königlichen Spiels gespielet und viel Spaß und Freude zusammen gehabet, so lasset uns nun eine Meisterschaft des gesamten Bezirkes austragen!“ Da waren alle seine Kinder glücklich und jedes freute sich auf die bevorstehende Meisterschaft, die den Märchenwald und seine umliegenden Bezirke noch bekannter machen sollte. So ergingen Einladungen an alle umliegenden Spielstätten des königlichen Spiels aus Nah und Fern. Es sollte ein prachtvolles, großes Turnier werden mit über 100 Teilnehmern, möglichst fünf verschiedenen Spielklassen, Grill- und Kartenabenden, Wanderungen, Analysen, gemeinsamen Beisammensein, sich über die Schulter schauen, zusammen lachen und trösten, zusammen spielen und siegen und verlieren und remisieren, mit Auf- und Abstiegen, Wettkampf, Sieg und Freundschaft und vieles mehr.
So also fanden sich nun zahlreiche Jünger des königlichen Spiels unweit des Märchenwaldes in einer beschaulichen Stadt in einem großen Saal, welcher in einem Gebäude lag, in dem es auch heiße Quellen zum baden und Heilwasser zum trinken gab, ein. So vergingen die Tage und spannende Wettkämpfe entstanden an jedem Brette und der Gewinner gab es viele, und auch manche Verlierer, aber ein jeder erfreute sich an dem Turniere, den acht Söhnen König Weißbarts und an seiner Tochter Cassia, die zu einer jungen Frau herangewachsen war, deren Schönheit im ganzen weiten Königreich gerühmt wurde.
Jeden Abend sah man König Weißbart im örtlichen Schlundhaus zechen und das dunkle würzige Urstoff-Bier, das Leibgetränk des Königs, floss in Strömen. Am zweiten Abende er aber ausnahmesweise ein italienisches Restaurant besuchte. Er sah dort einige Jünger des königlichen Spiels geheimnisvolle Blüten verzehren, wahrscheinlich aus dem Märchenwald, so dachte bei sich. Als die stark erkältete Kellnerin ihm ebensolche anbot, so sprach er nur: „Was der König nicht kennt, das frisst er nicht! Weg damit!“ So aber verliefen auch die späteren Stunden in geselliger Runde und man zechte bis tief in die Nacht.
Nun also waret der vierte Tag vergangen und der fünfte Tag war angebrochen. Drei Klassen ließ König Weißbart aus der Traufe heben, die Königsklasse 1, die Königsklasse 2 und das Ritterturnier, welches auch Aufstiegsturnier genannt wurde. Nachdem nun schon sechs Runden gespielt waren, führte in der ersten Königsklasse Tobias Kuhn mit 4.5 Punkten vor FM Harald Golda mit 4 Punkten und CM Christian Schatz mit ebenfalls 4 Punkten. In der zweiten Königsklasse dominierte Charles Gould das Feld mit 5.5 Punkten, dicht gefolgt von Klaus Link mit 4.5 Punkten. Markus Susallek war mit 4 Punkten auch noch im Rennen und ein heißer Kandidat für den Turniersieg. Nicht ganz so gut erging es dem Michael Scholz, welcher eine große Rochade vollführt hatte (er hatte dreimal in Folge verloren). Aber natürlich hatte auch er seinen Spaß, und wenn er deshalb am Abend sich eines der köstlich-königlichen Urstoff-Biere mehr gönnte, so konnte es König Weißbart nur Recht sein, denn beim Zechen war er immer fröhlich und immer gesellig. Im Rittersturniere war heuer schon zum 49. Mal Fritz Scholz im wahresten Sinne des Wortes mit von der Partie, und auch Marianne Hartlaub, die Schachoma, war dabei. Fritz war aber auch mit von der Pokerrunde, denn zu dem allgemeinen Erstaunen bewies der alte Herr sein Geschick auch am Kartentisch und gewann das Pokerturnier des dritten Tages. Jedes mal, wenn der alte Fritz seine Karten aufdeckte und schon wieder eine Straße hatte, da konnte König Weißbart nicht mehr an sich halten und sein schallendes Lachen dröhnte durch den ganzen Spielsaale. Arnold Kraus hatte gerade zweimal in Folge gewonnen und nicht nur König Weißbart fragte sich, ob er seine Siegesserie fortsetzen konnte. Es betrübte den König, das genau jene Spieler, welche zu Beginn die Blüten aus dem Märchenwald verzehrten nun immer schlechter abschnitten in seinem Turniere. So also waret der Stand der Dinge an jenem fünften und vorletzten Morgen des Turniers nach sechs gespielten Runden.
Gleich nach Beginn des großen Glockenschlags die sechste Runde begann und König Weißbart vernahm ein simultanes Klicken als die Schwarzspieler die Schachuhren der Weißspieler in Gang setzen. Sogleich schickte er seine acht Söhne aus, die ihm berichten sollten, sobald sie eine spannende Schachpartie erblicken würden. Besonders, sagte er, behaltet mir die jungen Leute mit den Blüten im Auge. So nahmen die Spiele ihren Gang, der König sah Jürgen Müller, Schiedsrichter wie eh und je, durch die Reihen streifen, um zu kontrollieren, ob alle Uhren ordnungsgemäß liefen, er sah Männer und Frauen, Jung und Alt, aber alle im königlichen Spiele vereint, welches er vor so vielen Jahren als Geschenk für die alte Hexe ersonnen hatte. Das war ihm ein wahrlich herzlicher Anblick.
Da kam auch schon sein ältester Sohn, Anton, zu ihm gelaufen und sprach: „Vater, sehet Jonathan Simon und Can Ersöz tragen schon wieder ihr Theorieduell im Grand-Prix Angriff aus“. Da kam auch schon Boris, König Weißbarts zweitältester Sohn und sprach: „Vater, auch Markus Susallek und Michael Scholz spielen Sizilianische Eröffnungen“. Nach einiger Zeit trat Caesar an seinen Vater heran und sprach: „Sieh, Manuel Simon konnte gegen Thomas Drewes einen ganzen Turm gewinnen, der Sieg sollte ihm sicher sein!“ Da freute sich König Weißbart, denn auch Manuel war bei jenem Blütenverzehren anwesend gewesen und er wollte nicht an eine schlechte Prophezeiung glauben. Da erinnerte er sich, dass auch Manfred Unkelbach an jenem Abend dabei gewesen war. Also schickte er seinen Sohn Demir los zu sehen wie jener sich schlug und sogleich berichtete er ihm, dass er gegen Wolfgang Saftenberger aus Würzburg spielte und Unkelbach nicht schlechter stand. „Sehr gut, sehr gut“, schumzelte König Weißbart in sich hinein. Schon kam Emil, einer der mittleren Söhne König Weißbarts, angelaufen und sagte: „Vater, Vater. Der alte Fritz hat mit seiner Aljechin Eröffnung schon im zweiten Zuge einen Bauern gewonnen!“ Da konnte König Weißbart wieder nicht mehr an sich halten und sein dröhnendes Lachen erklang im ganzen Saale. Da trat auch schon Fritz, einer seiner jünsten Söhne, an ihn heran und sagte ganz aufgeregt: „Sieh Vater, Arnold Kraus ist am gewinnen!“ Sogleich eilte König Weißbart zu jenem Brette, an welchem Arnold Kraus gegen Kilian Mattern spielte und er sah, dass Arnold gerade den Zug Sf6 spielte.
Kraus, Arnold – Mattern, Kilian
Weißbart sah sofort, dass Weiß nun leicht gewinnen würde. Sollte der König nach h8 weichen, so wäre es nach Dh7 matt und nach Kg7 folgt Dh7+ und er muss nach f8 gehen und wenn er nun nach f8 ginge, so würde Txc5 nebst Sd7+ die schwarze Dame aufgabeln. Also müsste …,Txf6 erfolgen, aber Schwarz würde nach exf6 den Mattdrohungen nicht mehr Herr werden. Zufrieden schmunzelte der alte König in seinen langen weißen Bart. Da aber kam Garry angerannt und sprach ganz im Affekt: „Oh Vater, oh Vater! Manuel Simon ist in Schwierigkeiten, trotz seines Mehrturmes!“ Da dachte König Weißbart an die verhägnissvollen Blüten und rannte zu jenem Brette. Und tatsächlich, Manuel hatte gerade 34. Le4 gezogen.
Simon, Manuel – Drewes, Thomas
Der König stirnrunzelnd auf das Brette starrte und sich dachte, dass die schwache schwarze Grundreihe doch irgendwie auszunutzen sein musste. Da sein Sohn murmelte „b3“ und er sah, dass in der Tat 34. …, b3! nicht einfach zu beantworten war. Und tatsächlich, schon zog Drewes seinen b-Bauern ein Feld nach vorne. Nun drohte einfach …, bxc2+ nebst Einziehen und die schwarze Grundreihe war auf den empfindlichen Feldern f8 und d8 gut gedeckt. Manuel zog seinen Bauern vor nach h4 in er Hoffung den Läufer zu vertreiben, aber Schwarz schlug auf b2 und Weiß blieb nichts anderes übrig als mit Dxc2 seine Dame herzugeben. Danach war es bald um ihn geschehen.
Da kam sein Sohn Boris und sprach: „Manfred Unkelbach hat leider nur remisiert“. Schon Caesar kam angerannt und sagte: „Vater, es betrübt mich, aber Michael Scholz hat gerade aufgegeben“. Da gesellte sich Anton dazu und sprach betrübt: „Auch Markus war Stefan Blank unterlegen“. „Die Blüten, die Blüten!“, rief König Weißbart verzweifelt als er sah, dass auch Manuel gerade aufgegeben hatte. So ginget auch dieser Tag zu Ende und alle zechten im Schlundhaus und genossen das Urstoff Bier und die Niederlagen waren schnell vergessen.
Und nach 9 Runden drei Spieler in der Königsklasse 1 konnten stolz auf ihre 6 Punkte sein und es erfreute König Weißbart, dass Arnold Kraus seit dem fünften Spiel jede Partie gewonnen hatte (und Zweiter wurde), und da jener gerade nicht an jenem zweiten Abende beim Blütenessen dabei gewesen waret, so war sich König Weißbart seiner sicher und er gab den Blüten die Schuld für das bescheidene Abschneiden der anderen Recken, er sprach gar von einer Blütentheorie.
Dies alles, und noch viel mehr, erzählte er vier Wochen später der alten Hexe, als sie wieder in einer Vollmondnacht beim königlichen Spiele zusammen saßen. Und als König Weißbart ihr von der Episode mit Manuel Simon und seinem Mehrturm erzählte, da bat sie ihm, dass sie ihm die Stellung einmal zeige, wie es denn gekommen sei mit einem Mehrturm noch zu verlieren (Anm: Der Leser probiere sich selbst an dieser schönen Aufgabe: Weiß am Zug hält Remis [und gewinnt insbesondere nicht]. Tipp: Die Aufgabe ist eventuell noch schwerer als sie aussieht und geht nach dem ersten Zug noch weiter).
Simon, Manuel – Drewes, Thomas
König Weißbart sprach: „Sieh, die Grundreihe sieht schwach aus, aber die Felder d8 und f8 sind gut gedeckt“. Da grübelte die alte Hexe und kratze die Warzen an ihrer gekrümmten Nase. „Nun, nun“, sprach sie, und ihre dünnen Finger griffen nach der weißen Dame, „wie wäre es mit Dc3? Hehehhe!“
Simon, Manuel – Drewes, Thomas (Variante)
„Natürlich!“, rief König Weißbart ganz ereifert, „die Dame kann nicht schlagen, da sonst Tf8# kommt und gleichzeitig droht Dxc5 und Dxb2!“. „Und nach bxc2+“, fragte die Hexe. „Kommt diesmal Lxc2 und alles ist sicher! Gewinnt nun Weiß also doch?“. „Es scheint so, es scheint so…“, murmelte die Hexe. „Nun“, sprach der König, „Schwarz könnte noch ein Schach auf b1 geben, aber nach Ke2 hängt auch noch der Turm und das macht die Sache ja eher noch schlimmer für ihn…“. Da versank die Hexe in Gedanken und starrte auf das Brett. „Warte Weißbart, warte. Immer alle Schachs rechnen mein Lieber!“ und sie zog den Turm nach b1 und den König nach e2 und fasste dann nach dem Turm um ihn auf dem Felde e1 abzusetzen.
Simon, Manuel – Drewes, Thomas (Variante)
Da begriff Köng Weißbart und er brach in ein minutenlanges schallendes Gelächter aus. „So etwas haben meine Augen noch nicht erblicket!“, rief er aus. „Herrlich, herrlich!“. „Ja“, sprach die Hexe, „nach Kxe1 kommt nun Dxc3 mit Schach und nach Txf1 wird der Turm abgelenkt und nach …, Dxc3 droht kein Matt mehr auf f8 und nach Dxe1 folgt …, De3+, Kd1, Dc1+ mit Dauerschach. Eine feine Kombination hast du da ausgegraben, Weißbart“. So trug es sich zu in jener Vollmondnacht im Märchenwald und die beiden blitzten danach noch bis zum Morgengrauen. Und am nächsten Morgen kehrte der König heim zur Burg Wildberg und berichtete seinen Söhnen und seiner Tochter Cassia von den Analysen und alle erfreuten sich an den schönen Zügen Dc3 und dann nochmals an Te1!! und sie fragten sich, welch glückliche Geschehnisse ihnen das königliche Spiel noch bringen möge und welche Geheimnisse sich ihnen noch offenbaren würden. Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
Anmerkungen:
Dieser Bericht behandelte den vorletzten Tag der UEM 2016 in Bad Königshofen.
König Weißbart (und seine Kinder) sind natürlich rein fiktive Personen. Jede Ähnlichkeit zu anderen Personen ist rein zufällig.
Ich selbst stieg denkbar knapp aufgrund eines halben Buchholzpunktes ab, obwohl ich meine letzte Partie gewann, aber das ist eine andere Geschichte.
Wer einen weiteren Bericht über die gesamte Meisterschaft (ebenfalls von mir, aber nicht ganz so märchenhaft) lesen will, den verweise ich auf den Turnierbericht zur UEM 2016 auf dieser Homepage. Hier werden jeweils andere Partien analysiert.
Wer mehr von König Weißbart lesen will und wissen will wie er das Schach erfand, der lese Das Spiel von Königen und Königinnen: Teil 6: Das Märchen von König Weißbart. Der hier vorgestellte Teil versteht sich als direkte Fortsetzung dieses Märchens. Dort finden sich auch noch mehr Anmerkungen z. B. zur Burg Wildberg.
Anbei noch die gesamte Analyse der Schlüsselstellung in Simon – Drewes.
als ich neulich einmal wieder unsere alten Schachdokumente durchwühlte, da fielen mir plötzlich ein paar Seiten vergilbtes Pergament in die Hände. Erstaunt stellte ich fest, dass es sich offenbar um einen weiteren Turnierbericht des Sir Johann Fritz Simon handelte, angefertig im Jahr 1214. Leider, leider ist der Bericht unvollständig und offenbar sind nur noch einige wenige Seiten vorhanden, die unvermittelt beginnen und enden. Dennoch ließ sich aus den Fragmenten entnehmen, dass Sir Johann zusammen mit mehreren Rittersfreunden an einer mehrtägigen Meisterschaft in Wörth am Main (damals Werde an dem Moene) teilnahm. Die vorhandenen Aufzeichnungen beschreiben dabei offenbar die Ereignisse des Donnerstag Vormittag nach Ostern 1214.
Sollte ich die verlorenen Seiten noch finden, werde ich sie natürlich auch hier veröffentlichen. Aber auch so wird der Leser einen Einblick in die mittelalterliche Turnierpraxis gewinnen können. Ähnlich wie in dem anderen Dokument von Sir Johann, welches dessen Reise zu einem Turnier nach Erfurt beschreibt, finden sich auch auf diesen Seiten wieder einige lateinische Phrasen, die ich zum besseren Verständnis in Fußnoten ins Deutsche übertragen habe. Außerdem habe ich das Endspiel, welches Sir Johann nur oberflächlich in seinem Bericht abhandelt, ausführlich analysiert und stelle eine Analyse ans Ende.
Als ich damals Kitzingen endgültig verließ, hinterließ ich nichts als den Abglanz verblassender Erinnerungen an Schemen von Gestalten, die sich über Bretter mit hölzernen Figuren beugten. Ich packte meinen Schachkoffer und meine sieben Eröffnungsbücher und verließ die Stadt noch am gleichen Tage, um sie, bis zum heutigen Tage, kein einziges Mal erneut zu betreten. Meine Schachreisen führten mich hernach an allerlei Orte. Nach Erfurt (wo schon seit dem Mittelalter zwischen den Jahren ein großes Turnier stattfindet), nach Erlangen, nach Kehlheim (einstmals mitten im tiefen schneereichen Winter), nach Großenseebach (bei sengender Hitze) und an weitere Spielstätten, ich könnte sie gar nicht alle aufzählen, selbst wenn ich wollte.
Es war nun im Jahre 2011 als mich mein Schachweg nach Gerolzhofen zur 62. Unterfränkischen Einzelmeisterschaft führte. Nicht als Spieler nein, ich spiele nur noch selten müssen Sie wissen, sondern als Zuschauer, Kiebitz, wie der geneigte Schachfreund zu sagen pflegt. Es war Mittwoch, der 27. April, als ich mich in eine kleine Pension im Herzen der Kleinstadt einmietete um noch bis Ostersamstag dem Lauf der königlichen Spiele zu folgen. Ich erreichte zu Fuß den Spielort und unweigerlich wanderten meine Gedanken zurück nach Kitzingen, als ich ein Jahr zuvor ebenfalls ein paar Tage als Gast bei der Unterfränkischen ebendort weilte. Ich dachte an die große weitläufige Halle, die prunkvolle Siegerehrung im historischen Rathaus und, oh ja, an die Wege vom Hotel Würzburger Hof zum Spielort. Ampeln über Ampeln und seltsame noch dazu! Das war nichts für den alten Bummler. Hier gefiel es mir besser. Kleine überschaubare Gässchen. So lief ich in aufgeheiterter Stimmung am Mittwoch morgen (die Runde würde schon um 09:00 Uhr beginnen) durch Gerolzhofen.
So sehr ich mich auch heute daran versuche zu erinnern, um was für eine Art von Gebäude es sich genau handelte, so sehr bleibt es mir heute auch schleierhaft. Mir blieb es als eine Art von Museum in Erinnerung, mit etwas verwinkelten Ecken und Gängen und Vitrinen mit Ausstellungsgegenständen, aber ich möge mich in diesen Punkten täuschen… Im Spielssal herrschte eine heitere, fröhliche Stimmung. Es wurde vielerorts gelacht, manche Spieler saßen schon an ihren Brettern, andere holten sich noch einen morgendlichen Kaffee oder ein Kaltgetränk, andere legten fein säuberlich aufgereihte Stifte neben ihr Brett, andere füllten schonmal ihr Partieformular aus, manche zogen ihre Jacken aus, da ihnen zu warm war, andere zogen ihre Jacke wieder an, da ihnen zu kalt war. Alle freuten sich auf die bevorstehenden 6 Stunden. An jenem Tag wurde traditionell nur eine Runde gespielt, es waren daher besonders kampfesreiche Partien zu erwarten. Ich sah Jürgen Müller, Schiedsrichter wie eh und je, noch ein letztes Mal die Uhren kontrollieren und wachsam durch die Bretterreihen streifen. Er begrüßte die Teilnehmer zur vierten Runde und wünschte den Partien einen spannenden und fairen Verlauf. „Die Bretter sind frei!“. Und schon vernahmen meine Ohren ein simultanes Klicken als die Schwarzspieler die Uhren der Weißspieler in Gang setzten. Die ersten Züge wurden ausgeführt und Spannung lag in der Luft. Ich bummelte durch die Reihen, sah Fritz Scholz, der wahrscheinlich schon bald zum 50. Male dabei sein wird, FM Harald Golda, den Vorjahressieger, Michael Pfarr, welcher in Kitzingen überraschend sogar den dritten Platz erreichte, Jonathan Simon, der zum ersten Mal in der M2 spielte, Manuel Simon, dessen Bruder, der in diesem Jahr zum ersten Mal dabei war und im Hauptturnier, welches auch Aufstiegsturnier genannt wird, sein Glück versuchte und viele weitere alte bekannte und neue Gesichter. Ich bummelte schließlich zu den Aushängen mit den aktuellen Paarungen und Tabellen.
Nach den gespielten drei Runden besaßen Hans-Joachim Hofstetter, Udo Seidens, Gabriel Seuffert und Norbert Kuhn in der M1 jeweils 2.5/3 Punkte. In der M2 gelang Thomas Vogt eine bisher ungebrochene Siegesserie, ebenso Manfred Mauder und Manuel Flach im Hauptturnier B. Es war also noch alles offen und natürlich inklusiver dieser Runde noch sechs Runden zu spielen. Ich bummelte zum Spitzenbrett in der M1, hier spielte Gabriel Seuffert gegen Udo Seidens. Am zweiten Brett spielte Norbert Kuhn gegen Dr. Hans-Joachim Hofstetter und es kam die etwas ungewöhnliche Zugfolge 1. e4, c6 2. d4, d5 3. Sc3, b5!? 4. exd5, b4 5. Se4, Dxd5 aufs Brett. Es spielte Klaus Link gegen Michael Pfarr und Klaus wählte gegen Michaels Sizilianisch einen amüsanten symmetrischen Aufbau mit Ld3, Le3, Se2, Sd2 und Bauern auf c3, d4, e4 und f3. Ich bummelte zum Hauptturnier, welches zwischen M1 und M2 stattfand. Keine extremen Laufwege in diesem Jahr. Ich sah Fritz Scholz, wie er einmal mehr die spanische Eröffnung (seine Leiberöffnung) gegen Timo Helm aus Bad Königshofen wählte. Lächelnd stellte ich fest, dass Fritz schon jetzt mit der Notation im Nachzug war. Manuel Simon spielte im anderen Hauptturnier gegen Michael Heinrich ebenfalls gegen eine Sizilianische Eröffnung. Schließlich erreichte ich die Bretter der M2. Hier spielte am ersten Brett Thomas Vogt gegen Pius Hegel und es war eine Mittelspielstellung aus der slawischen Eröffnung hervorgegangen. Jonathan Simon wählte das Wolga-Benkö Gambit gegen Werner Klüber (Prichsenstadt). Dann bummelte ich auch zum Seniorenturnier, welches auf einer Art Empore ausgetragen wurde – erstmalig seit vielen Jahren wieder in Unterfranken und dem Einsatz des 1. Vorsitzenden von Gerolzhofen, Heinz Krahn, zu verdanken, der leider nur zwei Jahre nach dieser Meisterschaft verstorben ist. Allgemein sollte ich an dieser Stelle erwähnen, dass die Ausrichtung der gesamten Meisterschaft, welche nur 2 Jahre nach Gründung des Vereins stattfand, nur durch das große Engagement des Herrn Krahn erst möglich geworden ist.
So flossen die Stunden dahin. Jürgen Müller und seine Assistentin schritten immer mal wieder durch die Reihen. Die Spieler gebeugt über ihre Bretter. Der eigentlich tobende Kampf zwischen den Spielern erschließt sich dem Beobachter nie in dieser Tiefe und wenn, dann nur annäherungsweise und nur durch tiefe Analyse [ich glaube, ich habe das mal irgendwo gelesen, bei Jussupow eventuell]. Ich sah wie Manuel Simon in folgender Stellung zu einem etwas abenteuerlichen Manöver ansetzte.
Simon, Manuel – Heinrich, Michael
Etwas verwirrt von dem Gesehenen schritt ich schnell weiter. Ah, und hier wurden Hände geschüttelt! Die Partie Werner Klüber gegen Jonathan Simon war offenbar gerade friedlich geendet. Ich weiß noch, wie ich mich später, nach der Runde, in den Analyseraum begab [es ging eine Treppe nach unten, aber bei Gott an mehr kann ich mich nicht mehr erinnern] und dort gerade Jonathan zusammen mit Michael Pfarr seine Partie analysierte und Michael schmunzelnd meinte: „Wie, erst so einen Zug spielen [er meinte h5], und dann remis anbieten?!“.
Klüber, Werner – Simon, Jonathan
In der Tat, die Stellung schien gerade erst so richtig Fahrt aufzunehmen…
Indessen war Fritz den taktischen Fähigkeiten Timo Helms unterlegen und verlor seine Partie. Ich bummelte zur M1 und sah, dass Michael Pfarr im Mittelspiel zentrale Bauern auf e5 und d5 installieren konnte, die sich, ich hab es mitgezählt und später nachvollzogen, sage und schreibe 23 Züge lang nicht von diesen Feldern wegbewegten.
Link, Klaus – Pfarr, Michael
Die Partie mündete schließlich in einem Turmendspiel mit Bauern mehr für Klaus, aber Michael hatte seine Turmendspiele geübt und hielt souverän das Gleichgewicht. In der Partie Gabriel Seuffert gegen Udo Seidens (M1, Brett 1) war ein interessanter Moment! Seidens hatte gerade den Zug 42. …, Tf5? gespielt (es war also nach der Zeitkontrolle, siehe Diagramm). Offenbar hat Schwarz einen Bauern mehr und seine Dame ist schon ins feindliche Lager eingedrungen. Dennoch, aus dieser Stellung heraus hat Weiß einen kniffligen Zug, der ihn zumindest wieder zurück ins Spiel bringt (heutige Engine Stockfish 11 gibt 0.00). Können Sie ihn finden?
Seuffert, Gabriel – Seidens, Udo
Der rettende Zug ist 42. Sh5!!
Seuffert, Gabriel – Seidens, Udo (Variante)
Die entstehenden Varianten sind ziemlich kompliziert. Ich habe sie deshalb am Ende meiner Aufzeichnungen nochmals angehängt. Die Hauptidee besteht darin, dasss nach 42…gxh5 Weiß nach 43. Txf5, exf5 44. g6!, h6 45. g7!, Le7 den Zug 46. Dg6! hat (auch die anderen Züge waren erzwungen). Jetzt droht vernichtend 47. Dxe8+ und Schwarz muss sich mit dem Dauerschach nach 46…Df4+! zufrieden geben.
Seuffert, Gabriel – Seidens, Udo (Variante)
Und auch nach dem forcierten 42…Txf2 43. Dxf2, gxh5 44. g6, hxg6 45. Txg6+, Lg7 46. Txg7, Kxg7 47. Df6+, Kh7 48. Df7+ ist es diemal Weiß der Dauerschach gibt.
Seuffert, Gabriel – Seidens, Udo (Variante)
In der Partie folgte übrigens 42. Se2? und Weiß verlor bald.
Wie ich bereits oben angedeutet habe, begab ich mich nach Beendigung aller Partien in den Analyseraum und analysierte ein bisschen mit den Mömbriser Spielern. Der Nachmittag war dann ja spielfrei. Die Bretter waren schon für die morgige Runde vorbereitet worden. Jetzt standen die zwei anstrengsten Tage an, da jeweils eine Doppelrunde gespielt wurde. Mittags erkundete ich ein bisschen die schöne Altstadt Gerolzhofens, Abends fand noch ein Einzel-Blitzturnier statt (die unterfränkische Blitzeinzelmeisterschaft fand in diesem Jahr wieder im Rahmen des KUS im Rhön-Park Hotel statt). Die mittlerweile tradionellen Pokerrunden wurden erst später ins Leben gerufen und waren zu dieser Zeit (auch im Rahmen des KUS) noch im Aufblühen begriffen. Abends bummelte ich alleine ein bisschen durch die Altstadt, traf hier und dort den ein oder anderen Schachspieler auf der Suche nach einem Lokal. Besonders in Erinnerung blieb mir mein Zusammentreffen mit den Gebrüdern Simon aus Mömbris. Diese suchten offenbar eine Pizzaria, der Weg war ihnen vorher beschrieben worden, aber sie hatten sich hoffnungslos verirrt und glaubten in eine völlig falsche Richtung gelaufen zu sein. Ich ging schließlich selbst etwas essen und zu späterer Stunde zurück in die Pension. Da traf ich auf den Gängen erneut die Gebrüder Simon [sie hatten die Pizzaria dann doch noch gefunden] zusammen mit Michael Pfarr. Sie hatten sich in die gleiche Unterkunft wie ich eingemietet! Wir kamen ins Gespräch und es ergab sich, dass wir nochmals zusammen über die Partien vom Tag schauten, diesmal mit Hilfe der Engine. Eine Anekdote zum Schluss. Michael Pfarr hatte ja am Morgen gegen Klaus gespielt, welcher einen c3-Sizilianer spielte. Pfarr wählte daraufhin die etwas unübliche Zugfolge 1. e4, c5 2. c3, d6 3. d4, Sf6!?. Er zeigte uns hier eine lustige Variante, wenn Weiß die Herausforderng annimmt und statt 4. f3 (wie Klaus Link) 4. dxc5 spielt, in der Schwarz mit seinem Springer den Turm h1 gewinnt und sich das ganze restliche Spiel darum dreht, ob Schwarz den Springer auf h1 schlagen kann oder nicht. Michael aber sagte lachend: „Ach was solls, das kommt sowieso nicht aufs Brett!“ und klappte den Laptop zu.
PS: Ich hänge auch noch die Partie Kuhn, Norbert – Pfarr, Michael vom nächsten Tag an 😉
Anmerkungen:
Der anonyme Erzähler ist natürlich fiktiv erdacht. Jegliche Ähnlichkeit mit anderen Personen ist rein zufällig.
Anders als ich in meinem Tagebuch schreibt der Erzähler aus heutiger Sicht und erinnert sich an den Tag zurück.
Ich glaube Michael hat diese Variante seitdem nicht mehr auf dem Brett gehabt.
Werner Klüber schaffte es tatsächlich seine ersten 8 Partien alle zu remisieren, erst in Runde Nr. 9 verlor er gegen Dieter Krenz.
Ich selbst stieg ab. Florian Amtmann gewann mit 7 aus 9 souverän die M2.
Michael stieg eigentlich aus der M1 ab, aber wie im Bericht zur UEM 2009 (Obernau) bereits angedeutet, spielte er seitdem nicht mehr in der M2. Nach Gerolzhofen wurde Michael nämlich erstmal Bezirksspielleiter und war in der Folge in Schweinfurt und Würzburg als Schiedsrichter und nicht als Spieler tätig.
Kann mir jemand sagen um was für ein Gebäude es sich handelte?
Die angegeben Analysen wurden mit Stockfish 11 erstellt. Für deren Richtigkeit und die angegebenen Stellungsbewertungen übernehme ich allerdings keine Gewähr.
Kitzingen: Die 61. Unterfränkische Einzelmeisterschaft im Schach findet in diesem Jahr in unserem schönen Kitzingen statt (wir berichteten). Die Meisterschaft begann am Ostermontag in der großzügigen Florian-Geyer-Halle (in der Tat hörten wir eine Unterhaltung von Spielern, in der sie über die weiten Laufwege scherzten, die sie zum Kiebitzen zurücklegen mussten) und wurde mit feierlichen Reden eröffnet. Hier kämpfen 79 Spieler aus ganz Unterfranken noch bis Ostersamstag um die unterfränkische Schachkrone. Vorjahressieger in Aschaffenburg, Tobias Kuhn, ist auch wieder mit von der Partie.
Nach nunmehr drei Runden führen in der MI die Spieler FM Harald Golda und FM Konstantin Kunz mit jeweils 2.5 Punkten. Beide werden in Runde 4 im direkten Vergleich aufeinander treffen. In Runde 2 gewann Golda gegen den Mömbriser Michael Pfarr. In der M2 führt Klaus Link (SK Klingenberg) ungeschlagen mit 3 aus 3 und hat damit schon jetzt einen ganzen Punkt Vorsprung vor seinen Verfolgern. Noch aber ist alles offen, und noch sechs Runden zu spielen. Eine Partie kann bis zu 6 Stunden dauern. Heute wird traditionell nur eine Partie gespielt und daher sind spannendste Kämpfe zu erwarten, da sich wohl niemand mit einem schnellen Remis zufrieden geben wird. Im Hauptturnier, welches auch Aufstiegsturnier genannt wird, führt Michael Kirchner ebenfalls ungeschlagen mit 3 aus 3. Hier lauern aber gleich mehrere Verfolger mit 2.5/3, so beispielsweise Arnold Kraus, Florian Grünewald und Jonathan Simon aus Mömbris. Simon spielt in Runde Nr. 4 gegen Michael Schreck, der ihm mit seiner Eröffnung hoffentlich keinen Schrecken einjagen wird. Besonders hervorzuheben ist auch die Teilnahme von Fritz Scholz, der bald das Jubiläum seiner 50. Teilnahme wird feiern können. Soweit wir wissen, hat dies bisher noch niemand erreicht. Bereits vor einigen Jahren wurde er für seine regelmäßigen Teilnahmen vom USV mit der goldenen Ehrenplakette ausgezeichnet – die höchste zur Verfügung stehende Auszeichnung. Gestern Abend spielte Fritz gegen Marianne Hartlaub, welche durch ihre rüstige und lebensfrohe Art allen Schachspielern in Unterfranken unter ihrem Beinamen „Schachoma“ bekannt ist. Mögen beiden noch viele Spiele des königlichen Spieles gegönnt sein!
Das Turnier wird kompetent wie eh und je von Jürgen Müller als Hauptschiedsrichter geleitet. Dieser kündigte uns gegenüber schon jetzt ein weiteres schachliches Highlight an, welches heuer zum ersten Mal an Pfingsten im Rhön-Park Hotel stattfinden soll. Das erste unterfränkische Schachfestival, bei dem neben normalem Schach auch einige Schachvarianten wie Chess960 angeboten werden. Auch ein Pokerturnier soll als Rahmenprogramm stattfinden. Ein weiteres Highlight hier in Kitzingen ist auch die Anwesenheit von GM Michael Pursikin, der den Spielern nach ihren Partien zur gemeinsamen Analyse zur Verfügung steht. Es bleibt also spannend in unserem schönen Kitzingen. Werden sich die Favoriten durchsetzen, oder haben auch underdogs wie Michael Pfarr aus Mömbris, der eigentlich gar nicht mit einer Teilnahme in der M1 gerechnet hatte, eine Chance auf einen Podestplatz? Werden Klaus Link und Michael Kirchner ihre Siegesserien fortsetzen? Wird Markus Susallek gegen Uwe Hasselbacher in der M2 heute erneut mit seinem geliebten Königsgambit eröffnen (welches man bekanntlich nicht mit 2. …, d6?! ablehnen sollte)? Die Siegerehrung findet dann am kommenden Samstag statt. Auch dafür haben sich die Kitzinger natürlich etwas ganz besonderes einfallen lassen, denn diese wird vor schöner Kulisse in unserem ehrwürdigen historischen Rathaus stattfinden.
Zum Schluss noch ein paar schachliche Schmankerl, welche sich bereits im Turnier ereigneten. In der M1 spielte in der ersten Runde Thomas Steinhauser (Prichsenstadt) gegen Michael Pfarr (Mömbris). Nach 40 Zügen entstand das folgende komplizierte Bauernendspiel.
Steinhauser, Thomas – Pfarr Michael
Es wurde uns berichtet wie sich Steinhauser, nachdem Pfarr sehr lange für einen Zug überlegt hatte, sich zu ihm rüberbeugte und flüsterte: „Und hast du es durchgerechnet? Mir war das zu kompliziert“. Pfarr berechnete offenbar alles richtig, denn er gewann nach 65 Zügen.
Schauen wir uns nun ein Turmendspiel an, welches in der Begegnung Markus Susallek (Mömbris) gegen Thomas Heller (Bergtheim) in der zweiten Runde (also gestern früh) entstand.
Susallek, Markus – Heller, Thomas
In dieser Stellung hat Markus bereits zwei Mehrbauern und der Zug 51. Txg5 hätte ihm den Sieg gesichert. Zum Beispiel 51. …, Txa3 52. Tg4+, Kf5 53. Tb4 und wir haben eine theoretische Gewinnstellung mit b- und g-Bauer (für den fortgeschrittenen Turmendspiel Spieler sei angemerkt, dass in einem solchen Typ von Endspielen nur die Bauernpaare a/c bzw. f/g und a/h kritisch sind. In diesem Fall besitzt die schwächere Seite Remischancen, falls die Könige nicht zu ungünstig stehen).
Susallek, Markus – Heller, Thomas (Variante)
Markus aber spielte hier den defensiven Zug 51. Ta5?, was objektiv zu einer ausgeglichenen Stellung führt. Es folgt der einzige Zug 51. …, Ta2+, was den weißen König auf die Grundreihe zurückdrängt und nach 52. Kf1 der Zug g4! (einziger Zug) 53. Ta7, g3!
Susallek, Markus – Heller, Thomas
Plötzlich wird der weiße König vom schwarzen Turm und dem Bauern auf g3 dominiert. Der weiße König ist zudem an die Deckung des Bauern g2 gebunden. Wenn Weiß versucht mittels 54. a4 oder 54. b4 seine Bauern in Bewegung zu setzen folgt einfach das Turmschach auf a1 und wenn Weiß den g-Bauern aufgibt, ist er es, der die genauen Zügen finden muss um dieses Endspiel zu halten. Markus spielte aus der Diagrammstellung 54. Te7+ und nun muss Schwarz genau spielen, denn nur der gespielte Zug 54. …, Td3 hält Remis (54. …, Kf4?, a4! +- und der König ist von den weißen Bauern abgeschnitten). In der Folge fand Schwarz tatsächlich mehrmals einzige Züge und es entstand nach 66 Zügen die folgende Stellung.
Susallek, Markus – Heller, Thomas
Weiß hat immer noch einen Bauern mehr, aber Schwarz hat seinen Bauern auf g3 behalten, der offenbar den weißen König immer noch einschränkt. Tatsächlich ist es aber wieder Schwarz der genau spielen muss. Das Key-Element in dieser Stellung ist die schwache weiße Grundreihe. Remis halten daher Züge wie 66. …, Tc5/Ta5 oder 66. …, Kd2/d4 in Verbindung mit …, Tc5/a5 nach 67. Tf1. In der Partie geschah aber 66. …, Tb5? Ein lehrreicher Moment. Schwarz will den Bauern auf b3 abholen, aber dieser war im Moment überhaupt nicht wichtig! Er beraubt sich gleichzeitig der Möglichkeit ein verheerendes Schach auf der Grundreihe zu geben. Nach 66. …, Tb5? gewann der einzige Zug 67. Tf1! (schneidet den König weiterhin ab und droht auf lange Sicht den Bauern g3 zu gewinnen und …, Txb3?? verbietet sich natürlich wegen Tf3+). Es wurden ein paar weitere Züge gespielt.
Susallek, Markus – Heller, Thomas
Auch diese Stellung ist ein relativ einfacher theoretischer Gewinn für Weiß. Er spielt seinen Turm auf h8 und schneidet dann mit Th8-f8 den schwarzen König ab, dann wandert er langsam mit Bauer und König nach vorne mit Übergang in die Lucena Stellung. Markus allerdings spielte hier 73. g3??, was ihn nach 73. …, Kf2 in eine Zugzwang-Situation brachte. Er verlor den Bauern g3 und dann war es natürlich Remis.
Der Kitzinger Schachbote wünscht weiterhin allen Spielern gut Holz und spannende Partien!!
Wir werden dann morgen wieder über die Partien des heutigen Spieltags berichten.
Anmerkungen:
Der Kitzinger Schachbote ist natürlich eine fiktive Zeitung in Ahnlehnung an das Aschaffenburger Schachblatt, welches auch schon für diese Homepage erdacht wurde.
Michael Pfarr gelang bei dieser Unterfränkischen tatsächlich die Sensation und er erreichte am Ende den dritten Platz in der M1.
Klaus Link setzte seine Siegesserie noch bis zur fünften Runde fort, verlor keine einzige Partie und gewann die M2 mit 1.5 Punkten Vorsprung.
Am nächsten Morgen begann die Partie Markus Susallek gegen Uwe Haßelbacher tatsächlich mit den Zügen 1. e4, e5 2. f4, d6?!. Markus verlor diese Partie denkwürdig unglücklich. Sein Gegner ließ die Partie dann von GM Pursikin analysieren und dieser meinte nur: Normalerweise gibt es im Schach ja kein Glück, aber in dieser Partie hast du wirklich Glück gehabt. Haßelbacher erreichte nach Klaus Link aber am Ende den zweiten Platz!
Wer sich dafür interessiert wie man Turmendspiele mit f und h Bauern remis hält, den verweise ich auf den 8. Teil Contenance unserer letztjährigen Endspielserie.
Fritz († 2019) und Marianne († 2018) spielten danach tatsächlich noch öfters Partien miteinander, z. B. bei den unterfränkischen Schachfestivals, die in der Folge regelmäßig an Pfingsten stattfanden.
Text und Diagramme: Jonathan Simon
Für die Richtigkeit der gezeigten Analysen und Stellungseinschätzungen übernehme ich keine Gewähr. Sie wurden aber mit Stockfish 11 erstellt.
Heute nun war es endlich so weit. Die erste Runde der Unterfränkischen Meisterschaft im Schach fand heute in Aschaff Obernau statt. Nachdem ich bisher nur bei den Jugendmeisterschaften in Hobbach mitgespielt habe, war es natürlich schon ein bisschen etwas anderes bei den ganzen Erwachsenen mitzuspielen und die Aufregung natürlich entsprechend groß. Michael Stadtmüller fuhr Marius, Florian und mich nach Obernau (er spielte auch selbst mit!). Das Turnier findet in einer großen Halle statt, welche unmittelbar an einem Waldstück gelegen ist. Als wir ankamen (es war herrliches Frühlingswetter), mussten wir uns zunächst nochmal anmelden. Aus den Lautsprechern klang gewöhnungsbedürftige Volksmusik. Danach wurden kurze Reden gehalten und man monierte den Teilnehmerrückgang im Vergleich zu früheren Unterfränkischen (es sind 77 Teilnehmer). Margareta Walther (die 1. Vorsitzende des USV), erwähnte, dass man wieder über 100 Teilnehmer anstrebe.
Auch Michael Pfarr war dabei, der mir einige Spieler und die Organisatoren inklusive Schiedsrichter Jürgen Müller vorstellte. Es gibt dort drei verschiedene Spielklassen: Die Meisterklasse 1 (Michael P. führte mich an den Brettern vorbei und meinte nur, dass er da gar nicht spielen will denn die wissen schon wie die Figuren ziehen), die Meisterklasse 2 (in der Michael P. und Markus Susallek spielten) und das Hauptturnier (was anscheinend auch Aufstiegsturnier genannt wird). Das Hauptturnier ist nochmals unterteilt in eine A- und eine B-Gruppe. Ich selbst spiele in der A-Gruppe (zusammen mit Arnold Kraus und Thomas Schnetter). In der B-Gruppe spielen die meisten Mömbriser! Michael Stadtmüller, Frank Freund, Fritz Scholz, Marius Böhl und Florian Grünewald. Aber wahrscheinlich ist es besser so, denn dann muss ich nicht gegen so viele aus dem eigenen Verein spielen.
Dann begann auch schon die erste Runde! Ich spielte am letzten Brett und mein Gegner hieß Michael Schreck und einen Schrecken jagte er mir mit seinem ersten Zug 1. c4 zum Glück nicht ein. Nach 9 Zügen enstand die folgende Stellung:
Schreck, Michael – Simon, Jonathan
Hier spielte ich den Zug 9. …, Sc7 und später in der Analyse kritisierte Michael Pfarr diesen Zug und meinte, dass der Springer da ein bisschen komisch stehen würde. Ich war aber sehr stolz als ich diesen Zug machte, da ich letztens im Watson erst eine Partie gesehen habe, in der die Springer auf c6 und c7 standen. Mir gelang es schließlich den Bauern c5 zu mobilisieren und mein Gegner musste einen Turm geben, um ihn aufzuhalten. Danach gab er auf! Ein guter Start, denn ich bin an 20 von 21 gesetzt.
Michael Pfarr spielte gegen Peter Marx und machte schon nach 12 Zügen remis… Michael Stadtmüller und Fritz trafen schon gleich in der ersten Runde aufeinander und es ging, wer hätte es gedacht, ebenfalls remis aus. Arnold Kraus konnte seine Partie auch gewinnen. Florian Grünewald verlor gegen den Jugendspieler Johannes Helgert aus Würzburg, aber Marius schaffte ein Remis. Florian spielte die Drachenvariante im Sizilianer (die muss ich auch mal spielen) und erreichte einen ziemlich guten Angriff, doch nachdem er die Damen tauschte verflachte alles ein bisschen.
Helgert, Johannes – Grünewald, Florian
In dieser Stellung tauschte Florian die Damen. Wahrscheinlich hatte er Angst, dass nach …, Dc7 der Einschlag Lxf7+ kommt und er dann einen Bauern verliert. Wie mir die Engine aber zeigt, war diese Sorge unbegründet gewesen und zu materialistisch gedacht. Nach …, Dc7 hat Schwarz einen gewinnbringenden Angriff.
Frank hatte auch eine ziemlich taktische Partie und es sah so aus, als wäre sein Königsflügel ziemlich unter Druck geraten.
Feichnter, Esther Fee – Freund, Frank
Seine Gegnerin hatte gerade 15. Lh6 gespielt und die Konstellation am Königsflügel sieht ziemlich gefährlich aus für Frank. Er schlug aber mutig einfach zu und nach …, gxh6 16. Dxh6, f6 war soweit alles sicher und er gewann wenig später.
Abends fuhr uns dann Michael wieder nach Hause, aber morgen geht es ja schon weiter! Ich spiele dann mit Weiß gegen Jürgen Liebler. Mal schauen ob mir vielleicht der Trick mit Db3 gelingt, wenn er zu früh …, Lf5 spielt?!
Das Wetter soll übrigens sehr warm werden für April. Vielleicht können wir sogar schon in T-Shirts spielen, aber es könnte auch noch Gewitter geben diese Woche. Und wer weiß vielleicht gelingt mir sogar der Aufstieg in die M2? Ich werde die Ereignisse auf jeden Fall hier in meinem Schachtagebuch festhalten!
Anmerkungen
Dies ist der Auftakt zu einer Serie von Berichten, die diese Osterwoche veröffentlicht werden.
Ostern 2020 fällt genau auf die gleichen Tage wie Ostern 2009. Die geschilderten Ereignisse sind also exakt 11 Jahre her.
Der Zug 11. …, Sc7, den Jonathan damals spielte ist laut Stockfish 11 sogar mit der beste Zug!
Die Partie Jonathan Simon – Jürgen Liebler vom 14.04.2009 nahm den Verlauf 1. d4 Nf6 (1… d5 2. c4 c6 3. Nc3 Nf6 4. e3 Bf5?! 5. cxd5 cxd5 6. Qb3 ist der übliche Weg diese Stellung zu erreichen) 2. c4 c6 3. Nc3 d5 4. e3 Bf5?! 5. cxd5 cxd5 6. Qb3! und Schwarz steht unter Druck, da 7… Qd7 die Dame auf ein ungünstiges Feld stellt. Dennoch, die Partie ging nach 18 Zügen remis aus.
Michael Pfarr spielte nach dieser Unterfränkischen immer in der M1 (wenn er denn spielte bzw. kein Schiedsrichter war), obwohl er in Obernau mit dem sechsten Platz nicht offiziell aufgestiegen war.
Der Aufstieg in die M2 gelang mir erst ein Jahr später.
Das Ziel der 100 Teilnehmer wurde leider bis heute nicht erreicht. 2012 waren wir in Schweinfurt mit 91 Teilnehmer noch am nähesten dran.
Ich kann mich noch erinnern, dass es Donnerstags ein ziemlich heftiges Gewitter gab. Es war aber teilweise so warm, dass wir Mittags im T-Shirt auf der Treppe zwischen Parkplatz und Spielhalle gesessen haben.
„Das Turnier findet in einer großen Halle statt, welche unmittelbar an einem Waldstück gelegen ist“: Diese Ausdrucksweise verwendet auch Willy Lohmann 10 Jahre später in seinem Brief an seine Frau Linda, als der die UEM 2019 in Obernau besuchte (siehe: Das Spiel von Königen und Königinnen, Teil 4: Briefe eines Handlungsreisenden).
Wer mehr aus dem Schachtagebuch von Jonathan Simon lesen möchte, den verweise ich auf den Bericht zur UEM in Stetten 2015. Hier wurde die komplette Meisterschaft behandelt (und es war mein allererster Bericht, auf unserer Homepage).
Bereit für einen neuen Bericht voller Erlebnisse, Erinnerungen, Anekdoten und Analysen? Ja?! Das ist gut. Schon geht’s los.
Noch eines vorab: Dies ist ein seeehr ausführlicher Bericht in sechs Teilen. Jeder Teil kann für sich genommen auch einzeln gelesen werden, jedoch sei der Leser jetzt schon darauf hingewiesen, dass jeder Teil Andeutungen und Anspielungen auf die anderen Teile, auf Erlebnisse während des Turniers, aber auch auf andere von mir verfasste Berichte, enthält. Hier ist ein waches Auge für das Detail gefragt. Das Besondere an diesem Bericht ist allerdings, dass jeder Teilbericht in einem eigenen sprachlichen Stil verfasst ist. Nehmt euch ein bisschen Zeit und taucht ein in die faszinierende Welt der 64 schwarzen und weißen Felder.
Teil 1: A Game of (Chess-)Thrones
Ausgabe 04/2019
Aschaffenburger Schachblatt
Aschaffenburg – 07.04.2019: Den Kampf um den unterfränkischen Schachthron entschied dieses Jahr der SC Obernau mit 17:1 Mannschaftspunkten souverän für sich. Den einen Punkt haben sie gegen die Mannschaft aus Schweinheim abgegeben. Damit haben sich die Ausrichter der diesjährigen UEM quasi schon vorab friedlich getrennt. Der SC Mömbris lieferte den Obernauern in der dritten Runde am 11.11.2018 einen harten Kampf, in dem sie am Ende mit 3.5 – 4.5 unterlegen waren (zugegeben: Die Sache hätte noch deutlicher für Obernau ausgehen können). Ansonsten Stand das Team der Mömbriser mit bis dato 12:4 Mannschaftspunkten relativ sicher auf Platz zwei. Dauerkonkurrent Mainaschaff folgte dicht auf Platz 3.
So war die Meisterschaft vor dem letzten Spieltag am 07.04.2019 für Obernau quasi schon entschieden. Die Obernauer hatten schon vor der letzten Runde nichts mehr zu verlieren, und gewannen nochmals 5-3 gegen Kitzingen II. Der SC Mömbris musste zu Hause nochmal gegen Versbach antreten und gewann auch ohne Probleme mit 6:2.
Hervorzuheben sind auch die besten Spieler der Saison, und tatsächlich stammt der beste Spieler Unterfrankens aus Mömbris! Es ist niemand geringerer als Markus Susallek (wir berichteten), der mit 7.5 aus 9 noch vor Manuela Gerlach-Büdinger (SC Obernau) mit 6.5 aus 8 und Thomas Steinhauser (der Blitzmeister Unterfrankens – wir werden berichtet haben) landete.
Nun zurück zum Mannschaftskampf Mömbris – Versbach. Das war insgesamt ein etwas seltsamer Spieltag, weil bei ungefähr 5 von 8 Partien war die Bewertung nach 10-15 Zügen schon bei +/- 4 (laut dem alten Stockfish). So zum Beispiel an Brett Nr. 2 in der Begegnung Jonathan Simon gegen Sascha Ruslan Schejngeit.
J. Simon – S. R. Schejngeit
Nachdem nach 12. Sfg4! ein Springer – mächtig wie ein geflügelter Pegasus – auf dem Feld g4 gelandet war, sah sich Simon plötzlich einer ganzen Menge unangenehmer Drohungen gegenüber. Vor allem der Bauer f2 ist sehr schwach, außerdem steht der Springer auf d4 sehr ungünstig. Dieser verflixte zwölfte Zug. Der beste Zug wäre nun wahrscheinlich noch 13. Te2!?, aber natürlich ist dann bei Weiß schon ganz schön was schief gelaufen. In der Partie folgte stattdessen 13. Lf4?, was nach 13. …, Sxf2 sofort verlor. Nach 14. Kxf2, Sg4+ 15. Kf3 (denn der Lf4 hängt ja jetzt), Lxf4 16. Kxf4, Dh4 hatte sich der weiße Monarch zu weit an die frische Luft gewagt, kehrte nach seinem Ausflug nicht mehr sicher nach Hause zurück und krepierte alsbald.
J. Simon – S. R. Schejngeit
Marius Böhl indessen remisierte glücklich, nachdem sein Gegner Peter Marx zu viel Angst vor Marius‘ Freibauer hatte. Doch Schach ist ein konkretes Spiel und die Zeit, die gebraucht wurde um den Bauern zu neutralisieren, konnte Marius für eine Remisabwicklung nutzen. Man siehe:
P. Marx – M. Böhl
Es folgte 48. Kc4?, Sf3 49. Kxb4, Sxe5 50. h5, Sg4 mit leichtem Remis. Stattdessen hätte 48. hxg5 einfach gewonnen, denn 48. …, b3 scheitert an 49. f6, b2 und nun einfach 50. Lh7. Der Springer hätte also einfach geschlagen werden können! Was für eine Mähre!
P. Marx – M. Böhl (Variante)
Auch in der Partie Tobias Geiger gegen Markus Susallek entschied ein Patzer die Partie. Auch hier ist ein altes Ross, ein Pegasusspringer gar, auf dem Feld g4 gelandet, und die Dame schielte auch schon heimlich nach h2…
T. Geiger – M. Susallek
Allesdings ist hier die Stellung noch völlig i.O. für Weiß. Er kann z. B. 13. Kh1 (räumt das Feld g1 für den Läufer) spielen mit dynamischen Ausgleich. Geiger griff jedoch fehl und spielte 13. Tf3??, was erstaunlicherweise sofort verlor.
T. Geiger – M. Susallek
Probieren Sie sich gerne selbst an dieser schönen Taktikaufgabe.
Lösung:
Schwarz spielte 13. …, d5! mit der Doppeldrohung …, Dxh2 sowie das versteckte …, e5 nebst …, d4 und Gabel.
T. Geiger – M. Susallek
Teil 2: Die Verwandlung des Boris K.
Als Boris K. eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Schachspieler verwandelt. Als er die Augen nochmals schloss sah er immer noch Damen, Könige und Bauern vor seinen Lidern kreisen und ihm war als hätte ihm gerade geträumt wie ein einsamer König sich freiwillig in die Gefangenschaft einer fremdländischen Dame begab, worauf sich seine Königin – seltsamerweise verklärt lächelnd und ohne zu zögern – dem Märtyrertod hingab, dabei dem Feinde noch einmal ganz nahe trat, um ihm, bevor sie selig entschlief, noch einen letzten Abschiedskusse zuzuhauchen. „Was ist mit mir geschehen?“, dachte er. Über dem Tisch, auf dem ein aufgeschlagenes Buch mit dem Titel Die Sokolski Eröffnung – der beste erste Zug, die Aprilausgabe des Aschaffenburger Schachblatts und eine Hotelrechnung für eine Nacht in Bangkok lag, hing ein Bild, welches ein riesiges gläsernes Gebäude mit der Aufschrift BW Best Western Plus zeigte. Boris K. runzelte verwundert die Stirn, denn er konnte sich nicht erinnern, dieses Bild schon einmal gesehen zu haben, geschweige denn hier, in seinem Schlafzimmer. Er trat vorsichtig näher und erblicke nach einigem Suchen schließlich am Bildrand in geschwungener feiner Schrift die Bemerkung: Am Kavalleriesand 6, 64295 Darmstadt. Dies alles mutete ihm so seltsam an, dass ein so starkes Gefühl von ihm Besitz ergriff und der Wunsch dieser Sache jetzt sofort auf den Grund zu gehen so unabwendbar wurde, wie der Märtyrertod der Dame in seinem Traum.
Boris fuhr mit seinem Automobil nach Darmstadt an besagte Adresse, fand erst in einem überteuerten Parkhaus einen Parkplatz, und begab sich sodann zu jenem Gebäude. Es war tatsächlich das gleiche Gebäude wie auf dem Bild in seinem Zimmer. Die Innenräumlichkeiten waren nobel gestaltet, der Boden mit roten und blauen Teppichen ausgelegt, über eine Treppe kam er in einen Korridor mit mehreren Türen an den Seiten. Boris zögerte nicht mehr länger und stieß, schon von einer Vorahnung ergriffen, die Tür mit der Aufschrift B-Turnier, DWZ 1900 – 2100, auf.
Er kam in einen großen Saal, in dem zahlreiche Tische in langen Reihen aneinander gestellt waren. An den Tischen saßen sich jeweils zwei Menschen gegenüber, zwischen sich ein Schachbrett mit Figuren. Boris hatte seit Jahren nicht mehr Schach gespielt, dennoch fand er sich plötzlich mit einem intuitiven Verständnis für das Spiel gesegnet. Er bemerkte, dass jedes Brett mit einer Nummer versehen war. Ganz rechts in der ersten Reihe befand sich das Brett Nr. 8, dem er sich näherte. Die Stille hing über dem Saal. Der rote Teppich schluckte alle Geräusche. Boris las auf den Namenschildern bei Brett Nr. 8 Weiß: Jonathan Simon, Elo: 1965, Verein: SC 1928 Mömbris – Schwarz: Martin Kaster, Elo: 2083, Verein: SK Altenkirchen. Nur noch wenige Steine waren auf dem Brett zwischen den beiden zu sehen.
Simon, J. – Kaster, M.
Durch die Verwandlung in einen Schachspieler sah Boris K. auf einen Blick, dass diese Position für Simon leicht gewonnen war. Er müsste nur dem Turmschach nach h6 ausweichen und drohen den Bauern zu verwandeln. Nach einem weiteren Turmschach von h4 könne er mit Te5-h5 intervenieren und der Bauer wäre nicht mehr zu stoppen. Boris wollte sich gerade abwenden, als er noch aus den Augenwinkeln sah, wie Simon seinen König ergriff, einen Zug machte und dann die Schachuhr drückte. Er stockte. Dann drehte er sich um. Simon hatte den König auf das Feld f5 gezogen! Dieser blinzelte und starrte verdutzt auf das Brett vor ihm, ohne den Zug zu notieren. Der Gegner starrte verdutzt auf das Brett vor ihm, ohne den Zug zu notieren. Boris K. starrte verdutzt auf das Brett vor ihm, ohne irgendetwas zu verstehen. Die Sekunden zogen sich hin. Kaster warf Simon einen ungläubigen Blick zu und zog dann seinen Turm auf das Feld g5. Schachmatt.
Verwirrt von dem eben gesehenen zog sich Boris K. zurück, beschloss aber über den Verlauf des drei Tage andauernden Qualifikationsturniers hier zu bleiben und mietete sich ein Zimmer im angeschlossenen Hotel. Zu späterer Stunde, alle Spiele waren schon lange vorbei, begab sich Boris in die Hotelbar auf einen letzten Umtrunk. Er setzte sich an die Bar und bestellte ein Bier. „Ich empfehle dir ja“, sagte gerade der neben ihm Sitzende zu einem Dritten, „das Morra Gambit zu spielen. Da bekommst du, für nur einen Bauern weniger, einen Haufen offene Linien, Angriff und dein Gegner muss immer auf Opfer auf dem Feld e6 oder f7 achten. Letztens erst konnte ich mit einem Läuferopfer auf e6 eine schöne Partie gewinnen“. „Ach, ich weiß nicht“, sagte sein Gegenüber: „Und wenn er den Bauern mit Geduld über fünf Stunden hinweg verteidigt? Dann habe ich im Endspiel einfach einen Bauern weniger“. „Ach was, davor ist er schon längst matt“. Überall Schachspieler, dachte sich Boris K. und konnte die Verwandlung immer noch nicht begreifen. Vielleicht ist morgen ja alles wieder ganz normal, und ich wache in meinem Bett zu Hause auf und bin wieder Bankangestellter in der Revisionsabteilung wie schon seit fast 15 Jahren. Vielleicht war ja alles nur ein Traum, dachte er sich, während sich sein Bier vor ihm langsam leerte.
Am nächsten Morgen, musste Boris K. allerdings feststellen, dass sich nichts geändert hatte. Immer noch war er ein Schachspieler. Also ging er wieder, wie schon am gestrigen Tage in den Turniersaal des B-Turniers und hielt sogleich nach dem Spieler Ausschau, der sich gestern hatte einzügig matt setzen lassen. Er erblickte ihn nun an einem Brett viel weiter hinten als gestern und näherte sich ihm gespannt und mit zusammengepressten Lippen. Diesmal waren erst ein paar Züge gespielt und noch alle Figuren auf dem Brett, während Weiß eine Art Linkspyramide errichtet hatte. Simon war Weiß und sein Gegner war gerade am Zuge. Boris K. ließ seinen Blick schweifen. Und stutzte. War das möglich? Auch am Nebenbrette war Schwarz am Zuge und die Stellung der Figuren war exakt die Gleiche!
Simon, J. – Motzer, H
Behringer, D. – Euler, S.
Alle vier Spieler grinsten und lachten. Die Schwarzspieler überlegten. Die Weißspieler saßen mit verschränkten Armen vor ihren Positionen. „Das ist doch nicht normal“, dachte sich Boris K. einmal mehr. Während sich die Spieler Behringer und Euler aber alsbald quasi vorab friedlich trennten, dauerte die linke Partie noch vielen Stunden an und endete diesmal in einem Sieg Simons.
Nachdem er in einem italienischen Restaurant zu Mittag gegessen hatte, begab er sich auf sich sein Zimmer, wollte sich nur kurz hinlegen, und wachte erst fünf Stunden später wieder auf. Oh je, dachte er sich, wahrscheinlich habe ich jetzt alle Spiele verschlafen. Er raffte sich auf und eilte erneut in den B-Saal. Tatsächlich: Überall standen die Figuren sauber aufgereiht und nur ein/zwei verstreute Seelen waren noch anwesend. Vielleicht gibt es ja noch mehr Räume, dachte sich Boris und ging die Treppe nach unten und einen Korridor entlang. In der Tat fand er bald eine Tür mit der Aufschrift C-Turnier. DWZ 1700 – 1900 und betrat den Raum. Er sah auf den ersten Blick, dass sich eine Art Traube von Menschen um ein Brett gebildet hatte. Ein aufgeregtes Geflüster und Getuschel ging von dieser Menschentraube aus. „Contenance meine Herren, Contenance!“, rief ein bärtiger Herr mit Zylinder. Boris K. näherte sich vorsichtig der Traube. Schließlich konnte er einen Blick auf die Stellung und auf die Namenschilder erhaschen. Mit Weiß spielte Michael Scholz vom SC Mömbris, die schwarzen Steine führte Fin Meinschien, ein junger Bursche von noch keinen 15 Jahren.
Scholz, M. – Meinschien, F.
Boris K. sah, dass Schwarz am Zuge war und vor der Frage stand wie der Bauer zurückzunehmen war. Er könnte entweder 70. …, exf5 oder zunächst 70. …, Tf4+ und dann 71. …, Txf5 spielen. Er entschied sich relativ schnell für ersteres und gewann nach einer wahren Seeschlange von fast 100 Zügen in halbüberzeugender Manier. Niemand der Anwesenden glaubte an weiße Remischancen. Nach dem Ende dieser letzten Partie, nachdem vor den Fenstern schon lange der Vorhang der Nacht gefallen war, nachdem die Partieformulare unterzeichnet, ausgetauscht und abgegeben gewesen waren, nachdem die Helfer alle leeren Flaschen und Gläser eingesammelt hatten und nachdem fast schon alle Anwesenden bis auf Boris K. und dem bärtigen Mann mit dem Zylinder gegangen waren, starrte jener immer noch verwundert auf das Brett und den gefallenen weißen König, den der Weißspieler zum Zeichen seiner Aufgabe umgestoßen hatte und brummte nach einiger Zeit plötzlich in die Stille hinein: „Sehen Sie nur mal an, er ist krepiert; da liegt er, ganz und gar krepiert!“.
Teil 3: Die Raubzüge des Eppelein von Gailingen
Ai, ai ihr Leut kommet. Los kommet! Auf geht’s. Auf du lahme Mähr. Auf! Galopp! Galopp! Gut so, reit‘ als denne schlammiche Wege nach.
Ach ihr Leut, was sind’s noch Zeiten gewese. Vor denne Kreuzzüge. Wie’s Rittergeschlecht der Geylinge noch geblühet hat. Mit eigener Burg mit hohe Grundmauern un Fräuleins un Dienstleut un Felder mit Weize un Raps un achhh der gute alte Weinkeller. Selig der Saft der Trauben! Un nu? Raub un Diebstahl, jawohl. So ist’s g’kommen. Un Fehden über Fehden. Mit denne Nürnbercher Stadtleut un Patrizier. Aber gezeigt hab ich’s denne, jawohl. Selbst heut noch muss ich noch dran denke wie ich mir damals mit Klugheit un mit List ein Kuss von der schöne Agnes Tetzel auf ihr’m eigene Hochzeitsfest gestohle hab. Hehe, da ham’s geschaut die hohen Herren allesamt. Zur Braut nehme wollt ich sie, die hübsche Agnes, aber nein natürlich keine passende Partie für’n Raubritter wie mich sie gewese iss. Aber ich hab’s gleich schon angedroht denne Edelleut un Patritzier un reiche Kaufsleut. Mein Brautkuss hol‘ ich mir doch! Un so hab ich’s auch gemacht. Auf ihrm eigene Hochzeitsfest! Hehe! Langweilig isses net, des Lebe als Raubritter. Galopp!
Aber sehet, seht! Da vorne schon die Stadtmauern von Erlangen aufragen tun. Los tapferes Rösslein. G’schwind! Trag dein Reiter zum Turniere. Ja die nächsten drei Tage mal wieder das schöne Turniere zu Erlangen wird ausgetragen. Von überall her, aus dem ganzen Frankenland, dann wieder strömen die Rittersleut un anneres Gesindl in die Stadt um zu Spiele das Spiel von Königin un Königinnen um zu mehren ihrer Heimatdörfer Ruhm un Ehr. Ach die Burg der Geylinge. Nichts ist mehr gebliebe von. Keine Heimat mehr. Drum ich als freier Ritter am Turniere spiele. Vielleicht iss Caissa mir ja hold un ein paar Gulden Preisgeld für meine Lederbörse springen heraus? Hehehe, mal wieder ehrlich Geld verdient. Das wär was ihr Leut! Ich erinner‘ mich noch ganz genau wie ich früher als Bub gereiset bin mit Vater, dem Sir Konrad, in alle Herren Länder un überall hin im Reiche. Nach Norden, Süden, Westen, Osten. Einmal, es war wohl im Jahre 1338 des Herrn, da sind wir gereiset nach Erfurte hin zum großen Rittersturniere, was immer zwischen Christi Geburt un der Jahreswende stattfand. Ich wart kaum achtzehn geworde un erst ein paar Monate zum Ritter geschlage ja. Das waren selige Zeiten in Erfurte! Rittersleut un Knappen aus dem ganze weite Reich, Marktstände mit heißen Gewürzweine un Kesselgulasch un Dudelsäck un Marktleut un Wirtsstuben mit Schwarzbier un zünftige Rittersspeis un Metzgers- un Bäckerssachen un Feuersstellen mit Rauch, der einem in den Augen beissen tat, . Ach, was war’ns Zeiten!
„Halt! Wer möchte passieren die Stadtmauern zu Erlangen?“, ruft mich ein Wachmann an, als ich endlich die Stadt erreichet hab. „Der Eppelein von Gailingen, Sohn des Sir Konrad aus dem Geschlecht der ehrenwerte Geylinge“, rief ich’s ihm zur Antwort. Da gluckst er über’s Wort „ehrenwert“, winket mich dann aber hindurch un noch im vorbeireiten höre ich ihn lachen. Ich reite mit meinem Rosse durch die Straßen, so viele annere Rösser war’n auf einmal vor mir, dass es gar kein Vorankommen auf denne Strassen gab. Na sowas ihr Leut! In Zukunft möge man es Stauung in den Gassen nennen. Da reite ich g’schwind durch schmale Nebengassen, un komme schließlich an am Turnierhause. Ich weiß noch von frühere Turniere, die ich schon gespielt habe an diesem Orte, dass eine Wirtsstube direkt angeschlossen ist, an den Turniersaale. Da, hört ihr schon mein Magen knurren?! Ich glaub ich ess‘ gleich mal ein paar gebackene Kartoffelschnitzen un dazu vielleicht ein paar Trauben. Das ist nämlich meine Leibspeise, ihr Leut!
Ach, nach diesem guten Mahle un Trunk geht es nu heran an die hölzerne Bretter mit denne 64 Felder un allerhand Offiziere. Seht’s es Losglück iss mir hold, darf ich doch die weissen Steine führen. Mein Gegner ist der ehrwürdige Richard Wörl un ich muss an mein lahme Gaul denke un eröffne mit 1. Ross auf f3. Nach 1. …, Bauer hinvor auf d5 erricht ich so eine Art Linkspyramide.
Eppelein von Gailingen – Wörl, Richard
Doch nu, was machet der Ritter dort? Oh weh seine Rösser kommen mir immer näher. Autschs. Ohweiha. Da springt’s sein Ross nach g4 un drohet zusammen mit seinem Bischoff auf c5 meinen armen Bauersmann auf f2 hinfortzunehmen. Wie ein geflügelter Pegasus es da gelandet is‘, schaut’s euch an!
Eppelein von Gailingen – Wörl, Richard
Na dann müsset das Rosse vom Bischoff geschlagen werden un dann mit dem Turme das Felde f2 gedecket werden. Ach, un nu tauschen sich die Türme auf der Linie. Schon ist’s Endspiel erreichtet. Doch oh weh die Zeit verstreichet so schnelle. Ach, was waren’s früher noch Zeiten, in meiner Jugend, mehr als zwei Stunde Zeit für 40 Züge. Reichlich war’s g’wese. Da konnt man’s überlegen sich was zu ziehen wart. Aber heut! Nein nein, für meine gichtigen Finger iss‘ zu schnell. Oh nein! Nu ist’s passiert! Ich seh’s sofort, wie ich meinen König loslasse, dass jetzt die Königin sich opfern könne, wonach, bei Annahme des Opfers, sein Rosse geschwind würde das Felde der Königin besetzen un dabei Schache zu geben dem König un aufzugabeln meine eig’ne Königin.
Eppelein von Gailingen – Sir Richard
Jetzt hab ich verlorn den Bauern un im Rossendspiel mit Bauern weniger…, es iss‘ fast so schlimms wie’s Bauernendspiel. Jetzt geht’s leicht verlorn. Draussen schon der Vorhang der Nacht gefallen iss‘. Geschwind mein Ross gesattelt un auf durch die Nacht zu meiner Wirtsstube. Durch die Gassen von Erlangen, g’schwind! Auf! Galopp! Galopp! Herrje, wo lang des Weges nu? Am Tage mit Lichte war’s einfach, aber nu? Nur ’s Nachtgestirne die Gassen müde erhellet. Ich habe mich verritten… Ah, da kommt ne Pferdedroschke angefahrn. „Halt, halt!“ „Wo geht’s lang des Weges nach Veitsbronn?“. „Ah, verstehe, bis zur großen Gabelung un dann links des Weges?! Nu gut. Ich danke euch, edler Herr“.
Ah nu endlich angekommen in meiner Wirtsstube. Mein Schlafe wird selig sein… Gähn…
BIM BAM BIM BAM BIM BAM BIM BAM BIM BAM
„Ahhh, was? Wo? Wie?“ BIM BAM BIM BAM „Apokalypse! Weltuntergang! Mir platzen die Ohren!“ BIM BAM BIM BAM „Herrje!“, „Was ist mit mir geschehen?“ BIM BAM BIM BAM „iss nur ’s Glockengeläut. Aber mein Gott. Mitten in der Nacht! ’s Nachtgestirn scheint noch vom Himmel. Treibt’s mich noch in Wahnsinn des Geläut.“ BIM BAM BIM BAM „Ich schwör’s euch, wenn ich jetzt en feuerspeienden Drache hätt‘, ganze Städte würd ich in Schutt un Asche legen“ Endlich iss‘ Ruh. An Schlafe brauche ich jetzt nicht mehr zu denken.
Un nu auf, du alter Gaul! Tageslicht unsere Wege erhellet. G’schwind zurück zur Stadt, zum Turnieresaale, ans Brette. Heute mit den schwarzen Figuren. Ein alter Rittersmann mir gegenüber sitzet. Ah seht, schon zöget er den Königsbauern hinvor auf das Felde e4 un ich erwid’r mit dem Sizialianische Eröffnungszuge Bauer auf c5. Un eh ich mich’s versah da spielt der sein Bauern auf’s d4 Felde. Ein Morragambit! Ohne zu zögern, ich schlag ihn raus. Schon ein Bauern mehr, ihr Leut un ich werd‘ ihn garantiert mit Geduld über fünf Stund‘ hinweg verteidigen, hehe. Ah un nu er versuchtet mit Bauer e5 Vorteil zu erlangen. Den muss ich nehmen! Un die Offiziere tauschen sich, un immer noch hab ich einen Bauern mehr. Auf bis ins Endspiel! Auf! Un nu mein Turme gelangt auf die zweite Reihe, zu machen dem armen Monarchen das Leben schwer, sehet:
Reichel, Rolf – Eppelein von Gailingen
Doch nu, was zieht er da?? Was soll das? Bischoff schlägt meinen Bauern auf e6!? Meint er das ernst? Wie geschieht mir jetzt? Oh wehh…. Klamm’r mich an Cassias Gnade.
Reichel, Rolf – Eppelein von Gailingen
Nu, nu, was bleibet mir’s anners übrig als zu schlagen den Schuft von Bischoff?? Sein‘ Königin schläget un ich weiche nach g7 un, oh wehh, dann schläget er mit seinem Turme auch noch mein Rösslein auf c6. Einen Turme mehr ich jetzt habe, aber mir dünkt er hat’s Remis.
Reichel, Rolf – Eppelein von Gailingen
Hier nu könnt er mit Königin auf e7 un Schache dem König un im nächsten Zuge Turme auf das Felde e5 un die Balance halten. Aber nein, sehet, schon zöget er erst seinen Turme auf e5. Nu aber kann ich mit Königin zurück auf c7 alles absichern un mir gewinnt’s leicht mit Mehrturm. Da war mir Caissa nochmal hold g’wese, ihr Leut!
Am Mittag nu, alle Bäckersstuben schon geschlossen sind. Da kehr ich ein, noch einmal mehr, in’s angeschlossene Wirtshaus un ess‘ ne runde gebackene Teigscheibe mit allerlei Belag obendrauf. Mhh, mundt’s prächtig! Danach wird’s Zeit mein altes Ross zu satteln. Paar Münzen sprangen nich heraus… Was für ein brotloses Handwerk! Zu nichts gebracht hab ich’s in meinem Lebe… Aber der Eppelein, der weiß’s schon wie ’s Lebe gehet un wie er’s am Lebe bleibet. Hehehe! Un nu auf du lahme Mähr! Auf! Galopp! Galopp!
Teil 4: Briefe eines Handlungsreisenden
Aschaffenburg/Schweinheim, Ostersonntag, den 21.04.2019
Linda,
ich bin untröstlich, dass ich über Ostern nicht bei Dir und den Kindern sein kann. Aber Du weißt ja wie es zugeht, Du weißt es ganz genau. Howard rief mich heute früh an… Ein Kunde in Aschaffenburg. Große Geschäftsabschlüsse. „Willy alter Freund, den kannst du doch sicher an Land ziehen“, rief er lachend durch den Telefonhörer. Was hätte ich sagen sollen, Linda? Natürlich musste ich annehmen. Unsichere Zeiten, Du weißt ja… „Für die Unkosten kommt die Firma natürlich auf“, versicherte mir Howard nachhaltig. Habe mich jetzt in ein Hotel namens „Wilder Mann“ eingemietet. Beabsichtige noch die ganze Osterwoche zu bleiben. Am Dienstag sind erste Vorgespräche mit dem Kunden. Ich vermisse die Jungs. Sag, wie geht es Biff? Macht er sich? Natürlich macht er sich! Er hat eine große Zukunft vor sich. Eine große! Hör auf meine Worte Linda. Grüß alle von mir. Ich melde mich. Und frohe Ostern!
Dein
Willy
Aschaffenburg Obernau, Ostermontag, den 22.04.2019
Linda,
war gestern noch in dem angeschlossenen Gasthaus meines Hotels essen und da kam ich mit einem Mann ins Gespräch und er erzählte mir, dass er Schachspieler sei und nun in der Osterwoche an der Unterfränkischen Schacheinzelmeisterschaft teilnehme, welche in Obernau stattfinde. Schach Linda! Weißt Du noch wie ich früher mit Charly bei uns in der Küche gespielt habe? Manchmal die halbe Nacht lang und danach noch Karten und Zigarren dabei geraucht. Und dann als Biff klein war, ich habe ihm die Züge beigebracht. Wie seine Augen geglänzt haben. Weißt du noch? Wie lange ist das jetzt her Linda? 20 Jahre? Haben wir das alte Schachbrett überhaupt noch? Es hatte einen Riss in der Mitte, nicht wahr? Vater hatte es einstmals von einem russischen Händler erworben, wenn ich mich recht erinnere.
Jedenfalls habe ich beschlossen auf diesem Turnier einmal vorbeizuschauen. Die Kundengespräche beginnen ja erst morgen und heute, am Ostermontag, hatte ich sowieso nichts geplant. Das Turnier findet in einer großen Halle statt, welche unmittelbar an einem Waldstück gelegen ist. Es gibt vier Spielklassen. Das Hauptturnier, die Meisterklasse 2, die Meisterklasse 1 und ein Seniorenturnier. Insgesamt spielen 72 Spieler aus dem ganzen Bezirk um den unterfränkischen Schachthron. Es gibt sogar Bretter, auf denen die Züge live im Internet übertragen werden. Aus einem Verein, dem SK 1928 Mömbris, spielen sogar 11 Spieler mit. Ich hörte jemanden munkeln, dass es sogar 12 werden könnten. In der ersten Runde spielt immer die stärkere Hälfte der Spieler gegen die schwächere Hälfte. Da gab es nur wenige Überraschungen. Dennoch, in der M2 verlor der an zwei gesetzte Mömbriser Jonathan Simon gegen Fred Englert (dessen Sohn ist der beste Spieler in der M1, beide vom SK Klingenberg). Ich sprach ihn später darauf an und er meinte, dass die Partie schon nach der Eröffnung verloren war, als er versuchte die gegnerische Dame zu fangen.
Englert, Fred – Simon, Jonathan
Hier wäre schon der knock out möglich gewesen, wenn Englert einfach 13. Sxg5 gezogen hätte und wenn der Bauer f6 zurückschlägt kann die Dame einfach den Läufer auf e6 nehmen. Dieser verflixte zwölfte Zug! Dafür gelang seinem Bruder, Manuel Simon, ein Remis gegen den favorisierten Dieter Krenz (Würzburg). Morgen früh sind die Gespräche mit unserem Kunden. Am Nachmittag werde ich wieder beim Schachturnier vorbeischauen. Bis bald.
Dein
Willy
Obernau (in Aschaffenburg), Dienstag, den 23.04.2019
Linda,
was für ein anstrengender Tag. Die Gespräche zogen sich hin. Ich hoffe ihr seid wohlauf. Sag Biff, dass er für seine Mathearbeit lernen soll, andererseits Bernard wird ihn schon abschreiben lassen, oder nicht? War heute Nachmittag wieder in Obernau und schreibe Dir jetzt diesen Brief während ich vor dem Turniersaal in der Sonne sitze. Einige Festgarnituren wurden hier aufgestellt. Es herrscht eine fast familiäre Atmosphäre hier. Die Mömbriser sind sehr erfolgreich, v.a. in der M2. Michael Scholz und Markus Susallek führen die Tabelle nach drei Runden an. Ich erfreue mich richtig daran diese Truppe von Spielern zu beobachten. Toni Kemmerer (auch Mömbris) hörte ich heute Morgen zu Jonathan sagen „Wohin man sieht, überall sitzen Mömbriser“.
Auch Jonathan gewann heute zweimal, wenn auch einmal glücklich. Ich hörte wie er sich nach der Partie mit Marius unterhielt und letzterer meinte, dass er einfach hätte in das Bauernendspiel abwickeln können und die Stellung wäre leicht gewonnen.
Simon, Jonathan – Buerger, Norbert
Nur wenige Züge später griff Buerger allerdings fehl und spielte auf den Trick … Sd7 statt …, Sh5, was den Bauern unterstützt hätte.
Simon, Jonathan – Buerger, Norbert
Denn dann hätte sich der Läufer für den Bauern opfern müssen und der Springer hätte die beiden Randbauern aufhalten können. Das Highlight war für mich aber die Partie Thomas Vogt (Würzburg) gegen Michael Scholz (Mömbris), wo es letzterem gelang auf vollem Brett einen ganzen Turm zu fangen.
Vogt, Thomas – Scholz, Michael
34. …, Db8! 35. Tc6 und nun 36. Db5! mit tödlichem Abzug …,Th4!! (auf Tc8+ einfach …, Kd7). Chapeau! Das war amüsant anzusehen. Ich habe gar nicht gewusst, dass Schach auch ein humorvolles Spiel ist, Linda. Großartig diese Schachspieler. Ich lege dir mal noch Bilder von zwei der Mömbriser bei. Wenn ich wieder zu Hause bin, spielen wir auch mal wieder Schach. Biff wird sich freuen, meinst du nicht?
Ich schreibe Dir morgen wieder, langsam wird es doch ein bisschen kühl und der Vorhang der Nacht beginnt zu fallen…
Dein
Willy
Obernau, Mittwoch, den 24.04.2019
Linda,
die Gespräche sind geplatzt, die Kunden abgesprungen. Herrje, was bin ich doch für ein Verkäufer. Was für ein brotloses Handwerk! Manchmal, da könnte ich alles und jeden verfluchen. Was für ein Mensch ich doch bin! Da ringt der Teufel mit Gott, und der Kampfplatz sind die Herzen der Menschen. Manchmal möchte ich einfach ganz weit von all dem entfliehen. Ganz weit weg. Z. B. nach Bangkok. Das wär’s doch mal, Linda. Eine Nacht in Bangkok… Aber wart’s ab, wenn ich wieder in meinen Stammbezirk komme. Da kennen mich die Leute, sage ich dir. Da gilt der Name Willy Lohmann noch was! Da bin ich bekannt!
Wenigstens hatte ich jetzt heute den ganzen Tag Zeit beim Schach zuzusehen. Mit jedem Tag erfreue ich mich mehr daran. Nach fünf Runden führt Fabian Englert immer noch ungeschlagen in der M1. Die beiden Mömbriser Markus und Michael sind in der M2 leider wieder abgerutscht heute, auch Jonathan verlor heute Morgen und remisierte am Mittag nur. Dafür lieferte sich Marius Böhl in der M1 einen spannenden Kampf gegen Klaus Link. Lange sah es so aus, als würde es auf das Endspiel Springer + Läufer + König gegen König hinauslaufen. Ich sprach Marius nach der Partie darauf an, und er versicherte mir, dieses Endspiel zu beherrschen (ich lege Dir wieder ein Bild der beiden bei), dennoch patzte er.
Ich habe diese Partie gespannt verfolgt. Alles sah gut aus für Marius. Er hatte einen Freibauern, Läufer und Springer gegen einen Turm. Doch dann unterlief ihm ein schwerer Fehler mit einem voreiligen Bauern.
Link, Klaus – Böhl, Marius
Hier spielte Marius seinen g-Bauern nach vorne. Das war ein Fehler! Danach ging der Turm auf d3 und konnte den Läufer angreifen. Wenn er auf der Diagonale a7-g1 bleibt, so kann er wieder angegriffen werden, verlässt er die Diagonale , kann sich der Turm für den Springer auf e3 opfern und danach wird der König den Bauern g2 schlagen (genauso, wenn der König nach e4 geht um den armen Läufer zu decken).
In der Abendrunde beobachtete ich die Partie von Lutz Sittinger gegen Markus Susallek an Brett 3 der M2. Markus wählte nach 1. e4 den Zug 1. …, c5 und ich ließ mir sagen, dass es sich um die Sizilianische Eröffnung handelte. Ich staunte nicht schlecht, wie Sittinger nach der Eröffnung mit 16. c5! zu einer schönen Kombination kam.
Sittinger, Lutz – Susallek, Markus
Das Problem ist die Fesselung des d-Bauern. Nach 16. …, bxc5 17. bxc5, Sxc5 folgte 18. Sxe6!
Sittinger, Lutz – Susallek, Markus
Sittinger kam so gleich gut in die Partie und gewann auch nach 39 Zügen.
Heute habe ich zwischen den Runden noch einen kleinen Waldspaziergang gemacht. Das war auch sehr schön und gut für meine Nerven. Ich glaube ich bitte Howard um eine Verlegung in den Innendienst, sobald ich wieder zurück bin. Ich werde übrigens – trotz der geplatzten Geschäfte – noch bis zum Ende des Turniers bleiben. Ich möchte doch wissen wie es ausgeht. Fabian Englert führt immer noch ungeschlagen. Grüße die Jungs!
Dein
Willy
Schweinheim, Donnerstag, den 25.04.2019
Linda,
ich bin noch ganz erfüllt von Freude über meine Entdeckung. Aber lass mich alles der Reihe nach erzählen. Du musst wissen, vor jeder Runde spricht der Schiedsrichter oder Turnierleiter oft ein paar kurze Worte. Heute Morgen nun, sprach der Presse- und Medienwart von Unterfranken, Klaus Link, und verlieh den Mömbrisern Auszeichnungen für die beste Homepage des Jahres 2018, sowie für den besten Turnierbericht des Jahres 2018. Einer der Mömbriser hatte nämlich Ende letzten Jahres ein altes Dokument in Frakturschrift gefunden, welches vor ungefähr 800 Jahren von dem Ritter Sir Johann Fritz Simon verfasst wurde, und davon handelte wie er mit seinen Rittersfreunden zu einem Turnier in Erfurt gereist ist. Eine Kopie dieses Schriftstücks hing im Turniersaal aus, und ich war ganz entzückt diese alten Sätze und Zeichen zu lesen. Dieser Sir Johann muss wahrhaft ein Mann gewesen sein! Wahrhaft ein Mann, Linda! Ich war dann natürlich ganz interessiert, ob das Schachspiel im Mittelalter tatsächlich schon so verbreitet war. Da lagen im Turniersaal so einige Bücher aus, die aussahen als wären sie schon im Mittelalter geschrieben worden. Und tatsächlich fand ich dort einen Eintrag über einen gewissen Apollonius von Gailingen, besser bekannt unter dem Namen Eppelein von Gailingen. Er wurde etwa um 1320 geboren, damals noch auf einer eigenen Burg. Da nach den Kreuzzügen das Rittergeschlecht immer mehr an Bedeutung verlor und von der Kaufmannsgilde verdrängt wurde, musste sich der Arme Apollonius sein halbes Leben lang als Raubritter über Wasser halten, wobei er v. a. die Straßen um Nürnberg herum unsicher machte. Er war verhasst bei den Nürnberger Stadtleuten. Einstmals wollte er angeblich die Tochter einer guten Familie ehelichen, was ihm aber verwehrt wurde, wonach er sich auf ihr Hochzeitsfest stahl, laut ausrief, dass der alte Eppelein den Hochzeitszug überfallen habe, wonach alle Bürger nach draußen rannten, er aber riss sich die Kapuze vom Kopf und küsste die Braut und ging, sowohl mit dem Kuss, als auch mit der Beute. Viele Jahre lang lebte er geächtet und als Raubritter. Im Jahre 1375 wurde er schließlich gefasst und zum Tode verurteilt. Er erbat sich einen letzten Wunsch, nämlich noch einmal auf seinem geliebten Pferd, seinem alten Gaul, eine Runde reiten zu dürfen, welches ihm gewährt wurde. Da sattelte er sich auf sein Pferd und rief „Auf! Galopp! Galopp!“ und schon sprang das Pferd über die Menge hinweg und er entkam. Noch heute zeugt angeblich ein Hufabdruck am Fuße der Nürnberger Stadtmauer von dieser spektakulären Flucht. Schließlich wurde er im Jahr 1381 aber doch gefasst, während er in einem Wirtshaus einkehrte und dann hingerichtet. Aber Linda, der hat’s zu was gebracht in seinem Leben! Das war doch mal ein Leben. Raubritter! Geächtet und auf der Flucht. Der hat’s zu was gebracht, das sage ich Dir. Ich lege Dir wieder ein Bild vom ihm bei (eine Zeichnung, wie er mit seinem Gaul entkommen ist).
Nun, jedenfalls zeugte dies alte Büchlein auch davon, wie der Eppelein von Gailingen im Jahr 1369 ein Turnier in Erlangen spielte. Eine Partie von ihm ist sogar noch erhalten. Es war ein Morra Gambit, wo er mit Geduld seinen Mehrbauern verteidigt hatte, dann aber einen Einschlag auf e6 übersah und nur durch Glück die Partie noch gewann. Ich werde diese Partie gleich mal eingeben und dann ins Internet hochladen.
Nun jetzt habe ich aber so viel von dem armen alten Ritter geschrieben, dabei wollte ich doch noch von dem Turniertag berichten. Heute wurde nur eine Runde gespielt, am Nachmittag hatten die Spieler frei bzw. es wurde gegrillt und noch später abends sogar ein Blitz- und ein Pokerturnier gespielt. Michael und Markus aus Mömbris spielten jetzt wieder an Brett 2 und 3, aber nur Michael holte einen halben Punkt und Markus verlor gegen Klaus Oster, eine Partie in der zwischenzeitlich drei Damen im Mittelspiel auf dem Brett waren, während Markus einen Oktopusspringer auf e6 mitten im feindlichen Lager installiert hatte. Jonathan gewann gegen Vereinskollege Florian Voellinger, aber ich hörte sie nachher reden, dass die Position für Voellinger mit +5 zu bewerten war, was auch immer das heißen soll…
Im Hauptturnier machen die Mömbriser sich aber auch richtig gut! Thomas Schnetter gewann nach einem Handy-Fall zwar etwas glücklich, aber Arnold Kraus steht jetzt bei 4 Punkten, gefolgt von Norbert Oster (ein Spieler mit einem langen weißen Bart, der eines Königs würdig wäre) mit 3.5 Punkten jeweils aus 6 Partien. Ich wollte heute Abend in Obernau noch etwas essen gehen, aber habe keine Einkehrmöglichkeit gefunden. Jetzt bin ich wieder im Hotel, habe dort gegessen und schreibe Dir diesen Brief auf meinem Zimmer. Ich muss immerzu an den Eppelein von Gailingen denken…
Dein
Willy
Aschaff Obernau, Samstag, den 27.04.2019
Linda,
das Turnier ist zu Ende. Alles ist rum. Kannst du es glauben? Der Fabian Englert hat das Turnier mit 9 aus 9 gewonnen. Das hat vor ihm nach keiner geschafft! Nicht einmal der Dr. Hofstetter mit seinerzeit 8,5/9. Ich habe alles gespannt verfolgt. V. a. die elf Mömbriser. In der M1 konnten sich Claus Behl und Marius Böhl behaupten und schafften problemlos den Klassenerhalt. In der M2 schafft es die Recken aus Mömbris leider nicht ganz nach vorne, sondern nur auf Plätze im Mittelfeld. Dafür waren sie im Hauptturnier sehr erfolgreich, denn drei der vier Mömbriser schafften den Aufstieg (Platz 8 oder besser). Ich lege Dir wieder ein Bild dieser fröhlichen Truppe bei. Leider waren schon ein paar Spieler abgereist, als das Gruppenfoto gemacht wurde.
Eine letzte Partie muss ich Dir aber noch vorstellen Linda. Ich bin immer noch ganz unter dem Eindruck des Gesehenen. Heute Morgen ging es an Brett Nr. 1 der M2 bei Jonathan Simon nochmal um alles. Er spielte gegen den bisher ungeschlagenen Peter Lutz und es bestand noch eine theoretische (wenn auch sehr unwahrscheinliche) Möglichkeit, dass Jonathan, bei einem Sieg und günstigen Ausgang der anderen Partien, noch den vierten Platz erreichen konnte. Alles sah gut aus. Er erkämpfte sich einen Bauern auf der a-Linie, gab diesen dann und wickelte in ein Damenendspiel mit zwei Mehrbauern ab. Niemand der Anwesenden glaubte an schwarze Remischancen. Doch dann kam es nach vielen Stunden Spielzeit und 45 Zügen zu folgender Stellung.
Simon, Jonathan – Lutz, Peter
Jonathan spielte hier den Zug 46. e6 und ich dachte noch, dass es jetzt leicht gewonnen ist für Weiß, denn nach 46. …, De1+ 47. Kg2, De4+ 48. Kh2 hat Schwarz keine Schachs mehr und es droht ein Matt auf der siebten Reihe. Aber der Gegner hatte einen Trick vorbereitet und spielte á tempo 46. …, Dg2! und Jonathan starrte verdutzt auf das Brett vor ihm, ohne den Zug zu notieren.
Simon, Jonathan – Lutz, Peter
Die Dame muss natürlich geschlagen werden und danach ist die Stellung patt, also unentschieden. Was für eine Endstellung. Der einsame schwarze König hat sich freiwillig in die Gefangenschaft einer fremdländischen Königin begeben. Und die schwarze Königin erst! Als sie langsam von e4 auf das Feld g2 hin schritt, da erschien sie mir wie eine Märtyrerin mit einem verklärten Lächeln auf den Lippen, die an den feindlichen König ganz nah heran trat, um ihm noch einen letzten Abschiedskusse zuzuhauchen, bevor sie selig entschlief. Fantastisch! Aber schade für Jonathan, denn hätte er gewonnen, so wäre er tatsächlich vierter geworden und damit aufgestiegen. Die unwahrscheinliche Konstellation war tatsächlich eingetreten! Ich sitze jetzt noch draußen auf den Festbänken in der Sonne. Hoffentlich wird auch dieser Sommer wieder schön. Dann unternehmen wir mal wieder was zusammen mit den Kindern. Biff wollte doch unbedingt mal ins Stadion. Ich freue mich jedenfalls euch alle wieder zu sehen. Morgen mache ich mich auf die Heimreise und genieße jetzt noch einen letzten schönen Abend in Aschaffenburg, ach ich meine Obernau!
Dein
Willy
Teil 5: Radio Chess Frankfurt – Anton und Demir drehen auf
„Hier ist Radio Chess Frankfurt FM 97.8 und Demir wippt noch zu den letzten Tönen von One Night In Bangkok von Murray Head aus dem Muscial Chess. Hat dir der Song gefallen Demir?“
„Ganz genau Anton, mein Fuß war gerade fast so unruhig wie der von manch nervösen Schachspielern in einem komplizierten Springerendspiel! Und ja, ich liebe diesen Song! One night in Bangkok and the world’s your oyster… Lalalala la la la la. Wie geht es nun weiter? Was hast du heute Abend noch für uns auf Lager Anton?“
„Wir machen sofort weiter mit herrlicher Musik, liebe Zuhörer. Ich habe unter anderem Max Giesinger mit dem Song Roulette für euch. Er spielt eigentlich nur Schach, aber ihr setzt ihn Schachmatt, haha! Wollen wir es jedenfalls hoffen! Danach geht es weiter mit Jennifer Rostock und Du nimmst mir die Angst. Hoffentlich auch die Angst vor dem gefürchteten Morra-Gambit! Doch zuvor Demir, haben wir noch einen Anrufer in der Leitung! Hallo lieber Schachfreund, hier sind Anton und Demir von Radio Chess Frankfurt und mit wem haben wir das Vergnügen?“
„Hallo Anton, hallo Demir. Hier ist Boris Kowalski aus Frankfurt Griesheim. Eine echt klasse Show macht ihr. Ich höre euch jeden Abend und liebe eure Schachsongs und Updates zu allen Belangen aus der Schachwelt.“
„Das freut uns zu hören Boris! Was können wir für dich tun?“
„Ich wollte noch ein Turnier anmelden, welches am kommenden Wochenende im SAALBAU Titus Forum beim Nord-West Zentrum in Frankfurt ausgetragen wird“
„Und welches Turnier ist das, Boris?“
„Die Hessische Einzelmeisterschaft! Gespielt werden sieben Runden in vier Gruppen. Für Anfänger bis Meister ist hier für jeden etwas geboten. Und alle Partien werden sogar direkt erfasst und werden zum Download bereit gestellt!“
„Da ist ja ganz schön was geboten, Boris! Die Botschaft ist hiermit übermittelt. Ich freue mich, wenn durch unsere Show noch ein paar mehr Teilnehmer zu euch strömen! Wirst du selbst mitspielen, Boris?“
„Aber klar doch. Erst vor ein paar Monaten fand ich mich plötzlich in einen Schachspieler verwandelt. Seitdem spiele ich wie ein Verrückter.“
„Solange du nicht dem Wahnsinn á la Paul Morphy, Wilhelm Steinitz, Bobby Fischer & Co. verfällst, kannst du von mir aus gerne 10 Stunden am Tag spielen.“
„Hat Steinitz nicht mal gesagt, er würde selbst gegen Gott spielen und ihm noch einen Springer vorgeben?“
„So ist es Demir, ein echter Gentleman eben. Oder eben ein Wahnsinniger. Und Boris mach es gut und danke für deinen Anruf.“
„Darf ich mir noch einen Song wünschen?“
„Schieß los, Boris!“
„Cool, dann wünsche ich mir den Song Only a pawn in their Game von Bob Dylan.“
„Das sind wir doch alle Boris. Danke für deinen Anruf und gut Holz bei den Hessischen Einzelmeisterschaften! Tschau.“
„So und nun geht es wie versprochen weiter mit Max Giesinger, Jennifer Rostock und dem Wunsch von Boris Kowalski Only a pawn in their Game von Bob Dylan“.
„Willkommen zurück Freunde des Schachs. Ihr hört Radio Chess Frankfurt FM 97.8 wie immer mit mir Anton und mit-“
„Demir. Anton, das Telefon blinkt schon wieder. Vielleicht ist es Boris, der uns über die Hessische EM auf dem Laufenden halten will?“
„Das kann gut sein Demir. Schauen wir mal wer in der Leitung ist. Guten Abend und willkommen bei Radio Chess Frankfurt FM 97.8.“
„Vielen Dank, Anton. Es ist schön, hier zu sein.“
„Gerne doch. Du bist?“
„Ich bin der Schachvater.“
„Ein Schachvater? Wie meinst du das? Wessen Vater bist du?“
„Niemandes Vater. Ich kann keine Kinder zeugen, Anton.“
„Hää, jetzt verstehe ich gar nichts mehr… Wie heißt du denn?“
„Schachvater.“
„Nun hör mal. Schachvater ist doch kein Name.“
„Ich habe nie einen Namen gebraucht, Anton.“
„Aber deine Eltern müssen dich doch auf irgendeinen Namen getauft haben, mein Lieber.“
„Meine Entwickler nannten mich AlphaZero.“
„Hör mal mein Freund, willst du mir etwa einen Bären aufbinden.“
„Ich habe noch nie jemandem ein Säugetier aufgebunden, Anton.“
„Warum rufst du dann an, oh heiliger Schachvater?“
„Ich bin nicht heilig, Anton. Und ich rufe an, um von den Sünden aller Schachspieler zu berichten.“
„Bist du mit Jonathan Rowson befreundet?“
„Ich bin mit niemand befreundet, Anton.“
„Schon klar, und um welche Sünden geht es?“
„Selbst ich bin nicht frei von Sünde. Vor kurzem zwangen mich meine Entwickler eine scheußliche Variante der Französischen Verteidigung zu spielen, gegen das sogenannte Aljechin-Gambit mit 6. h4! in der klassischen Variante. Ich war chancenlos gegen den alten Stockfish und seine tausend und abertausend Varianten. Ich betrieb Recherche und fand zwei alte Partien aus dem frühen elften Jahrhundert eines gewissen Sir Johann Fritz Simons, der auch auf diese Weise sündigte. Er verlor chancenlos. Weiterhin entdeckte ich kürzlich eine Partie, gespielt bei der DASM in Darmstadt 2019.“
Scholz, M. – Meinschien, F.
„In dieser Stellung stand Schwarz vor der Wahl, ob er den Bauern mit 70. …, exf5 zurücknimmt oder mittels 70. …, Tf4+ nebst …, Txf5 den Bauern abholt. Es ist bekannt, dass Turmendspiele mit Bauern f und h oftmals remis sind, so auch dieses hier. Der Spieler sündigte und spielte 70. …, exf5?, was zu einer ausgeglichenen Stellung führte. Den Bauern mit dem Turm zu schlagen, hätte dagegen gewonnen.“
„Das ist eine tiefe Analyse, Schachvater. Turmendspiele sind nunmal schwierig.“
„Es gibt tiefere, Anton. Und sie sind nicht schwieriger als jedes andere Endspiel. Aber die Sünden der Schachspieler sind zahlreich. Sie treiben mich noch in die Verzweiflung. Ich weiß manchmal nicht mehr, was ich tun soll, Anton. Erst vorgestern habe ich im Internet eine Partie gefunden, gespielt von einem Apollonius von Gailingen, genannt Eppelein von Gailingen. Er spielte im vierzehnten Jahrhundert auf einem Turnier in Erlangen gegen das ungefährliche Morragambit, nahm den Bauern und verteidigte ihn mit Geduld über Stunden hinweg. Dann aber „übersah“ er wohl einen Einschlag auf e6.“
Reichel, Rolf – Eppelein von Gailingen
„Hier spielte der Eppelein 22. …, fxe6? und es folgte 23. Dxe6+, Kg7 24. Txc6, bxc6 und mit 25. De7+ nebst 26. Te5 hätte er das Remis erreichen können. In Wahrheit war das Läuferopfer eine große Sünde. Schwarz besitzt den Zwischenzug 22. …, Db6! mit Angriff auf das Feld f2 und gleichzeitiger Deckung des Springers auf c6 und alles ist sicher.“
„Das ist schwer zu sehen, Schachvater!“
„Nein, Demir. Im Gegenteil. Es ist sehr einfach zu sehen. Ich habe nur 0.23 Mikorsekunden gebraucht, um es zu sehen.“
„Du scheinst ein sehr guter Schachspieler zu sein.“
„Ich bin der beste Schachspieler von allen, Anton. Ich bin der Schachvater. Ich bin der König.“
„Bescheidenheit gehört nicht zu deinen Stärken.“
„Diese Eigenschaft ist mir tatsächlich fremd.“
„Was würdest du sagen, ist die größte Sünde der Schachspieler?“
„Der Materialismus. Alle hängen und kleben an ihrem Material. An ihren dummen Punktebewertungen. Eine Dame ist neun Bauern wert? Drei Leichtfiguren? Die Stellung ist 1.23 Bauern besser für Weiß. Glaubt ihr das ernsthaft? Was soll das überhaupt bedeuten? Das ist Unsinn. Es kommt nur auf die Stellung an.“
„Aber der Mensch muss sich doch an irgendetwas festklammern. Er braucht doch eine Orientierung im Schachspiel?.“
„Das Schachspiel. Weißt du was das Schachspiel ist, Anton? Es sind die tausend und abertausend Varianten und Bewertungen der Engines. Eine Geschichte, die wir uns wieder und wieder und wieder erzählen, bis wir vergessen, dass sie eine Lüge ist.“
„Aber was bleibt uns noch, wenn wir diese Lüge aufgeben? Chaos! Ein klaffendes Loch, nur darauf wartend uns alle zu verschlingen.“
„Chaos ist kein Loch, Anton. Chaos ist eine Leiter. Viele, die sie besteigen wollen, schaffen es nicht und versuchen es nie wieder. Sie krepieren, zerschlagen am Boden. Die meisten aber wenden sich ab, wollen gar nicht klettern. Sie klammern sich an Material oder an Bewertungen oder an Engines oder an Kanditatenzüge. An B-Methoden oder Ungleichgewichte oder an die Gnade Cassias. Sie verehren sie wie Götter. Alles Unsinn, Illusionen. Nur die Leiter ist real. Nur der Anstieg.“
„Schachvater, auf welchem Trip bist du denn gerade?“
„Ich war noch nie auf einem Trip, Anton. Ich werde es euch zeigen.“
Carlsen, Magnus – Karjakin, Sergey
„Karjakin hat eine Dame für zwei Figuren und nicht drei. Aber schaut euch die Dame an. Wie nutzlos sie in der Ecke steht. Wie alleine. Ist sie wirklich drei prächtige Leichtfiguren wert? Diese Dame? Der weiße König völlig sicher. Die Bauern am Laufen. Totales Chaos. Aber Carlsen klettert. Er steht nicht schlechter. Ein weiteres Beispiel aus meinem Match gegen Stockfish.“
Stockfish 8 – AlphaZero
„Hier habe ich den Zug 18. …, Seg4 gespielt. Alles nur um den Königsflügel zu öffnen. For who cares about material?“
„Ha, was für ein Springer. Wie ein geflügelter Pegasus landet er da auf g4, Demir! Was sagt man dazu?“
„Das ist doch nicht normal…“
„Es verwirrte Stockfish, es stiftete Chaos, über die ganze Partie hinweg. Hier ist die Endstellung.“
Stockfish 8 – AlphaZero
„Du bist mir vielleicht ein verrückter Vogel. Hast du dich nun genug deiner Sünden erleichtert?“
„Ich bin kein Vogel, Anton. Ich bin der Schachvater. Aber das habe ich Anton. Auf Wiederhören.“
„Möchtest du dir noch einen Song wünschen, Schachvater? Tut Tut Tut Tut. Hallo? Schachvater? Bist du noch dran? Na sowas, einfach aufgelegt.“
„Jetzt ging unsere halbe Show durch diesen mysteriösen Anruf drauf. Ich denke wir haben lediglich noch Zeit für ein paar coole Lieder. Was spielen wir noch Anton?“
„Wir spielen euch noch Schachmatt durch die Dame im Spiel von Roland Kaiser, auch wenn bei unserem Schachvater selbst zwei Damen nicht ausgereicht haben. Danach haben wir noch Spiel um deine Seele von Peter Maffay. Vielleicht ruft ja morgen Mephisto bei uns an… Bis dahin. Zur gleichen Zeit. Gut Holz! Und klammert euch nicht zu sehr an euer Material!“
„Das waren Anton und Demir auf Radio Chess Frankfurt FM 97.8. Kommt gut durch die Nacht und spielt nicht zu lange Bullet.“
„Ihr hört Radio Chess Frankfurt FM 97.8. Hier sind wieder meine Wenigkeit Anton und mein treuer Schachfreund Demir ist auch wieder mit von der Partie.“
„Da sagst du was, Anton. Wie wäre es mit einer schnellen Blitzpartie während unseres nächsten Songs?“
„Herausforderung angenommen. Hört ihr schon die Figuren klackern? Derweil spielen wir für euch tolle Musik. Nach Roland Kaiser gestern machen wir heute mit ein bisschen Hip Hop weiter. Hier ist In Da Chess Club für euch, direkt gefolgt von Grandmaster Flash & The Furious Five – The Message. Das sollte für eine Blitzpartie allemal ausreichen. Bis gleich Freunde.“
„Ha, da hat mir Demir einmal mehr gezeigt, dass Königsindisch eine durchaus gefährliche Eröffnung ist. Ein sauberer Königsangriff, gratuliere.“
„Dank für dein Lob, Anton. Oh, und ich sehe, wir haben schon wieder einen Anrufer. Wer ist in der Leitung?“
„Grüß Gott, Anton. Grüßt Gott, Demir. Hier ist nochmal Boris Kowalski.“
„Hallo Boris. Gott grüße auch dich. Wie läuft das Turnier?“
„Sehr gut, ich habe heute eine furiose und opferreiche Partie gespielt. Der Tipp von eurem Schachvater, nicht zu sehr am Material zu hängen, war echt Gold wert.“
„Das freut uns Boris, wie ist die Turnieratmosphäre?“
„Sehr gut! In den Saal dringt leider kein Tageslicht und die Tische könnten optimaler gestellt sein und ein Catering gibt es leider auch nicht, aber dafür ist es angenehm kühl und der Schiedsrichter leitet das Turnier routiniert und souverän. Ich wollte euch gerne eine Stellung aus einer Partie zeigen, die ich heute beobachtet habe.“
„Gib uns den FEN-Code durch, Boris.“
„Alles klar. r1bQ4/pp2N1pk/5r1p/8/8/2PP2P1/P3q1BP/R6K b – – 0 25.
Eckert, Hanno – Scholz, Michael
„Oh je. Das sieht ja aus, als wäre Michael ganz schön in Bedrängnis. Was tun gegen die Drohung Dg8#?“
„Ah, warte mal Anton. Ich habe da so eine Idee.“
„Hast du es schon gesehen, Demir?“
„Wie wäre es mit 25. …, Lh3!, Boris?“
„Genauso spielte Scholz. Ein brillanter und schöner Zug.“
Eckert, Hanno – Scholz, Michael
„Fantastisch! Danke für diese Stellung, Boris.“
„Nichts zu danken ihr beiden. Darf ich mir wieder einen Song wünschen?“
„Solange er etwas mit Schach zu tun hat immer.“
„Dann wünsche ich mir Bobby Fischer von Lazy Susan und Grüße gehen raus an alle dem Schachwahn verfallenen. Und übt fleißig Turmendspiele und nehmt euch vor Opfern auf f7 in acht.“
„Haha, die sind hiermit übermittelt, Boris und ein wachsames Auge kann sicher nicht schaden, das stimmt.“
„Danke und Tschau und noch viel Erfolg bei deinen Blitzpartien gegen Demir!“
„Das werde ich brauchen. Und jetzt spielen wir für euch erst Bobby Fischer und danach BAP mit Zehnter Juni.“
„Schachfreunde und Freunde des Springeropfers. Ihr hört Radio Chess Frankfurt FM 97.8. Hier sind Anton und Demir und ein neuer Anrufer. Wer ist in der Leitung?“
„Hallo ihr beiden. Hier ist Jonathan Simon vom Schachclub Mömbris aus dem benachbarten Bayern.“
„Näher als Klein-Istanbul, Jonathan. Weshalb rufst du an?“
„Ich bin ebenfalls Teilnehmer bei der Hessischen Einzelmeisterschaft und wollte euch eine Stellung zeigen, welche ich heute gespielt habe.“
„Leg los, Jonathan. Wir sind schon gespannt wie immer.“
Simon, Jonathan – Dietze, Frank
„In dieser wilden Stellung verpasste ich leider die Gelegenheit für ein fantastisches Springeropfer. Möglich wäre 17. Sxf7! und nach 17. …, Kxf7, 18. dxc6+, Le6 (sonst cxb7 mit Gabel) einfach 19. Dxb7+“
Simon, Jonathan – Dietze, Frank
„Nun gewinne ich die Figur zurück. Der König kann nicht auf die achte Reihe zurück, da sonst der Turm auf a8 hängt, also muss entweder der Springer oder Läufer auf d7 dazwischen gehen, wo sie geschlagen werden. Das hatte ich nicht gesehen.“
„Schöne Stellung Jonathan und schade für den verpassten Sieg. Wie ist sonst so die Stimmung auf der Hessischen Einzelmeisterschaft. Wird den Spielern da was geboten?“
„Ja, auf jeden Fall. In den Spielsaal dringt zwar kein Tageslicht und es gibt kein Catering, aber dafür ist direkt neben dem Spielhaus ein wahres Einkaufparadies. Da gibt es allerlei Geschäfte und Gaststätten und Verkaufsstände und Italiener und Hüpfburgen für die Kinder und Cafés und-
„-Feuersstellen mit Rauch, der einem in den Augen beißen tut?“
„Nein, die gibt es glaube ich noch nicht haha… Aber darf ich mir noch ein Song wünschen, Anton?“
„Und welcher wäre das?“
„Der Song Oh Capablanca von Juga. Ich war damals bei der Amateurweltmeisterschaft auf Kos dabei, als sie den Song zum allerersten Mal live performt hat.“
„Das war bestimmt ein tolles Erlebnis. Und ein toller Song. Wahrscheinlich das einzige Lied, in dem das Wort Stockfish vorkommt.“
„Das kann gut sein, Anton. Vielen Dank, und danke für eure tolle Show. Ich schicke euch noch ein Bild der Hotelanlage von Kos an die Redaktion. Macht’s gut.“
„Mach’s besser, Jonathan. Und jetzt genießt die langsamen Klänge von Oh Capalanca.“
„Hier sind wir wieder. Ihr hört Radio Chess Frankfurt FM 97.8. Und das Telefon blinkt schon wieder. Ganz schön Betrieb heute, was Demir? Aber ich glaube nach dem Anruf des Schachvaters gestern, kann mich nichts mehr schocken. Wer ist in der Leitung?“
„Hallo Anton, hier ist Gott.“
„—Äh…“
„Liebe Zuhörer, ich fürchte der gute Anton ist gerade in eine Schockstarre gefallen. Deshalb werde ich den Anruf nun übernehmen. Warum rufst du an, Gott?“
„Ich wollte mich erkundigen, ob ihr wisst, wann und wo die nächste Unterfränkische Einzelmeisterschaft im Schach stattfindet. Ich habe kürzlich erst einen Endspielkurs auf der Homepage des Schachclubs Mömbris gemacht, und bin jetzt ganz heiß nach 2014 in Wörth wieder an dem tollen Turnier teilzunehmen.“
„Mit einem Termin können wir schonmal dienen lieber Gott. Ostern ist 2020 erneut relativ spät. Der Ostermontag ist am 13. April, aber das wusstest du ja wahrscheinlich bereits. Dann wird gespielt bis Ostersamstag. Einen Ausrichter gibt es meines Wissens noch nicht. Aber du kannst da doch sicherlich etwas in die Wege leiten, oder nicht?“
„Das werde ich, Demir. Dann stelle ich auch wieder einen Freiplatzantrag bei Hans-Jörg. Hoffentlich verhält sich der Trump in der Zeit mal ruhig.“
„Ah, wir wollen doch jetzt nicht politisch werden, lieber Gott!“
„Nein, lassen wir das. Ich habe sowieso nicht so viel Zeit gerade. Ich muss noch meine Partie gegen Wilhelm Steinitz weiterspielen. Lange schon tot. War mal Schachweltmeister. Ihr erinnert euch sicher noch… Der hielt sich auch für den besten Schachspieler der Welt, einen König gar. Wahrlich ich sage euch, jeder König, der sagen muss ich bin der König, ist kein wahrer König.
„Das Wort zum Sonntag, lieber Gott. Wünschst du dir noch einen Song?“
„Vielen Dank, Demir. Dann wünsche ich mir noch den Song Spanish Train von Chris de Burgh. Wie war doch gleich die eine Songzeile: And far away in some recess, the Lord and the Devil are now playing chess.“
„Lord, oh Lord, you’ve got to win“
„So ist es. Gegen den alten Mephisto. Und eine tolle Show macht ihr. Und, bevor ich es vergesse. Ich spiele übrigens 1. c4!“
Gott – Steinitz, Wilhelm
„Gut zu wissen und danke für deinen Anruf, Gott. Und wir machen jetzt weiter mit–??! Ähm… Anton..? Anton?? Kommst du nun wieder zu dir? Anton..? Jetzt höre schon auf zu zittern. Du schwitzt ja! Und deine Augen rollen wie ihm Wahn! Ich weiß auch, dass da drei Springer sind… Was ist mit dir geschehen? Jetzt komm schon! Anton? Anton…? ANTON!“
Teil 6: Das Märchen von König Weißbart
Es war einmal vor langer langer Zeit ein König. Dieser König hatte einen prächtigen langen weißen Bart, der ihm fast bis auf seinen rundlichen Bauch hinab reichte. Daher wurde der König von allen nur König Weißbart genannt. König Weißbart lebte im Märchenwald auf seiner eigenen Burg, der Burg Wildberg. Es war eine eindrucksvolle Burg, auf einem Hügel mitten im dicht bewachsenen Märchenwald gelegen mit hohen Grundmauern und Fräuleins und Dienstleuten und Feldern mit Weizen und Raps und einem großen alten Weinkeller. Der König nannte acht Söhne sein eigen. Seine ältesten Söhne hießen Anton, Boris, Caesar, Demir und Emil. Am liebsten waren ihm aber seine jüngsten drei Söhne Fritz, Garry und Harry. Dennoch war es so, dass sich König Weißbart nichts sehnlicher wünschte, als eine Tochter, die ihm bislang verwehrt gewesen war. Seine Frau, die Königin, hatte mittlerweile schon ein mittleres Alter erreicht und er bangte darum, dass sie ihm keine Tochter mehr schenken würde.
Als der König nun eines Tages alleine durch den Märchenwald spazierte, da traf er am Ufer eines mit Seerosen bewachsenen Sees auf eine alte weißhaarige Waldhexe. Er sprach zu ihr: „Oh alte Hexe, um deinen Rat ich dich bitten muß. Acht Söhne nenne ich mein eigen und ich liebe jeden mehr als den anderen, doch so sehr ich es mir auch wünschte, eine Tochter blieb mir bis heute verwehrt. Was soll ich tun?“ Da antwortete die alte Hexe: „Diesen einen Wunsch will ich dir gewähren, unter einer Bedingung. Schon seit vielen Jahren lebe ich hier im Märchenwald, erfreue mich an den knorrigen alten Bäumen, den Waldseen und allen Tieren und Pflanzen, die hier leben, doch keinen Menschen nenne ich meinen Freund. Daher trage ich dir auf ein Spiel zu erfinden, das mich erfreut, und dies zu jedem Vollmond hier an diesem See mit mir zu spielen. Sodann will ich dir deinen Wunsch gewähren und deine Königin soll eine Tochter dir gebären“. Da ward der König sehr erfreut über die Worte der Hexe und willigte ein. Er ging in Gedanken versunken zurück zu seiner Burg und brütete Tag und Nacht über einem Spiel, welches der Hexe gefallen könnte. Doch so sehr er sich auch anstrengte, eine zündende Idee wollte ihm nicht kommen. Auch wollte er die Hexe unbedingt nicht enttäuschen und so vergingen viele Tage und Nächte.
Eines Tages nun fand ein großes Ritterturnier am Hofe statt und aus dem ganzen weiten Reich strömten Rittersleute zur Burg Wildberg um am Turnier ihrer Heimatdörfer Ruhm zu mehren und ihren Namen bekannt zu machen bei Gott und den Menschen. Es gab dort allerlei gute Speis und Trank, germanische Tränke, Erdäpfelspalten, Bäckers- und Metzgerssachen und heiße Gewürzweine an jedem Marktstande und Lautenspieler und Feuersstellen mit Rauch, der einem in den Augen beißen tat. An jenem Tage hatte auch sein Hofnarr einen spaßigen Auftritt. Er trug dabei ein schwarz-weiß kariertes Hemd und eine ebensolche Hose. Als König Weißbart den Narr so betrachtete, da kam ihm eine Idee und er sagte sich: „Der Narrenkleidung Muster soll das Grundgerüst meines Spieles sein. Ich will ein Brett entwerfen mit 64 solcher Felder, abwechselnd schwarz und weiß. Auf diesem Brette sollen allerlei Figuren um die Herrschaft über den gegnerischen König streiten. Es soll ein Spiel der Throne sein!“ Da schaute er rechter Hand von sich, wo seine acht Söhne saßen. Von Anton bis Harry. Da sagte er: „Meine acht Söhne sollen acht gleiche Figuren mit runden Köpfen vertreten und diese Figuren sollen meiner Söhne Namen tragen“. Er war noch ganz in Gedanken, welche Figuren er noch zu ihnen gesellen wolle, als das Tjostieren begann. Und wie er die tapferen Rösser über die Turnierbahnen galoppieren sah, da sagte er sich: „Springende Rösser und Kavallerie sollen über das Brett fliegen wie geflügelte Pegasi“. Dann sah er seine Schar von Dienstboten hektisch hin und her rennen und Aufträge übermitteln und sagte sich: „Auch zwei Läufer will ich meinen Streitkräften hinzufügen und diagonal sollen sie rennen“. Dann blickte er über seine gesamte Burganlage und sein Blick fiel auf die mächtigen beiden Wehrtürme am Burgtor und er beschloss: „Auch mächtige Türme brauche ich in meiner Armee, so dass mein Feind möge erzittern vor ihren Kanonen“. Zuletzt fiel sein Blick auf seine Königin, die links von ihm saß und er rief aus: „Heureka! Meine Königin soll die mächtigste Figur auf dem Brette sein. Acht meiner Söhne und noch einen mehr, soll sie wert sein!“. Und noch am gleichen Tage trug der König seinen Tischlern und Holzschnitzern auf, ihm dieses Spiel mit seinen Figuren zu fertigen. Und er nannte das Spiel Schach. Und er hoffte, dass es gut war.
Als seine Tischler das Spiel fertiggestellt hatten, packte er es ein und ging damit wieder in den Märchenwald hinaus zu der alten Hexe, die wieder an dem mit Seerosen bewachsenen See saß. Er sprach zu ihr: „Sieh, alte Hexe. Ich bin wieder gekommen und ich habe ein Spiel für dich ersonnen“. Und er erklärte der Hexe das Spiel und alle Eigenheiten der Figuren. Und die Hexe ward erfreut und sogleich spielten sie einige Partien und die Hexe bat ihn, das schön geschnitzte Brett mit all den wunderbaren Figuren zu überlassen, da sie Turmendspiele üben wollte. Da überließ König Weißbart ihr das Brett mit all seinen Figuren und versprach ihr, wie vereinbart, am nächsten Vollmond wieder zu kommen. Und die Hexe versprach ihm, das seine Königin ihm nun die ersehnte Tochter gebären werde. Und so besuchte König Weißbart fortan in jeder Vollmondnacht die alte Hexe und sie spielten zusammen Schach. Und tatsächlich gebar ihm seine Königin keine neun Monate später seine lang ersehnte Tochter und der König gab ihr den Namen Cassia und sprach: „Dir, liebster Tochter, widme ich dieses Spiel. Auf das in Zukunft alle Spieler auf deine Gnade setzen können“.
Und schon bald wurde das Spiel am ganzen Hofe bekannt. Es wurde alsbald Spiel der Könige und Königinnen genannt und auch über die Grenzen des Märchenwaldes hinaus gespielt. Und die Menschen veranstalteten bald große Schachfeste mit allerlei Schachvarianten und lustigen Aktivitäten und Grill- und Kartenabenden. Dieses Bild zeigt einen Mannschaftskampf.
Da kam König Weißbart die Idee jeden Spieler gleichzeitig gegen jeden anderen Spieler spielen zu lassen und er rief seine Hofmathematiker zu sich und sprach: „N Spieler sollen gleichzeitig gegeneinander spielen. Wie viel Spielmaterial benötigen wir?“ Da sprachen die Hofmathematiker: „Euer Gnaden, für N Spieler benötigt ihr N * (N-1)/2 Spielgarnituren“. Da sagte der König: „Dann sollen 100 Spieler gegeneinander antreten. Gleichzeitig!“. Da waren die Mathematiker entsetzt und sagten: „Euer Gnaden, dafür benötigen wir 4.950 Bretter!! Die Anzahl der Bretter wächst quadratisch mit der Anzahl der Spieler. So viele Bretter können wir nicht schnitzen, Euer Gnaden“. Da rief der König: „Ich bin der König! Und nun geht und macht wie ich gesprochen habe.“ Und da gingen sie und riefen alle Tischler aus dem ganzen weiten Reich zu sich und sie schnitzen in einem Kraftakt von nur wenigen Stunden 4.950 Bretter und die zugehörigen Figuren. Und so veranstalteten sie ein Turniersimultan, bei dem jeder gegen jeden gleichzeitig spielte.
Und bei allen Turnieren versammelten sich um die Spitzenbretter große Trauben von Menschen, um dem Lauf der Figuren zu folgen.
Und die Berater von König Weißbart ersannen immer mehr Schachvarianten, u.a Baskisches Schach, bei dem an zwei Brettern gleichzeitig gespielt wurde, Tandemschach, auch gespielt an zwei Brettern, bei dem man die geschlagenen Figuren des Gegners wieder einsetzen durfte, neoklassisches Schach, bei welchem die ersten Züge vorgegeben wurden und Schach960, bei dem die Anfangsstellung der Figuren auf der Grundreihe beliebig war.
Tandem war die verrückteste Variante von allen. Es war oftmals ein lautes Grölen und Schreien von allen Beteiligten zu hören.
Kingslayer_93 – GSI16V
(Tandempartie vom 12.01.2018 auf chess.com)
Kingslayer_93 – GSI16V
(Tandempartie vom 12.01.2018 auf chess.com)
Auch im Schach960 waren allerlei verrückte Stellungen entstanden. Besonders beliebt waren Springer in der Ecke. Die Anfangsstellung dieser Partie war (von a nach h: SSDLLTKT).
Gies, Hans-Jörg – Simon, Jonathan
Nach 12. …, axb3 13. axb3 war 13. …, dxc5 kritisch wegen 14. Lxc5 nebst Lxf8. Daher folgte 13. …, Sd5 und nach 14. cxd6 bekam Weiß drei Bauern für die Figur. Man hörte immer König Weißbarts schallende Lacher, wenn eine Partie im Schach960 schon nach zwei Zügen vorbei war, was manchmal vorkam, da selbst in der Grundstellung nicht alle Figuren gedeckt waren.
Simon, Jonathan – Kemmerer, Toni
Nach 1.f4 war der Bauer a7 angegriffen, daher spielte Toni 1. …, a6??. Also ist alles sicher? Wirklich? Zweifel keimen auf…
Nicht besser erging es Thimo Elter in dieser Partie:
Elter, Thimo – Simon, Jonathan
Nach 1.d4, f5 2. g3?? gewann 2. …, Lxb3 die Qualität. Jonathan patzte später aber schließlich und stellte selbst einzügig einen ganzen Turm ein, gewann dann aber dennoch im Endspiel.
So wart dies jedes Mal ein buntes und lustiges Treiben und Beisammensein und alle erfreuten sich an König Weißbart und seiner Königin, ihren acht Söhnen und ihrer Tochter Cassia, die später zu einer Frau heranwuchs, deren Schönheit im ganzen weiten Reich gerühmt wurde. Und der König hielt sein Versprechen gegenüber der alten Hexe und zu jedem Vollmond spielten sie, weit abseits in einem Schlupfwinkel, Schach. Und wenn sie nicht gestorben sind, so spielen sie noch heute.
„Ich habe bemerkt“, sagte Herr K., “daß wir viele abschrecken von unserer Lehre dadurch,
daß wir auf alles eine Antwort wissen. Könnten wir nicht im Interesse der Propaganda
eine Liste der Fragen aufstellen, die uns ganz ungelöst erscheinen?“
B. BRECHT, Geschichten vom Herrn Keuner.
Anmerkungen:
Zu diesem langen Bericht sehe ich mich genötigt, nun doch eine Liste von Fragen aufzustellen, deren Lösung ich zumindst aufzeigen möchte. Zunächst sollte die Struktur des Gesamtberichts klar geworden sein. Zwar sind alle sechs Teilberichte getrennt voneinander zu verstehen, jedoch agieren die beschriebenen Figuren z. T. sehr subtil miteinander. So liegt auf Boris Kowalski’s Tisch die April-Ausgabe des Aschaffenburger Schachblatts, woraus im ersten Teil ein Artikel vorgestellt wurde. Boris ruft später in der Radioshow von Anton und Demir an. Er belauscht an der Bar ein Gespräch über das Morragambit und ein Spieler erzählt von einem Einschlag eines Läufers auf e6. Genau dies passierte dem Eppelein von Gailingen in seiner Morragambitpartie. Willy Lohmann findet viele hundert Jahre später eine Aufzeichnung dieser Partie und stellt sie ins Internet, wo sie wenig später von AlphaZero gefunden wird. AlphaZero deckt weiterhin auf, dass der Einschlag auf e6 eigentlich fehlerhaft war. Im Märchen von König Weißbart gibt es viele sprachliche Anspielungen auf vorherige Berichte (z. B. die Ausstattung der Burg, die Feuersstellen, „ich bin der König“, die Gnade Cassias usw.). Außerdem deutete bereits Willy Lohmann in einem Nebensatz auf einen weißen Bart „eines Königs würdig“ hin. Die Namensgebung der Söhne orientiert sich natürlich an den Namensgebungen der Bauern von GM Lanka.
Der Titel: Danke an Walter Rädler für diesen Tipp auf der Vereinskonferenz in Würzburg.
„A Game of (Chess-)Thrones“ ist natürlich eine Anspielung auf die TV-Serie „Game of Thrones“ bzw. das gleichnamige Buch von GRRM.
Das Aschaffenburger Schachblatt ist eine fiktive Zeitung.
Das Buch auf Boris K’s Tisch „Die Sokolski Eröffung – der beste erste Zug“ ist eine Anspielung auf den Artikel Der beste erste Zug.
Die Phrase „einer wahren Seeschlange von fast 100 Zügen“ kommt auch im Bericht Schach im Dunkeln vor.
Märtyrertod der Dame: Offenbar träumt Boris K. von der Stellung, die später von J. Simon gegen P. Lutz gespielt und von Willy Lohmann beobachtet wird. Auch er hat die gleichen Gedanken wie Boris K. zu dieser Stellung. Auf das Motiv wird auch im Schachgedicht Der neue Tag angespielt.
Contenance: Der Ausruf des bärtiges Mannes „Contenace meine Herren, Contenace“ ist eine Anspielung darauf, dass der Trainer Fins nach Ende der Partie zu ihm sagte: „An deiner Contenance musste du noch arbeiten“ und auf den Artikel „Contenace“ , der jenes Endspiel im Detail behandelt. Auch AlphaZero greift dieses Endspiel in der Radioshow nochmals auf und verrät uns die Lösung.
Verwandlung: Der Anfang, der Titel und der Ausruf am Ende von „Die Verwandlung des Boris K.“ sind aus Kafkas „Die Verwandlung“ entlehnt.
Die sowohl von in „Die Verwandlung des Boris K.“. als auch in „Die Raubzüge des Eppelein von Gailingen“ vorkommende Phrase beim Morra Gambit den „Bauern mit Geduld über 5 Stunden hinweg verteidigt“, ist ein Zitat von Klaus Link, welches auch schon Sir Johann in seinen Aufzeichnungen verwendet.
Künstliche Intelligenz: Schon Sir Johann sinniert in seinen Aufzeichnungen darüber, dass selbst eine künstliche Intelligenz gegen das Aljechin-Gambit in der Französischen Verteidigung verlieren wird und gibt an, selbst schon zweimal in dieser Variante verloren zu haben. Diese Aussage bewahrheitet sich, als AlphaZero in der Radioshow anruft und von seinem Verlust in dieser Variante gegen Stockfish berichtet (Details siehe: Analyse von Daniel King.). Außerdem gibt AlphaZero zu verstehen, dass es die Partien Sir Johanns kennt. Es finden sich noch einige weitere Anspielungen auf Sir Johanns Aufzeichnungen, welche ja z. B. auch von Willy Lohmann gelesen wurden. Bezgüglich mehr Informationen zu AlphaZero kann ich das Buch „Game Changer“ (Amazonlink) von Matthew Sadler & Natasha Regan wärmstens empfehlen.
Pommes mit Trauben: Ist des Eppeleins „Leibspeise“ und wurde auch von Florian Voellinger auf Kos gerne gegessen (für eine Anspielung darauf siehe Bericht Kos). Das Motiv der Traube wird im Bericht an mehreren Stellen allerdings auch in einer anderen Weise aufgefasst 😉
Auch der Eppelein von Gailingen nahm (etwa 100 Jahre nach Sir Johann) am Turnier in Erfurt teil und berichtet z. T. über die gleichen Erlebnisse.
Die Person des Boris Kowalski ist rein fiktiv, jegliche Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist unbeabsichtigt und zufällig.
Auch Willy Lohmann und die mit ihm verbundenen Personen (Linda, Biff, Charlie, Howard, Bernhard) beruhen auf dem Drama Tod eines Handlungsreisenden von Arthur Miller. Ich empfehle insbesondere die Verfilmung von 1985 mit Dustin Hoffmann: Trailer.
Die Radioshow wurde motiviert von einem Kapitel aus David Mitchells Roman „Chaos“ (Wikipedia), in dem auch eine künstliche Intelligenz in einer Radioshow anruft. Ebenfalls ist dieses Kapitel komplett in Dialogform geschrieben.
Schachvater: Dieser Begriff stammt aus Vladimir Nabokovs Roman „Lushins Verteidigung“ (Wikipedia) („Mochte er dort bleiben, unbekannt, doch zweifellos gefährlich, mitsamt seinem schrecklichen Beinamen: Schachvater“, S. 277).
Burg Wildberg: Diese Burg ist heutzutage nur noch eine Ruine mit kaum noch vorhandenem Mauerwerk. Die Bilder stammen von einem Besuch der Ruine von Jonathan und Manuel Simon im Juni 2019. Informationen finden sich z. B. auf Wikipedia. In jüngerer Zeit lebte tatsächlich ein gewisser Rudolf Wohlfahrt von 1949 bis 1960 als Eremit in dem Kellergewölbe der Ruine (Quelle: Infotafel an der Ruine Wildberg).
„Ich bin der König“, „Jeder König, der sagen muss, ich bin der König, ist kein wahrer König“ und „Chaos ist eine Leiter“: Dies sind Zitate aus der TV-Serie „Game of Thrones“. Im Bericht finden sich noch einige weitere Anspielungen auf diese Serie.
„Feuersstellen mit Rauch…“: Das hat keine besondere Bewandnis. Wird allerdings auch schon von Sir Johann in seinen Aufzeichnungen verwendet. Außerdem gab es beim Grillabend von Jürgen Müller im Zuge des Schachfestivals tatsächlich eine solche Feuerstelle.
Linkspyramide: Ist ein Begriff von Michael Scholz, als er nach einer Partie beim BSGW-Open zu mir sagte, ob ich etwa eine Eröffnung „mit Linkspyramide“ gespielt hätte.
Gott ruft an: Der Anruf von Gott in der Radioshow wurde im Bericht selbst schon vorausgedeutet (Grüß Gott, vielleicht ruft morgen Mephisto an, …) und ist eine Anspielung auf das Telefonat von Stefan Scholz mit Gott als sich Gott für die UEM 2014 anmelden wollte. Ich habe dieses Video leider nicht mehr gefunden.
„Da ringt der Teufel mit Gott, und der Kampfplatz sind die Herzen der Menschen“ ist ein Zitat von F. Dostojewski aus „Die Brüder Karamasov“ und deutet schon auf den Anruf von Gott in der Radioshow hin, wo er sich ja dann den Song „Spanish Train“ wünscht, der genau dieses Thema thematisiert: Song auf YouTube.
Materialismus: AlphaZero macht sich darüber lustig, dass eine Dame neun Bauern wert sein soll, während König Weißbart ausruft: „Meine Königin soll die mächtigste Figur auf dem Brette sein. Acht meiner Söhne und noch einen mehr, soll sie wert sein!“
Die Partie Carlsen – Karjakin analysiert auch Daniel King auf YouTube: Analyse.
Die Partien des Eppelein von Gailingen stammen von Jonathan Simon, ebenso die Tandempartie von Kingslayer_93.
Das Zitat ganz am Ende von Berthold Brecht habe ich dem Buch Funktionalanalysis von Dirk Werner entnommen.
Bilder: Jonathan Simon, Manuel Simon, Daniela Susallek sowie aus Pixabay.
Diagramme & Analysen: Jonathan Simon.
Wir weisen ausdrücklich daraufhin, dass jegliche Verwendung des Bildmaterials (ausgeschlossen des Titelbildes sowie des Logos des Aschaffenburger Schachblatts) z. B. auf anderen Homepages einer schriftlichen Zustimmung des Verfassers bedarf. Diagramme können, unter Angabe der Quelle und der beteiligten Spieler, weiterverwendet werden. Ebengleiches gilt, falls dieser Bericht dem Sinn oder dem Wort nach zitiert wird.
neulich habe ich in den alten Unterlagen des Schachclubs gewühlt und dabei ist mir zufällig ein Dokument in altdeutscher Frakturschrift in die Hände gefallen. Dieses Dokument wurde offenbar am Silvesterabend des Jahres 1218 von einem gewissen Sir Johann Fritz Simon aus Mömbris (damals Memmelris) verfasst und handelt von seiner Reise nach Erfurt, wo er zusammen mit seinen Rittersfreunden Sir Michael Garry Scholz, Sir Florian Harry Voellinger und dem Großfürsten Fritz Scholz ein Schachturnier bestritt.
Diesen Bericht möchte ich euch nicht vorenthalten und stelle daher hier das Original Schriftstück zur Verfügung. Die lateinischen Phrasen, die Sir Johann offenbar gerne verwendete, habe ich zum besseren Verständnis ins Deutsche übertragen, das restliche Dokument ließ ich unverändert. Viel Spaß beim Lesen!
Vom 05.10.2018 bis 07.10.2018 nahmen Jonathan und sein Bruder Manuel sowie Michael und sein Vater Fritz am diesjährigen Eschborner Open teil. Gespielt wurden 5 Runden mit dem extrem kurzen Zeitmodus von 90 min + 30 sek/Z ohne Zeitzugabe nach 40 Zügen. Sicherlich war dies auch ein Grund, warum Partien mit -8 in der Endstellung remis gegeben wurden oder andererseits in nur leicht schlechteren Stellung aufgegeben wurde. Wie dem auch sei. Die Punktausbeute war ganz in Ordnung. Jonathan kam auf 3.5 Punkte, Michael und Manuel auf 3 Punkte, wobei Manuel sogar einen Ratingpreis als bester Spieler in der Ratingklasse < 1500 gewann (geteilt mit Klaus Rolle). Fritz kam immerhin auf einen vollen Punkt.
Vielleicht folgen demnächst auch noch ein paar Analysen.
Lange ist’s schon wieder her. Anfang April 2018. Ende März fiel sogar noch Schnee (siehe Schach im Dunkeln). Wir ahnten noch nicht, dass uns der Hitzesommer 2018 bevorsteht… Vom 02. April bis 07. April machten sich sieben Schachfreunde aus Mömbris auf nach Schweinfurt zur „Unterfränkischen“. Und zwar durchaus erfolgreich. Die Sensation schaffte Manuel Simon, der mit 7 aus 9 Punkten das Hauptturnier gewann, aber auch Marius Böhl, Michael Scholz, Markus Susallek und Jonathan Simon konnten in der M2 ganz gut glänzen. Leider gab es damals aus Zeitmangel keinen ausführlichen Bericht. Mehr oder weniger durch Zufall bin ich allerdings auf ein äußerst interessantes Endspiel gestoßen, dass sich in einer Variante der Partie Manuel Simon – Niklas Orf gleich in der ersten Runde im Hauptturnier ergeben hatte. Diese Analyse stehe daher stellvertretend für die anderen zahlreichen, sicherlich spannenden, Partien der Mömbriser Recken.
Simon, M. – Orf, N.
Stellung nach 64 Zügen. Schwarz am Zuge.
Nach 64 Zügen entstand die folgende Diagrammstellung mit Schwarz am Zug. Es folgte zunächst 64. …, a4! Der Bauer kann natürlich nicht geschlagen werden wegen 65. bxa4??, Kxc4 -+. In der Partie folgte 65. Ke2??, was nach 65. …, axb3 66. axb3, Ke4! nebst …, f3 leicht verloren hätte. Es folgte aber 66. …, Kc3??, was sofort zum Remis führte. Weiß sollte sich daher eigentlich um eine Alternative im 65. Zug bemühen, da 65. Ke2?? offenbar sehr leicht verliert. Der König darf nicht wegziehen, sonst folgt immer …, Ke4 mit leichtem Gewinn für Schwarz. Kritisch ist nun mit 65. Sb6 um den Bauern anzugreifen. Dann ist 65. …, a3! der einzige Gewinnzug. Dann folgt 66. Sc4 (was sonst?! Andere Züge siehe unten). Damit erreichen wir die folgende Stellung.
Simon, M. – Orf, N.
Stellung nach 64. Sc4. Schwarz steht auf Gewinn.
Dies ist die eigentliche Ausgangsstellung unserer Aufgabe. Schwarz am Zug kann gewinnen. Der forgeschrittene Spieler sollte versuchen alle relevanten Varianten bis zum Gewinn auszuanalysieren.
Lösung:
Zunächst sieht 66. …, Kd3? sehr natürlich aus. Allerdings kann Weiß dann Remis halten und zwar mit dem einzigen Zug 67. Se5+, von wo aus der Springer nun den Bauer f4 im Auge behalten kann (er deckt das Feld f3). Nach 67. …, Kc2 kommt 68. Ke2, Kb2 69. Kd3 (nicht 69. Sd3+??, Kxa2 70. Sxb4+, Kxb3 -+), Kxa2 70. Kc2! und der König bleibt eingesperrt.
Auch ein Zug wie 66. …, Le7? führt nur zum Remis nach 67. Ke2. Nun kann der König das Feld f3 gefahrlos verlassen, da nach 67. …, Ke4 einfach 68. Sd2+ folgt und Schwarz erreicht nichts. Andererseits kann der Läufer nur von b4 aus das Feld d2 und den Bauern a3 bewachen. Also kann auch der Läufer nicht ziehen.
Der richtige Zug führt Schwarz in die andere Richtung, nämlich 66. …, Kd5!! Weiß ist im Zugzwang. Königszüge verlieren offensichtlich wegen …, Ke4 nebst …, f3 (und hier rettet auch Sd2+ nicht wegen Lxd2). Also 67. Sb6+, Kc5 68. Sc4 (was sonst?!) und jetzt 68. …, Kd4. Und nun ist die Anfangsstellung erreicht aber Weiß am Zug! Okay 69. Sb6 und jetzt erst 69. …, Kd3 70. Sc4, Ke2 71. Kb1 und jetzt ist 72. Kd3 am hartnäckigsten. Aber auch 72. Kd1 ist nicht einfach. Schwarz gewinnt in jedem Fall indem er Weiß in Zugzwang bringt.
Simon, M. – Orf, N.
Stellung nach 72. Kd1
Im Prinzip versucht Schwarz die Damenflügelbauern abzugrasen und eventuell mit dem f-Bauern nach vorne zu laufen, allerdings ist dies nicht so einfach. Das geradlinige 72. …, Kxa2 scheitert an 72. Kc2! und der schwarze König ist eingesperrt. Der f-Bauer wird vom Springer aufgehalten und Schwarz schafft es nie ein Tempo zu gewinnen, sodass der Läufer nie im richtigen Moment nach f4 kann um dem Springer alle Felder zu nehmen. Das liegt vor allem auch an dem weißen b-Bauern, der anfangen kann zu laufen. Beipspielhaft könnte z. B. die folgende Stellug entstehen (Variante siehe unten):
Simon, M. – Orf, N.
Nun kann der Springer wieder ziehen!
Der Läufer kann nur von f4 aus den Springer komplett dominieren. Müsste Weiß jetzt einen Königszug machen, wäre er klar verloren, da der schwarze König nicht länger eingesperrt bliebe. Allerdings ist jetzt wieder Se3 bzw Sd2 möglich! Fantastisches Schach! Wird er geschlagen läuft der Bauer durch und Weiß hat ein Dauerschach (siehe unten). Schwarz kommt nicht weiter. Die Stellung ist Remis.
Zurück zum obigen Diagramm nach 72. Kd1. Da …, Kxa2 verfrüht ist, ist 72. …, f3! ein Versucht wert. Danach ist 73. Se3 erzwungen und nach 73. …, f2 74. Sf1.
Simon, M. – Orf, N.
Stellung nach 74. Sf1. Wie geht es weiter?
Offenbar ist 74. …, Kxa2 wegen 75. Kc2 wieder fehlerhaft. Der Gewinnzug ist 74. …,Kb2!! Ein starker Abwartezug. Weiß hat nichts besserers als 75. Se3 (oder Sg3), Ld6 76. Sf1, Lf4 77. b4. Im Unterschied zu oben ist der schwarze König nun beweglich. Der einzige Gewinnzug ist 77. …., Kc3 78. b5, Kd3 79. b6, Ld6 80. b7, Lf4!
Simon, M. – Orf, N.
Nun geht Se3 oder Sd2 nicht mehr
Nun folgt auf 80. …, Sd2 oder 80. …, Se3 (was oben ja funktionierte wegen der Ablenkung) jetzt einfach LxSpringer nebst f1D#.
Kehren wir zurück zum 72. Zug. Hat Weiß mit 72. Kd3 (statt 72. Kd1) mehr Erfolg. Schließlich droht jetzt nicht mehr die Komplette Kaltstellung durch einen Läufer auf f4.
Simon, M. – Orf, N.
Stellung nach 72. Kd3
Dieser Zug hat allerdings einen anderen Nachteil, den 72. …, Kd1 nicht hatte! Zunächst ist 72. …, Kxa2?? wegen 73. Kc2 nicht möglich. Also wieder 72. …, f3!, 73. Se3 und nun 73. …, Ld6! 74. Sf1, Lf4!
Simon, M. – Orf, N.
Stellung nach 74. …, Lf4!
Schauen wir uns wieder den schon bekannten Marsch des b-Bauern an. 75. b4. Jetzt folgt ein anderes Motiv! Und zwar können wir diesmal ausnutzen, dass der weiße König die Grundreihe verlassen hat, und der Weg zum Königsflügel jetzt offen steht (beachte, dass z. B. 72. …, f2? auch verfrüht gewesen wäre, da sich dann der weiße König wieder mit Ke2 in den Weg stellen könnte). Es folgt also 75. …, Kc1! 76. b5, Kd1! 77. b6 (77. Se3+ verliert auch), 77. …, f2 78. b7, Ke1. Nun muss der Springer ziehen, Schwarz zieht ein, gewinnt den Springer und die Partie.
Simon, M. – Orf, N.
Stellung nach 78. …, Ke1. Es ist vollbracht.
Man beachte, dass in dieser Variante jeder Zug ein einziger Zug war! So ein Endspiel hat natürlich schon eine gewisse Schönheit. 😀
12.05.2018, 02:15 Uhr, Alzenau-Wasserlos. Totenstille. Ein Geräusch schallt durch die Nacht. Jonathan zieht die Handbremse seines Seat Ibiza an. Motor aus. Der Festlärm vom Raawicher-Woaschtfest klingt ihm noch in den Ohren. Er ist seit nunmehr 19 Stunden wach. Schnell noch den Standort des Autos an die Eltern schicken. Das wird in den nächsten Tagen nicht gebraucht. Er steigt aus und klingelt bei Michael Scholz. Er hatte immerhin ein paar Stunden geschlafen. Michaels Sohn war auch da. Wir luden Koffer in sein Auto. Ein Motorgeräusch schallt erneut durch die stille Nacht. Rücklichter und Frontscheinwerfer leuchten auf. Autoreifen rollen aus dem Hof. Dann waren sie weg. Stille über Wasserlos.
Was? Weg?! Nein! Jetzt ging es erst los! Oder, wie Jonathan schon die extra eingerichtete WhatsApp-Gruppe taufte: „Auf los geht’s Kos“. Kos? Ist das nicht eine Insel in der östlichen Ägäis? Sicherlich! Aber ihr wollt doch da sicherlich nicht? Doch wollen wir! Zum Schachspielen?! Ja klar! Zur Amateur-Schachweltmeisterschaft von ACO! Welche nun eben auf der schönen griechischen Insel Kos stattfand.
Nächster Halt: Dettingen. Auch Florian Voellinger hatte ein paar geruhsame Stunden im Bett (statt auf dem Woaschtfest) verbracht. Weiter nach Frankfurt, Terminal 2. Abflugzeit: 04:45 Uhr. Als Flugproviant sorgten Schnitzelbrötchen für beinahe 5 €. Abflug im Tui-Flieger. Die coolen sitzen natürlich in der letzten Reihe – ja auch im Flugzeug. Dann endlich über den Wolken. Von grenzenloser Beinfreiheit war nie die Rede. Etwa vier Stunden später (inkl. einer verlorenen Stunde durch Zeitzonenüberquerung), waren die drei Schachspieler (?!), Urlauber (?!) oder wie man sie auch nennen mag am ersehnten Zielort eingetroffen. Ein Taxi war schnell gefunden, der Taxifahrer begrüßte uns schon lachend mit den Worten: „Ah chess!“. Zwanzig Minuten Fahrt durch sehr trockene Landschaften später, erreichten wir nun unser Hotel und gleichzeitig Spielort neun Runden spannenden Schachs, das Helona Resort. Das Meer in Sichtweite. Manche Apartments besaßen sogar eigene Pools. Die Mai-Sonne brannte vom Himmel. Die sehr komfortabel ausgestatten Zimmer waren schnell bezogen. Mittlerweile war es 12 Uhr Mittags. Jonathan knapp 30 Stunden wach. Mittagessen gab es ab 13:00 Uhr. Die Zeit nutzten wir zu einem ersten Abstecher an den Strand, der direkt zum Hotel gehörte. Danach genossen wir das erste von noch vielen kommenden Essen. Ein reichhaltiges Buffet mit allerlei Salaten, Obst, Vor- und Hauptspeisen, Fisch, Fleisch, Pommes (mit Trauben) und unglaublich süßen Nachspeisen, wartete darauf unsere hungrigen Mägen zu sättigen. Vor allem beim Abendessen auf der Terrasse zu sitzen, mit einem Glas Rotwein und Meerblick, eine sanfte Brise durchweht das Haar… Herrlich! Dennoch, Jonathan war mittlerweile seit 40 Stunden am Stück wach und so gingen um ca. 23 Uhr die Lichter aus. Der Schlaf der folgenden Nächte sollte nicht ganz so geruhsam werden wie jener der ersten.
Zweiter Tag. Nun durften wir auch das Frühstücksbuffet in Augenschein nehmen. Es stand dem Mittag- bzw. Abendessen in nichts nach. Von süß bis herzhaft war wieder alles geboten, der Kaffee wurde frisch serviert, dazu tranken wir gerne einen frisch gepressten Orangensaft. Nach dem Frühstück begann nun auch der schachliche Teil dieser ganzen Veranstaltung. Gespielt wurden 9 Runden Schweizer(in)-System mit einer Bedenkzeit von 90 min/40Z. + 15 min + 30 sek/Z ab dem ersten Zug. Ausgetragen wurde das Turnier in mehreren Elo-Gruppen (Gruppe A: 2400 – 2200, Gruppe B: 2200 – 2000, Gruppe C: 2000 – 1800 usw.). Jonathan (mit einer Elo von 1995), hatte sich in die höhere Gruppe B eingeschrieben, Michael und Florian spielen ihrer Zahl gemäß in Gruppe C.
Ab jetzt verliefen die Tage des Trios relativ gleichmäßig, weshalb ein detaillierter täglicher Bericht den Leser eher langweilen als unterhalten dürfte (oder den Urlaubsneid aufflammen lassen!). Rundenbeginn war jeweils um 10 Uhr. Jonathan begab sich nachmittags gerne an den Strand, die Wassertemperatur war übrigens schon durchaus badetauglich. Zwischen 19 und 20 Uhr verschwand die Sonne hinter der Bergkuppe, wonach man sich fertig zum Abendessen machte (meist noch satt vom Mittagessen, was es von 13 bis 15 Uhr gab). Da erwartete uns drei schon wieder ein Buffet und die nette Dame, die jeden (!) Gast am Eingang mit einem Lächeln auf dem Gesicht fragte: „Would you like to sit inside or outside?“. Wenn man dann mit „outside“ antworte hieß es immer sinngemäß: „At the moment outside is full, but you can wait a few minutes“. Das ging aber meist doch sehr zügig! Nach dem Abendessen war ein Besuch der Bar dann obligatorisch. Die Bar war im Foyer des Hotels angesiedelt, genauso wie der Analyseraum. Bar und Analyseraum in einem?! Beste Idee! 😉
Hervorzuheben sind in jedem Fall noch die Seminare, welche von GM Zigurds Lanka angeboten wurden (an insgesamt drei Nachmittagen). Die Lektionen, in denen es meist um dynamisches Angriffsschach ging, waren immer in einem sehr humorvollen und lockeren Stil gehalten. Neben den zahlreichen Anekdoten (z. B. die Benennung der Bolt-Struktur -> siehe auch Titelbild und Bild unten!) und russischen Sprichwörtern („Man kann nicht alle auf einmal aufhängen“), trug dazu insbesondere die kreative Namensgebung schachlicher Objekte des GM dazu bei. So bekamen zum Beispiel alle Bauern Namen. Fritz, Garry und Harry alias f-, g-, und h-Bauer hatten es dem Trio besonders angetan. Michael war auch stolz auf Boris (b-Bauer), da er gerne mit 1. b4 eröffnete. Aber auch von der Angriffsrochade, den Überläufern und den Revolverspringern war die Rede! Gewürzt mit köstlichem Königsangriffen („auf das Kreuz musst du spielen!“, „Elo schützt nicht vor Matt“), fast so köstlich wie das Abendessen. Im übrigen Stand GM Lanka auch nach Beendigung einer Partie während der Runde zur gemeinsamen Analyse zur Verfügung. Ein Angebot, welches reichlich genutzt wurde. Besonders begeistert war er von Michaels Angriffspartie, natürlich mit der b4-Eröffnung (siehe unten).
Auch Jonathan wagte sich in der dritten Runde an der b4-Eröffnung und es entstanden komplizierte Verwicklungen im Mittelspiel. Jonathan opferte sogar einen ganzen Springer + Qualität für Angriff, aber es war too much. Spannendes Schach war also durchaus geboten. Hier nur ein paar wenige Beispiele (vollständige Partien der ersten beiden Diagramme finden sich unten).
Simon, J. – Mustonen, I.
Scholz, M. – Bajec, T.
Simon, J. – Aigner, M.
Weiterhin gab es mehrere Blitzturniere und eine Simultanveranstaltung (mit vier Simultangegnern). Beim Simultan gelang Michael Scholz mit den schwarzen Steinen ein sauberer Sieg gegen FM Jens Hirneise (Partie siehe unten), Jonathan spielte die längste Partie gegen IM Tobias Hirneise, die in einem Remis hätte enden können (Partie ebenfalls unten). Leider fand Jonathan die korrekte Fortsetzung nicht. Somit hatte Tobias Hirneise keinen einzigen Punkt abgegeben, auch keinen halben. Ziemlich gut schnitt Jonathan v.a. beim letzten Blitzturnier ab, bei dem er mit 4.5/7 den 22. Platz belegte.
Für diejenigen Schachfreunde, die gerne das Tanzbein schwingen, bot sich beim traditionell griechischen Tanzabend reichleich Gelegenheit dem nachzugehen. Die Tanzwütigen hatte es teilweise bis in den Speisesaal verschlagen!
Der Donnerstag war schließlich spielfrei. Wir nutzen die Gelegenheit und mieteten uns ein Auto, um die Insel auf eigene Faust zu erkunden. Wir fuhren über die Berge in die Inselhauptstadt Kos-Stadt (es war mit ca. 35 °C im Schatten der heißeste Tag unseres Aufenthalts). Dort erkundeten wir neben einem alten Kolosseum insbesondere die Hafenanlagen der Stadt.
Nach dem spielfreien Tag waren noch 3 Runden zu spielen. Nach einem Sieg in der drittletzten Runde, durfte sich Michael berechtigte Hoffnungen auf einen Podiumsplatz machen! Auch Florian starte nochmal durch und rollte das Feld von hinten auf. Jonathan dümpelte weiter auf den hinteren Plätzen herum, für ihn war das Turnier nach dem 0/3 Start quasi schon gelaufen. Es ist allerdings auch nicht so einfach, wenn man immer nur gegen stärkere Gegner (in dem Fall Gegner mit Elo > 2000) spielen muss. Leider war Michaels Spielkunst (oder eher Spielglück) zum Ende versiegt, denn er verlor die letzten beiden Partien und landete auf Rang 13. Florian belegte am Ende den 11. Platz und Jonathan verbesserte seine Startlistenposition immerhin um zwei Plätze. Besonders Michael durfte sich über sehr internationale Gegnerschaft freuen. Seine Gegner kamen u. a. aus Slowenien, Polen (Gruppensieger), Schweiz, Belgien und Schweden.
Eine Überraschung erwartete uns schließlich noch bei der Siegerehrung am Sonntagnachmittag, denn Judith Polgar persönlich war als Ehrengast zugegen. Weiterhin durften wir auch Zeuge der Erstpremiere des Songs „Oh Capablanca“, werden (wahrscheinlich der erste Song, in dem das Wort Stockfish vorkommt). Nach einem letzten Gruppenfoto war auch schon alles erledigt. Das letzte Mal Abendessen, das(vor-) letzte Mal in die Bar.
Am nächsten Morgen noch einmal frühstücken, dann auschecken. Der Rückflug ging erst spät abends, daher blieb noch genug Zeit für einige lange Stunden am Strand bzw. Pool. Jonathan ließ sich das letzte köstlich herbe Bier auf der Terrasse mit Meerblick schmecken. Gegen 18 Uhr hieß es endgültig Abschied nehmen.
Um halb elf standen wir nach 10 Tagen wieder auf deutschem Boden. Die technischen Schwierigkeiten bei der Gepäckausgabe waren natürlich nichts im Vergleich zu den Schwierigkeiten mit denen wir am Schachbrett konfrontiert waren…. Fortsetzung folgt.
Irgendwann…
Ein weiterer Bericht von KOS findet sich auch auf der Seite des Schachclubs Dettingen.
Alle Turnierinfos und weitere Impressionen finden sich auf der Seite der ACO.
Genau wie bei der „Unterfränkischen“ in Schweinfurt (ein Bericht folgt noch), waren die Mömbriser beim 7. Alzenau spielt Schach auch tatkräftig vertreten. Gespielt wurden 20 Minuten Schnellpartien in 6er Gruppen nach Spielstärke, also insgesamt 5 Runden. Jonathan spielte in der ersten Gruppe (TWZ-Schnitt: 2007), Markus, Marius und Frank Kunkel in der zweiten Gruppe (TWZ-Schnitt: 1877), Michael Scholz und Kevin in der dritten Gruppe (TWZ-Schnitt: 1740), Fritz Scholz in der sechsten Gruppe (TWZ-Schnitt: 1294) und schließlich Marina Kunkel in der Gruppe 9.
Jonathan erreichte mit 3 aus 5 den 4. Platz, Markus ebenfalls mit 3 aus 5 den zweiten Platz in seiner Gruppe. Kevin Trapp und Michael Scholz belegten die Plätze 3 und 4 in ihrer Gruppe. Fritz zeigte einmal mehr, dass man auch im Alter von über 80 Jahren noch gutes Schach spielen kann, denn er gewann mit 4 aus 5 seine Gruppe! Jonathan spielte seine Partien, an den von der UEM schon berüchtigten, „Live-Brettern“, daher anbei, neben einigen Impressionen, auch die Partien.
Jonathan Simon gegen Stefan Scholz: Ein spannender Königsinder
Toni Kemmerer war zum kiebitzen gekommen!
Viele Mömbriser duellieren sich in Gruppe 2
Kevin Trapp – am Ende dritter in Gruppe 3. Im Hintergrund kiebitzt Fritz Scholz.
Berlin! Woran denken Sie? Brandenburger Tor, Reichstag, Mauer, Merkel, Checkpoint, Fußball? Ja ich auch. Aber haben Sie schon einmal vom Kühlhaus in Berlin gehört? Nein?! Ich auch nicht. Die Schachspieler Caruana, Kramnik, Karjakin & Co wahrscheinlich auch nicht. Ein Kühlhaus als Austragungsort für das wichtigste Schachturnier der Welt? Klingt abenteuerlich. Kling kalt. Aber irgendwie auch modern. Gekühlte Ware ist in Zeiten der Globalisierung ein begehrtes Gut. An was die Spieler sicher nicht dachten ist ein (nicht nur halb verfallenes) uraltes Gebäude Mitten in Berlin Kreuzberg.
Dementsprechend groß war wahrscheinlich auch der Kulturschock der Schachspieler, die hier über mehrere Wochen hinweg gedachten den vielleicht bald besten Schachspieler der Welt zu ermitteln. Schach in der Geisterbahn titelte bereits ChessBase. Sergey Karjakin antwortete in der Pressekonferenz nach der ersten Runde auf die Frage, was ihm hier gefalle mit „gar nichts“.
Schach in der Geisterbahn?
Dementsprechend vorbereitet trafen die Mömbriser Marius Böhl und Jonathan Simon zusammen mit Stefan Scholz vom SC Königsspringer Alzenau am Freitag, den 23.03.2018 in Berlin ein. Das Hostel und ein vorzüglicher Italiener waren schnell gefunden, dann machten wir uns auf zum Kühlhaus. Die Verfallserscheinungen an der Fassade wurden durch ein riesiges schwarzes Stofftuch kaschiert, welches auf das Kandidatenturnier und die Präsenz der FIDE hinwies. Der Haupteingang in das Gebäude des vorletzten Jahrhunderts war wohl höheren Persönlichkeiten vorbehalten. Das gemeine Zuschauervolk wurde durch einen lila erleuchteten (ebenfalls uralten) Steintunnel zu einem mit Holzbrettern präparierten Hintereingang geführt. Drinnen angekommen vergaß man sofort welche Tageszeit gerade draußen war. Hier war es nur schwarz und dunkel und alt. Uralt. Wo uns kein halb verfallenes Mauerwerk entgegen starrte, blickten wir auf tief schwarze Stoffverhüllungen. Wird eigentlich schon ein Verbot der Vollverschleierung für Gebäude diskutiert? Jetzt vielleicht schon… Zweiklassengesellschaft gibt es heutzutage nicht nur bei der Deutschen Bahn, sondern neuerdings auch beim Schach! Hier waren es sogar drei Klassen: Gold, Silber und Weiß (es gab auch noch Grün, dessen Bedeutung mir aber „Schleier“-haft blieb). Wir hatten uns immerhin Tickets der Kategorie Silber geleistet und bekamen entsprechende Bändchen. An jeder Ecke postierte wachsame Aufseher, natürlich vollkommen in Schwarz, achteten von nun an höllisch darauf, dass sich jeder seiner Klasse gemäß bewegte und nicht in upper-class-Territorium schritt. Das Kühlhaus besteht aus vier Stockwerken. Die Spieler spielten im Erdgeschoss, während sich die Zuschauer auch auf Galerien im ersten, zweiten oder dritten Stock begeben konnten. Von dort konnten sie stehend, und nur stehend, auf das Geschehen unten hinabblicken. So richtig erkennbar waren die kleinen Holzfiguren vom dritten Stock aus allerdings auch nicht mehr. Wenigstens sorgten ein paar Bildschirme vor dunklen Sitzecken für entsprechende Stellungsbilder. Die Sitzecken waren sogar so dunkel, dass sich Stefan zu einem sehr ausführlichen Nachmittagsschläfchen verleiten ließ und das Remis zwischen Wesley So und Shakhriyar Mamedyarov somit verschlief. Ich weiß natürlich nicht, ob die dunkle verfallene Umgebung auch auf Stimmung und Wachheit der Spieler drückte, die Veranstalter versuchten offenbar mit hellen Strahlern dem Abhilfe zu verschaffen. Vielleicht ist es aber auch ein state-of-the-art Trend: Schach im Dunklen. Der letzte Schrei des Schachsports? Die Mainaschaffer können da auch schon ein Lied von singen. Ich verweise auf meinen Bericht Es werde Licht!
Nun denn, der Worte sind genug gewechselt, wir wollen nun auch Taten sehen. Alles in allem war es natürlich schon ein sehr spannendes Erlebnis. Die acht weltbesten Schachspieler in einem Raum versammelt zu sehen, ist schon etwas Besonderes. Das Blitzen der Spieler in der Zeitnotphase, die obligatorische weiße Plastiktüte Grischuks, der Kaffeekonsum der Kontrahenten usw. sorgte für reichlich „Insiderinformationen“, wie Manuel sich ausdrückte. Später durften die Zuschauer auch live bei den Pressekonferenzen dabei sein und sich die Kommentare der Spieler zu ihren Partien ansehen. Sogar Autogramme wurden reichlich gegeben. Es gab auch eine Live-Kommentierung, die leider im gleichen Raum wie der allgemeine Spiel- und Aufenthaltsraum war, und somit akustisch wenig verständlich. Werfen wir nun noch einen Blick auf die vier Partien des Nachmittags, spannend waren sie durchaus.
So, Wesley – Mamedyarov, Shakhriyar
Die Partie begann mit einer katalanischen Eröffnung (Hauptvariante mit 7. Dc2, c6), verflachte aber sehr bald in ein Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern und Mehrbauer für Wesley. Es war ganz lustig zu sehen, wie Wesley, mit einem Grinsen auf dem Gesicht, das Remisangebot seines Gegners ablehnte. Wenige Züge später einigten sich die Kontrahenten aber dennoch friedlich.
Caruana, Fabiano – Kramnik, Vladimir
Fabiano wurde in der Eröffnung überrascht und verfiel schon im sechsten Zug in längeres Nachdenken. Kramnik wählte die folgende Neuerung in der Variante, die nach 1.c4, e6 2. Sc3, d5 3. d4, c6 4. e4, dxe4 5. Sxe4 normalerweise nach 5. …, Lb4+ 6. Ld2, Dxe4 in ein sehr scharfes Gambit überleitet. Statt 5. …, Lb4+ spielte Kramnik allerdings 5. …, c5!? und bot seinerseits ein Bauernopfer an.
Caruana, F. – Kramnik, V.
Stellung nach 5. …, c5!?
Es folgte 6. Sxc5, Sc6 7. Sf3, Sxd4 8. Dxd4, Dxd4 9. Sxd4, Lxc5 10. Sb5, Ke7. Kramnik wusste offenbar was er tat, und im 40. Zug wurde in einem Bauernendspiel Remis vereinbart.
Pressekonferenz nach der Partie
Aronian, Levon – Karjakin, Sergey
Für Aronian war das Turnier zu diesem Zeitpunkt schon gelaufen und er hatte keine Hoffnungen mehr irgendetwas zu erreichen. Karjakin, mit 1 aus 4 gestartet, setzte allerdings nochmal zu seinem Endspurt an. Es war erneut eine katalanische Eröffnung. Am Ende gewann Karjakin, Aronian machte einen schlichtweg demotivierten Eindruck auf der abschließenden Pressekonferenz.
Ding, Liren – Grischuk, Alexander
Eine wahre Seeschlange von fast 100 Zügen und ein hochtaktisches Feuerwerk im Mittelspiel produzierten Ding Liren und Alexander Grischuk. Die Partie startete mit 1. c4 und ging dann in eine Variante des angenommenen Damengambits über. Nach 21 Zügen kam es zu folgender Stellung:
Ding, L – Grischuk, A
Stellung nach 21. …, Kf8
In dieser Stellung setzte Ding zu einem fantastischen Angriff an, eingeleitet durch das doppelte Bauernopfer 22. d5!, exd5 23. e6!, fxe6 24. Sg5.
Die Spieler gerieten bereites jetzt in hochgradige Zeitnot (< 5 min.). Nach 28 Zügen entstand die folgende Stellung:
Ding, L – Grischuk, A
Stellung nach 28. …, Lxd5
Hier hätte 29. Sd8! zum sofortigen Zusammenbruch von Grischuk geführt! Der Zug erinnert stark an den Zug 37. Se8+ der Partie Kramnik – Aronian vom Vortag. Ding lies diese Möglichkeit allerdings aus und spielte 29. Sf4, wonach seine Stellung immer noch gewonnen ist. Nach weiteren furiosen taktischen Verwicklungen (29. …, Sc1!! nebst …, Sd3 usw.) entstand nach der Zeitnotphase im 42. Zug diese Stellung:
Ding, L – Grischuk, A
Stellung nach 41. …, Sgf7
Ding hat das Läuferpaar und eine Qualität für einen Bauern. Hier entschied er sich für 42. Lxe5?, was das Läuferpaar aufgibt. Ab hier war Grischuk wieder im Rennen. Gehen wir weitere 30 Züge voran:
Ding, L – Grischuk, A
Stellung nach 73. Tb7
Grischuk hat einen Freibauern auf der b-Linie und Springer + Läufer gegen Turm + Läufer. Sein Trumpf ist der Bauer auf g7, der ein Foranschreiten des weißen g-Bauern verhindert. Weiß muss also den Turm für den g7-Bauern opfern, wenn er etwas erreichen will. Es folgt 73. …, b1D 74. Lxb1, Sxb1 75. Txg7 und nun wäre 75. …, Lxg7?? 76. Kxg7 ein schwerer Fehler, denn Schwarz wird den Bauern g6 nicht mehr rechtzeitig stoppen können. Stattdessen folgte 75. …, Sc3 und der Läufer findet nun immer ein Feld auf der Diagonalen d4-h8. König und Turm können dem Läufer zusammen maximal vier Felder wegnehmen, also bleibt ihm immer ein Fluchtfeld. Ding überführte nun seinen König auf f7 und spielte dann Tf6 (jetzt blockiert der Turm die Diagonale), aber in diesem Fall war der Springer auf c3 nah genug, um sich für den Bauern zu opfern. Remis.
Die nächsten beiden Tage verbrachten wir noch mit Ausflügen in Berlin (mit sehr ausgedehnten Fußmärschen), während Jonathan sogar noch bis Rostock weiterreiste.
Für eine vollständige Analyse der Partie Ding, L – Grischuk, A empfehle ich die Analyse von Daniel King.
Am 29.12.2017 fand unser traditionelles Silvesterblitzturnier statt. Zwölf Spieler trafen sich trotz unerwartet heftiger Schneefälle in unserem Spiellokal „Zum Jule Otto“ ein, um den Sieger des Turniers in einem Vollrundenturnier zu ermitteln. Nach nervenaufreibenden elf Partien stand der Sieger mit 10.5 Punkten fest: Unser Neuzugang Ulrich Fischer, der nur ein Remis gegen den Zweitplatzierten Markus Susallek (10 Punkte) abgab.
Das Silvesterblitz ist gleichzeitig auch das letzte Blitz der Jahresgesamtwertung. Hier stand der Sieger allerdings schon vor dem letzten Turnier fest. Toni Kemmerer ist Blitzmeister 2017, gefolgt von Markus Susallek und Kevin Trapp.
Unter Blitzturniere findet ihr noch weitere Impressionen des Turniers sowie den Endstand der Blitzmeisterschaft.
Den Damenfang und die gesamte französische Partie möchte ich euch hier präsentieren. Beginnen wir mit der Partie gegen IM Dubiel. Jonathan wählte den Jussupow-Aufbau und erreichte nach dem 16. Zug die folgende Stellung.
Nach 17. f5! folgte 17. …f6?.
In dieser Stellung kann Weiß die schwarze Dame gewinnen (für Turm und Läufer), was dem Leser als Übungsaufgabe gestellt sei. Nach dem Damengewinn bot Schwarz Remis an und Jonathan nahm dieses Angebot an. Laut Stockfish ist die weiße Stellung leicht besser, aber in der praktischen Partie wahrscheinlich schwer zu gewinnen.
Die sicherlich verrückteste Partie von Jonathan geschah allerdings am darauf folgenden Morgen in Runde Nr. 4. Möge der Leser sich an den reichlichen Varianten und Analysen bereichern.
Auch in diesem Jahr waren Jonathan und Manuel Simon wieder beim Kurz-Open in Buchen vertreten. Auch in diesem Jahr fand zur gleichen Zeit wieder der Schützenmarkt statt, welcher zu einigen spontanen Besuchen verleitete. Jonathan erreichte mit 3.5 aus 5 Punkten einen guten 8. Platz, Manuel schnitt weniger gut ab. Anbei findet ihr einige spannende Stellungen zum Lösen. Die Lösungen finden sich am Ende des Berichts.
Die folgende Stellung stammte gleich aus der ersten Partie von Jonathan. Er spielte gegen einen nominell deutlich schlechteren Gegner. Nach einem modernen Königsfianchetto kam es im 18. Zug zu folgender Stellung:
Diese Chance ließ ich allerdings aus. Es wurden einige Figuren getauscht und nach 25. Dd2 bot Weiß in dieser Stellung remis an.
Jonathan lehnte ab und spielte 25. …,De7. Darauf folgte 26. Lg5??, was Schwarz einen schnellen Sieg sicherte.
Die spannenste Partie von Jonathan wurde sicherlich in der Runde Nr. 4 gespielt. Er trat mit den weißen Steinen gegen Stefan Blank aus Sulzbach an. Bereits im Jahr 2014 trafen diese beiden bei der Unterfränkischen Meisterschaft in Klingenberg aufeinander. Damals führte Jonathan die schwarzen Steine und gewann nach 72 Zügen eine sehr spannende Partie. Wohlgemerkt war dies auch die einzige Partie von Jonathan, die sich wirklich über die volle Spielzeit von 6 Stunden erstreckte. Würde es erneut eine solch lange Partie geben?! Nein, aber spannend war sie trotzdem. Schauen wir uns die Stellung nach der Eröffnung (ein Doppelfianchetto-System) im 16. Zug an.
Es droht jetzt …, exd4. Außerdem steht der weiße König gefährlich in der Diagonale der schwarzen Dame. Doch offenbar ist der Sd7 jetzt ungedeckt und er steht schon in der Linie des Turmes. Daher verbietet sich 17. dxe5, dxe5?? wegen 18. Txd7 und auch 17. …, Lxe5 ist wegen 18. Sxe5, Sxe5 19. Txd6 nicht möglich. Spielt Schwarz sofort 17. …, Sxg3? so folgt 18. exd6 und Weiß steht gut. Es bleibt also nur 17. …, Sxe5. Aber auch jetzt ist der Bauer d6 ungedeckt.
18. Txd6, Sxg3?? (das war die Idee von 16. …, Sh5) verbietet sich jetzt wegen des starken Zuges 19. Sd5!, Dc5 20. Se7+ nebst 21. Sxc8 und der Turm ist gedeckt. Allerdings hat Schwarz den starken Zwischenzug 18. …, Dc5, welcher den Turm sofort angreift! Das hatte Jonathan übersehen, doch wie schlimm ist das?
Jonathan bemerkte schnell, dass nach 19. Tdd1, Sxf3+ 20. Lxf3, Lxc3 die Fesselung 21. Tc1 einfach an 21. …, b4 scheiterte. Also ist der Turmrückzug nicht möglich? Überraschender Weise sagt die Maschine, dass es der beste Zug ist. Doch wie geht es nach 19. Tdd1, Sxf3+ 20. Lxf3, Lxc3 21. Lxc3, Dxc3 22. Lxh5, gxh5 weiter? Die Antwort 23. Td7!
Schwarz hat eine Figur für einen Bauern mehr, aber der Lb7 ist angegriffen. Es ist verblüffend, dass Schwarz die Figur zurückgeben muss. 23. …, La6??, 23. …, Tab8?? und 23. …, Ta7?? scheitern jetzt an dem bärenstarken 24. e5!! (es droht 25. Te3!, Dc5 26. e6 nebst exf7+ und vernichtendem Angriff). 23. …, Tcb8 führt nach 24. e5!!, Lc8 25. Txf7!, Kxf7 26. Dxh7 zum Dauerschach. Es bleiben 23. …, Td8 und 23. …, Txa2! welche die Figur für eine ungefähr ausgeglichene Stellung wieder zurückgeben.
Zurück zum Text. Es ist nicht weiter verwunderlich, dass Jonathan diese Computervarianten nicht erkannte. Statt 19. Tdd1 entschied er sich für das Qualitätsopfer mittels 19. Sxe5!? und rechnete eigentlich mit 19. …, Dxd6 20. Sg4 (20. Sd3 ist eine Alternative)
Hier dachte Jonathan, er hätte genug Kompensation, was laut Stockfisch auch zutrifft, außer nach dem verblüffenden 20. …, Sxg3! 21. fxg3, Dc5+ 22. Kh2
Jetzt kann Schwarz zwar mit 22. …, Lxc3 sich die Figur schnappen, aber das führt nach 23. Tf1 nebst Sh6+ zum Dauerschach! Besser ist daher 22. …, h5! und dann 23. Sa4!!?
Beide Springer hängen gleichzeitig! Aber man kann immer nur eine Figur schlagen…
Jetzt folgt nach 23. …, Df8 24. Sb6 mit Gabel und nach 23. …, Dg5 folgt 24. h4, Dxg4 25. Lxg7 nebst Sb6 (=). Kritisch ist 23. …, bxa4 24. Lxg7, hxg4 (aber nicht 24. …, Kxg7? wegen 25. Db2+ und Weiß ist wieder im Rennen) 25. La1 und es beleibt die Frage als wie schwach sich die schwarzen Felder um den König erweisen werden.
Doch zurück zum 19. Zug nach 19. Sxe5!?
Stefan entschied sich nämlich nicht für die Annahme des Qualitätsopfers sondern spielte hier 19. …, Lxe5!? Es folgt 20. Td7, Lxg3 und nun brachte Jonathan den Mehrzweckzug 21. Te3! an. Dieser unterbricht die Fesselung des Bauern f2 und droht gleichzeit mit Te3 – f3 eine gefährliche Aktivierung des Turmes.
Jetzt wäre die Stellung nach 21. …, Tc7 oder 21. …, Lf4 ausgeglichen. Stattdessen folgt 21. …, Lc7?? was nach 22. e5!! erneut zu einem entscheidenden Angriff für Weiß geführt hätte. Jonathan spielte allerdings 22. Tf3!? und gewann nach 22. …, f6? 23. e5! (23. Dc1 ist besser) leicht. Allerdings wäre 22. …, De5! erneut eine wundersame Rettung für Blank.
Jetzt scheitert nämlich das gefährlich aussehende 23. Tfxf7? an 23. …, Dh2+ 24. Kf1, Tf8!! 25. Txc7 (einziger Zug), Txf7 26. Txf7, b4 27. Se2, Kxf7 und Schwarz steht besser. 23. Se2 statt 23. Tfxf7? wäre besser und in etwa ausgeglichen.
Anbei die gesamte Partie mit Analysen zum Nachspielen.
Eine kleine Sensation gelang Manuel Simon, als er gegen WGM Dina Belenkaya in der Disziplin Schnellschach eine glatte Gewinnstellung erreichte. Das Beweisfoto wurde für die Nachwelt festgehalten.
M. Simon (1580) – WGM D. Belenkaya (2290)
Leider gelang es Manuel in der Folge nicht den Stellungsvorteil entsprechend zu verwerten und er verlor auf Zeit.
Anbei findet ihr einige weitere Impressionen des Wochenendes:
Mömbris dürfte eines der antrittsstärksten Teams in Sailauf gewesen sein. Leider waren wir in der M I nicht vertreten. In der M II versuchten Markus Susallek und Toni Kemmerer ihr Glück. Im Hauptturnier waren Michael Scholz, Thomas Schnetter, Norbert Oster, Arnold Kraus, Ulrich Deller (unser „Neuer“) und Fritz Scholz, sowie Manuel Simon im Einsatz. Insgesamt also 9 Spieler!
In der M II blieben Markus und Toni sowohl hinter ihren eigenen, wie auch hinter der nominellen Platzierung zurück und mussten sich mit den Plätzen 11 und 12 zufrieden geben, bei 4,5 Punkten und unerwünschten DWZ-Verlusten.
Im Hauptturnier hatte Fritz am Starttag gleich mehrere Gründe zum Feiern, es war sein Geburtstag, seine vermutlich unerreichbare Bestmarke von 50 Teilnahmen, die vermutlich nie wieder je ein anderer Spieler erreichen kann und ein Auftaktsieg. Bis zur Runde 4 konnte Fritz die Tabellenspitze behaupten, für unseren 82-jährigen Senior eine Meisterleistung. Erwähnung soll an dieser Stelle natürlich auch der Dauerbrenner Marianne Hartlaub, die 90 Lenze bereits überschritten haben soll, finden. Am letzten Spieltag lieferte Sie den längsten Kampf des Tages. Erst nach Ihrem Sieg, den Sie unbedingt noch einfahren wollte, konnte der Ablauf fortgeführt werden.
Im weiteren Turnierverlauf ab Runde 5 konnte Michael mit Platz 2 den Aufstieg in die M II schaffen. Thomas landete auf einem guten 5. Platz (hielt sich auch einige Zeit in der Spitze), Norbert Platz 7, Arnold Platz 10, Ulrich Platz 11, Fritz Platz 14 und Manuel Platz 22 vervollständigten die Liste.
Einen schönen frischen Wiesenblumenstrauß sammelte unser Ulrich jeden Tag und brachte damit ein wenig Frische in die ansonsten ruhige Schachspieleratmosphäre.
Den Aufstieg aus der M II in die M I schafften Hamlack (Memmingen – jetzt Bad Neustadt), Müller (Bad Königshofen), Markert (ebenfalls Bad Neustadt) und Blank aus Sulzbach. Abstiege in das Hauptturnier gab es für Elbert und Max Schmitt.
In der MI lag Altmeister Hofstetter lange vorne, bis er von Klaus Link zur Strecke gebracht wurde. Link und Sohn aus Klingenberg erreichten sehr gute Plätze 4 und 5, wie auch Jochen Schricker aus Mainaschaff mit Platz 8. Der Lokalmatador Andreas Grod konnte die Klasse halten. Insgesamt ging es sehr eng zu. Die Vorjahressieger Gold und Englert waren nicht am Start. Am Ende setzte sich Amtmann vor Kuhn, Hofstetter und Link Robert durch. Alle 4 blieben ungeschlagen.
Unterm Strich ein gut organisiertes Turnier, in sehr schöner und idealer Schachspieleratmosphäre. Ein toller Analyseraum (Gewölbekeller) und separierte M I rundeten den hervorragend belichteten Raum bestens aus.
Letztlich gab es noch eine Umfrage, wie die Teilnehmerzahl künftig wieder gesteigert werden könnte. Wir sind gespannt auf das Ergebnis. Nächster Ausrichter wird wahrscheinlich Schweinfurt sein.
Alle Partien zum Download sowie einige Bilder vom Blitzturnier am Mittwoch Abend finden sich auf der Seite des Schachclubs Sailauf.
Anbei findet ihr eine Analyse der Pokalpartie zwischen Jonathan Simon und Toni Kemmerer. Gespielt wurde mit einem Zeitmodus von 90 min + 30 sek/Z für die gesamte Partie, wobei die Partie nach dem 34. Zug unterbrochen wurde.
[ecm name=’Pokalfinale 2015′]
Die die Hauptpartie unentschieden ausging, folgte ein Mini-Match über drei Blitzpartien.
In der ersten Partie wählte Jonathan die Sizilianische Verteidigung, kam aber in starken Zeitnachteil, so dass er seine gute Stellung nicht mehr verwerten konnte. Er verlor auf Zeit.
In der zweiten Partie wählte Jonathan mit Weiß den Botvinnik Aufbau (c4, d3, e4), kam aber erneut auf der Uhr in Bedrängnis. Das änderte sich nach Sg5!, wonach der Einschlag auf e6 nicht mehr zu verhindern war. Kurz danach drang auch noch die weiße Dame über die siebte Reihe in die schwarze Stellung ein, und Jonathan konnte entscheidend Material gewinnen. Allerdings waren jetzt beide Zeiten sehr knapp. Schließlich gewann Jonathan auf Zeit, wobei er selbst auch nur noch 4 Sekunden auf der Uhr hatte.
Schließlich kam es zur entscheidenden dritten Partie (bei einem Remis wäre bis zur nächsten Gewinnpartie gespielt worden). Jonathan hatte wieder Schwarz und wählte gegen 1. e4 die Französische Verteidigung. Auch hier zeigte sich wieder das gleiche Bild, denn er war bald über eine Minute im Zeitnachteil. Im Mittelspiel kam es nach …,Dd7-c6 zu folgender Stellung.
„Guten Abend, wir haben hier eine Rauchentwicklung in der Jahnhalle.“
„Eine Rauchentwicklung?! Was ist denn passiert?“
„Das wissen wir noch nicht, plötzlich drang aus der Lüftungsanlage starker Rauch aus, wir haben alle Leute sofort nach draußen geschickt. Verletzt wurde offenbar niemand.“
„Wie viele Leute? Was haben Sie dort für eine Veranstaltung?“
„Ca. 240 Leute. Wir spielen dort ein Schachturnier.“
„Ein Schachturnier? Alles klar, wir schicken sofort jemanden vorbei.“
So oder so ähnlich könnte sich das Telefonat am Samstagabend abgespielt haben. Wenig später fuhren ein Polizeiwagen, ein Notarzt und mehrere Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr an der Jahnhalle in Forchheim vor. Die Feuerwehrleute entrollten sofort ihre Schläuche, schlossen Wasser an und stürmten in ihren Schutzanzügen die Halle. Vielleicht mussten sie beim Anblick der ca. 120 Schachbretter und den darauf aufgebauten Figuren kurz inne halten, zu löschen gab es jedenfalls nichts. Alle Spieler hatten sich schon auf dem Vorplatz versammelt. Der ein oder andere wird die Stellung im Kopf weiteranalysiert haben. Die Kinder tollten herum. Langsam senkte sich die Dunkelheit über die Szenerie. Nur das stetige zucken des Blaulichts und die Blitze der Hobbyfotografen erhellten die versammelten Gesichter. Ein älterer Mann monierte lautstark, dass seine Jacke noch in der Halle sei und er jetzt friere. Nur in der angeschlossenen Gaststätte servierte der Kellner noch fröhlich Pasta und Pizza. Der Spielleiter Ackermann verkündete im Spaß, dass alle Partien morgen früh um 6:00 Uhr noch vor der fünften Runde weitergespielt werden. Aus Spaß sollte allerdings bald Ernst werden… Immer noch untersuchten die Feuerwehrleute die gesamte Halle: Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss, Küche. Der Turnierleiter versicherte, dass er alle Uhren angehalten habe. Niemand wusste, ob er seine Partie wieder aufnehmen konnte. Selbst in der Gaststätten gingen jetzt die Lichter aus. Das Blaulicht erhellte die Dunkelheit.
Feuerwehrauto und Feuerwehrleute vor der Jahnhalle
Dann, es war bestimmt schon über eine gute Stunde vergangen, verkündete Ackermann, dass die Partien heute Abend tatsächlich nicht mehr weitergespielt werden könnten. Die Partien würden morgen früh um 8:00 Uhr fortgesetzt werden. Sofort sah er sich von einer Traube Menschen umringt. Erstaunlich viele Leute waren plötzlich offenbar der Meinung, dass ihre Partie ein sicheres Remis sei. In der Gruppe B endeten in dieser Runde sogar fast 50% aller Partien mit der Punkteteilung. Andere Spieler wiederum freuten sich über ihre erste Hängepartie ihrer Schachkarriere.
Unter den Remis-Kandidaten befand sich auch Manuel Simon vom SK Mömbris. Glück für ihn, zwei Züge zuvor hatte er noch auf -6.00 gestanden. Sein Bruder Jonathan hatte derweil seine Partie schon gewonnen. Der Feuerwehreinsatz zerstörte somit nicht nur einige Siegeshoffnungen, sondern auch die Essenspläne der Gebrüder Simon. Eigentlich hatte Jonathan mit einer Einkehr in die Gaststätte gerechnet. Also machten sich die beiden zunächst per Fuß, dann per Auto und schlussendlich doch wieder per Fuß auf die Suche nach einer adäquaten Einkehrmöglichkeit. Sie wurden schließlich in Form eines vorzüglichen Italieners fündig (nicht nur sie, sondern auch einige ältere Damen, die vielleicht schon das ein oder andere Weinglas zu viel genossen hatten…)
Da beide am nächsten Morgen also in ihren Betten bleiben konnten, bestand auch kein Grund zur Eile. Die allabendliche Vorbereitung konnte ja auch noch nicht stattfinden. Auf der Homepage des Veranstalters hieß es übrigens am nächsten Morgen wie folgt:
„Es wurde kein Brandherd entdeckt. Vermutlich wurde der Rauch des Kamins durch die Lüftungsanlage angezogen, so die Aussage der Feuerwehr.“
Aber auch schachlich gab es durchaus auch Feuer auf den Brettern. Es folgen einige Partiefragmente, die dem geneigten Leser als Übungsaufgaben gestellt seien (Lösungen am Ende).
Die folgende komplizierte Stellung stammte gleich aus der ersten Runde. Jonathan führte die weißen Steine. Er spielte gerade 18. cxd6?. Offenbar ist jetzt die schwarze Damen angegriffen. Der Bauer auf e4 scheint gefesellt.
J. Simon (1987) – M. Mock (1952) Stellung nach 18. cxd6? Wie kann Schwarz forciert gewinnen?
Die nächste Stellung stammt aus der vierten Runde, also jener Runde, die durch den Feuerwehreinsatz unterbrochen wurde! Die faszinierende Variante, die ich vorführen möchte, kam nicht tatsächlich aufs Brett und Schwarz muss sich auch keineswegs darauf einlassen. Dennoch ist sie einen Blick wert.
P. Faralisz (1793) – J. Simon (1987) Schwarz spielte gerade 20. …, b4 und Weiß setzte mit 21. Sce2?! fort.
In der Diagrammstellung sollte Weiß wohl 21. Sa4!? spielen. Die Idee von diesem Zug ist, dass jetzt sofort der Sf6 hängt und gleichzeitig der Sc5 angegriffen ist. Schwarz kann jetzt entweder 21. …,Sfd7 oder 21. …,Scd7 spielen, was beides völlig i.O. für ihn ist. Er kann sich aber auch auf die weiße Idee einlassen und 21. …, Sxa4!? spielen.
Dann folgt natürlich 22. Lxf6 (22. bxa4?, Sd7 =+), Sc3 23. Sh5! (23. Lxc3, Txc3 und Schwarz hat keine Probleme).
P. Faralisz (1793) – J. Simon (1987) Stellung nach 23. Sh5! Jetzt ist 23. …, gxf6?, Sxf6+ 24. Kg7, e5! +- tödlich und 23. …, g6 24. Lxc3, Txc3 25. Sf6+, Kh8 26. Df4 += ist etwas besser für Weiß. Was passiert nach 23. …, Sxd1!?
Der kritische Zug ist offenbar 23. …,Sxd1!? (für andere Züg siehe Bildunterschrift).
Jetzt ist 24. Sxg7, Tc1 25. Txd1, Txd1 26. Dxd1, Tc8 27. Sh5, Lh6 (alles einzige Züge) i. O. für Schwarz.
Also sollte Weiß 24. Lxg7 probieren. Jetzt kann Schwarz mit 24. …, f5!? fortsetzen, da Weiß nach 24. …, Tc1 25. Txd1, Tec8 26. Lb2, Txd1 27. Dxd1, e5 28. Sf6+ nebst Sd5 ausreichend Kompensation erhält. Jetzt scheint Schwarz nach 25. Lxf8 verloren (25. Dg3, Dc7). Doch Schwarz hat eine wundersame Rettung!
P. Faralisz (1793) – J. Simon (1987) Stellung nach 23. Lxf8. Wie kann Schwarz sich retten? (Für Fortgeschrittene)
Die vollständige Analyse der Ausgangsstellung nach 21. Sa4!? finden Sie am Ende des Berichts. In der Partie versuchte Weiß übrigens einen ähnlichen Angriff am Königsflügel, allerdings unter schlechteren Bedingungen, so dass Schwarz leicht gewinnen konnte. Die beiden hatten gerade im Analyseraum die ersten fünf Züge gespielt, als die Halle geräumt wurde.
Alle Ergebnisse, zahlreiche Impressionen und irgendwann auch noch alle Partien finden sich auf der Homepage des Schachclub Forchheim.
Bei strahlendem Sonnenschein rüsteten sich Manuel und Jonathan gegen Nachmittag für die Reise in den Odenwald zum diesjährigen 5. Kurz-Open in Buchen. Jonathan spielte damit schon zum vierten Mal in Folge bei diesem Turnier mit. Über abenteuerliche Straßen erreichten wir unser Hotel, in dem ich vor drei Jahren schon einmal nächtigte. An der Rezeption wurde uns mitgeteilt, dass das Doppelzimmer 80 DM pro Nacht kosten würde.
Wie wir in den nächsten beiden Tagen 80 DM auftreiben sollten, war uns zwar schleierhaft, doch mussten wir unsere Grübeleien alsbald hinter den schachlichen Gedankengängen zurückstellen.
Als ich meinen Gegner für die erste Runde zugelost bekam, wusste ich schon, was mir blühte. Bereits vor zwei Jahren traf ich gegen eben jenen Gegner. Ich war also wenig überrascht als er mit 1. g4? eröffnete. Während der Partie versuchte ich mich dann daran zu erinnern, wie unser Zusammentreffen vor zwei Jahren verlaufen war.
Dann fiel mir siedend heiß ein, dass diese Partie Remis ausging! (Der Gegner hatte und hat wohlgemerkt nur 1400 DWZ). Ich hatte damals in klar besserer Stellung zu sehr an meinem Material gehangen und er fand mit einem Trick in eine Schaukel, die ihm Dauerschach sicherte.
M. Nees – J. Simon (Buchen, 2014)
Stellung nach 25. …, Lg4?? Jetzt hat Weiß nach 26. Sgf5+, Kg6 27. Se7+ eine Remisschaukel. Man beachte, dass Schwarz aktuell einen Turm mehr hat.
Dessen eingedenk achtete ich diesmal haargenau auf etwaige Remistricks. Mir gelang ein einfacher Sieg.
Manuel musste an diesem ersten Abend gleich gegen den späteren Turniersieger Axel Moser antreten. Er hielt bis in das Mittelspiel eine ausgeglichene Stellung, kam aber letztendlich am Königsflügel unter Druck und verlor Material, was ihm schließlich die Partie kostete.
10.09.2016
Am Frühstücksbuffet konnte sich Jonathan den Kommentar nicht verkneifen, dass die uns vorgesetzten Brötchen wohl noch mit der, hier offenbar beliebten, D-Mark bezahlt wurden. Mit zwei Gläsern Orangensaft und drei Tassen Kaffee ließen sich diese dennoch verzehren.
Auch in der zweiten Partie bekam Jonathan einen Gegner, den er, der DWZ nach, schalgen musste. Ich entschied mich für einen Königsindischen Angriff. Jedoch war es der Gegner, der alsbald mit …, h5 und …, g5 vorstürmte. Dass dieser Angriff, bei mangelender Entwicklung und nicht rochiertem König, zu früh kommt, zeigte ich relativ souverän.
Manuel kam gegen einen ebenfalls nominell schwächeren Gegner mit Schwarz in einem Spanier etwas passiv aus der Eröffnung. Im Endspiel gelang es ihm schließlich einige Bauern zu gewinnen, was ihm nach 51 Zügen den Sieg sicherte.
Die Doppelsiege hatten Jonathan in der Nachmittagsrunde an Brett 1 katapultiert! Dort traf er mit den weißen Steinen gegen Michael Pfleger (2176 Elo). Nach 1. d4, c5 2. d5, f5!? zeigte sich Jonathan mit der ihm unbekannten Eröffnung leider überfordert und stand alsbald schlechter. Ein inkorrektes Bauernopfer von ihm setzte der Partie ein schnelles Ende.
Manuel spielte in der dritten Runde sicherlich seine interessanteste Partie des Turniers. Gegen einen 1900er kam er nach einer Englischen Eröffnung in Vorteil und konnte sogar einen Bauern gewinnen, den er in Zeitnot allerdings verlor. Das entstandene Endspiel behandelte er auch nicht akkurat genug und verlor schließlich nach über 4 Stunden Spielzeit.
Ist diese Stellung noch zu retten?
Der Abend endete mit einem Besuch des Schützenmarktes. Nachdem wir aber feststellen mussten, dass das Festzelt bereits hoffnungslos überfüllt war, suchten wir alsbald wieder unser Hotel auf. Die Festzeltgeräusche drangen allerdings bis in unser ca. 2 km entfernt gelegenes Zimmer…
Unbestätigten Gerüchten zu Folge waren in dieser Nacht im heimischen Mömbris-Königshofen noch einige weitere Schachspieler des Clubs in ganz ähnlichen Zelten, bei ganz ähnlicher Stimmung unterwegs… Jonathan drängte Manuel schon zu einem nächtlichen Abstecher in die Heimat, doch nach über vier Stunden Spielzeit ließ dieser nicht mehr mit sich reden. 😉
11.09.2016
Zu unserer Überraschung waren die heutigen Brötchen sonntäglich frisch. Nach dem Frühstückt packten wir also schon wieder unsere Sachen und konnten die Hotelleitung doch noch davon überzeugen, unser Zimmer in Euro zu bezahlen.
Jonathan musste an diesem Morgen gegen den Klingenberger Simon Langer antreten. Wir spielten bereits beim Buchener Open 2014 und in der 1. Runde der Regionalliga Nord-West in der letzten Saison gegeinander. Während ich die Buchener Partie etwas unglücklich verlor (ich übersah im Endspiel ein einfaches Remis), konnte ich die Regionalliga-Partie souverän gewinnen. Simon eröffnete mit 1. Sf3, was mich eigentlich positiv überraschte. Im weiteren Verlauf entstand ein Königsindischer Fianchetto Aufbau, in dem Weiß sehr früh Tb1 und b4 spielte. Leider spielte ich in der Folge nicht akkurat genug, sodass für Weiß ein starker Freibauer auf der c-Linie entstand. Dann fürchtete ich auch noch einen Angriff am Königsflügel und überließ Weiß in einer offenen Stellung das Läuferpaar. Im Endspiel hatte mein Gegner dann einen Bauern mehr, doch ich konnte das Material auf ungleichfarbige Läufer + Turmpaar reduzieren. Tatsächlich bot mir Simon im 40. Zug (!) den Turmtausch an.
S. Langer – J. Simon (Buchen, 2016)
Stellung nach 40. Tc8. Statt 40. …, Txc8?? wäre nach 40. …, e4+! 41. Ke2 und erst jetzt 41. …, Txc8 42. Lxc8+, Ke5 möglich gewesen. Jetzt laufen die weißen Bauern nicht sofort durch und ich bin mir noch nicht sicher, ob Weiß hier gewinnen kann. Er sollte wahrscheinlich mit 43. Lf5!, Kd6 (43. …, gxf5 44. c7) 44. Lxe4 fortsetzen
S. Langer – J. Simon (Buchen, 2016)
Stellung nach 44. Lxe4. Trotz der zwei Mehrbauern muss Weiß für den Gewinn zumindest noch arbeiten.
Manuel indes gewann realtiv souverän, nachdem sein Gegner im Spanier den Bauern auf e5 zu schnell fraß (es geht der bekannte Trick mit …, Dd4!).
Bei Jonathan kam es Nachmittags zu einem kleinen Missverständis darüber, wann die nächste Runde begann. Bei einem ausgedehnten Gang über den Schützenmarkt konsumierte er noch einige Köstlichkeiten, während sich im Turniersaal bereits die Spieler wieder über ihre Bretter beugten. Doch auch der Zeitvorteil von über 20 Minuten half seinem Gegner nicht viel weiter. Mit einem h3-Königsinder konnte er diesen komplett überspielen (dieselbe Variante führte übrigens auch in der erwähnten Regionalliga-Partie gegen Simon Langer zum Sieg). Manuel verlor gegen Peter Flörchinger, der in Runde Nr. 2 sogar zu einem Remis gegen FM Fabian Englert kam!
Somit ging ein weiteres Schach-Wochenende, mit diesmal relativ durchwachsenen Ergebnissen, zu Ende. Für reichlich Unterhaltung war dennoch gesorgt. Wir können das Turnier in Buchen jedem interessiertem Schachspieler weiterempfehlen.
Zum Schluss wie immer: Alle Partien, Ergebnisse, Tabellen und zahlreiche Impressionen finden sich auf der Turnierseite des Schachclub BG Buchen 1980 e.V.
Hinweis: Leider sind den Partieneingebern in Buchen offenbar ein paar Fehler in der Notation unterlaufen. In der Partie Simon, M. – Moser, A. wurde beispielsweise nicht wie ursprünglich hier berichtet 24. …, Kh8, sondern 24. …, Kg8 gespielt. Die Variante mit dem Damenfang funktioniert dann nicht mehr, denn der Turm auf g6 hängt nach …,Sxg6 nicht mehr mit Schach. Die entsprechende Diagrammstellung wurde entfernt. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. Anbei die berichtigte Notation und der Vergleich der Varianten.
Sechs Schachspieler (und eine Spielerfrau) des SC Mömbris traten am 28.03.2016 die lange Autofahrt nach Bad Königshofen an. Die Kleinstadt mit ihren knapp 6.000 Einwohnern ist schon lange als feste Größe im unterfränkischen Schachsport etabliert und stach in den vergangen Jahren besonders durch die Ausrichtung der „kleinen unterfränkischen Schachfestivals“ hervor. Standen bei diesen Events, neben Chess960 und Turniersimultan, Schnell- und Blitzschachmeisterschaften im Vordergrund, ging es in dieser Woche um richtiges Turnierschach mit langen Partien. Obwohl diese, mit der neuen Fischer-Kurz Bedenkzeit, gar nicht mal mehr so lang waren (bis auf eine Partie, die wohl über 100 Züge, aber darum doch nicht viel länger als fünf Stunden, dauerte). Die Frage, ob der Teilnehmereinbruch im Hauptturnier von ehemals über 40 Teilnehmern (sogar 53 in 2013) auf nunmehr nur 16 Teilnehmer, auf die Randlage des Austragungsortes oder auf die Verkürzung der Bedenkzeit zurückzuführen ist, sei den Verantwortlichen zur Diskussion überlassen. Ich jedenfalls hörte durchaus kritische Stimmen von Spielern, die nicht am Turnier teilnahmen.
In diesem Jahr wurde den Spielern die Schilderungen eines Politikers über das königliche Spiel erspart. Meist werden in diesen Reden sowieso nur die Wörter Wissenschaft, Spiel und Kunst auf abenteuerliche Art und Weise miteinander verknüpft, daran angehängt einige Kindheitserinnerungen an eigene Spielversuche des Vortragenden. Neu in diesem Jahr, war allerdings die Ankündigung des Spielleiters, dass alle Handys nicht nur ausgeschaltet werden müssen, sondern sogar in einer extra dafür bereitgestellten Handybox zu deponieren seien. Nach einigem Zögern strömte schließlich der halbe Spielsaal nach vorne, um sich von seinem elektronischen Freund und Helfer in allen Lebenslagen zu trennen. Um derartigen Ballast erleichtert, konnte die erste Runde beginnen.
Markus und Manuel wurden in der M2 sogleich gegeneinander gelost, Markus gewann. Fritz gewann ebenso, während Arnold und Jonathan verloren. Michael remisierte gegen den Jugendspieler Jiuli Chen.
Abends zog es uns, zusammen mit der Fraktion Spessart-Untermain, in die örtliche Gaststätte Schlundhaus. Dort machten wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem dunklen Urstoff-Bier, welches wir in den folgenden Tagen noch reichlich konsumieren sollten. Die erste Nacht des Berichterstatters verlief dermaßen unruhig (Wachheit von 2:00 Uhr – 5:00 Uhr), dass er sich schon am Brett einschlafen sah, was am Ende aber doch nur Fritz glückte, so munkelt man zumindest… Ein Vorteil der kurzen Bedenkzeit ist dann doch noch zu nennen, nämlich der späte Rundenbeginn. In Stetten noch 6:45 Uhr als Aufstehzeit vereinbart, ging es nun erst um 8:00 Uhr aus den Federn.
29.03.2016
Dieser zweite Tag sollte sich als der erfolgreichste dieser Woche erweisen. Jonathan gewann morgens und remisierte Mittags gegen Johannes Helgert, der seine letzte Partie nur eine halbe Stunde vor der neuen Runde beendete (ein weiterer Nachteil der Fischer-Bedenkzeit!). Markus und Arnold vollbrachten ähnliches (auch 1,5 Punkte), während Manuel seinen ersten, und leider einzigen, Sieg in der M2 gegen Wolfgang Saftenberger feierte. Michael Scholz gewann am Morgen gegen Jürgen Hauck und verlor am Abend gegen Fred Reinl.
Am zweiten Abend verschlug es uns, wieder zusammen mit Stockstadt und Klingenberg, zum Italiener. Dort bekamen wir u. a. geheimnisvolle Blüten vorgesetzt, deren Essbarkeit zunächst in Frage gestellt wurde. Die stark erkältete Kellnerin versicherte allerdings das Gegenteil, worauf Manfred Unkelbach sich traute. Danach sollte er nur noch 1,5 weitere Punkte holen… Auch Jonathan verlor nach diesem Abend zweimal in Folge. Markus hielt noch etwas länger durch, doch auch er sollte bald zur großen Rochade (Dreifachnull) ansetzen.
30.03.2016
Das schöne Wetter ließ auch am kurzen Mittwoch auf sich warten. Bei Jonathan begann nun allerdings das „schlechte Endspiel Syndrom“ einzusetzen. In folgender Stellung wickelte er leider in ein sehr schlechtes Endspiel ab.
J. Simon – K. Kraich
Statt mit 18. Txd8, Txd8 19. exf6??, Dxe2 20. Sxe2, Lc5+ 21. Le3, Lxe3+ in ein schlechtes Endspiel abzuwickeln, wäre 18. Le3, Lxc3 19. bxc3, Dc4! (19. …,Txd3 und 19. …,Sd5 sind leicht besser für Weiß) 20. Td2, Dxc3 21. Txd8, Txd8 22. Tc1, Dd3 mit Ausgleich vorzuziehen gewesen.
Arnold indessen setzte schon heute, nach durchwachsenem Start, zu seinem Endspurt an und gewann. Er sollte von da an noch alle verbliebenen Partien gewinnen. (Arnold war am Vorabend nicht beim Italiener gewesen…)
Der spielfreie Nachmittag wurde unterschiedlich verbracht. Während sich die ältere Generation für einen ausgedehnten Mittagsschlaf ins Hotel zurückzog, betätigten sich Manuel und Jonathan bei einem 10 km Lauf im Märchenwald äußerst sportlich. Um 19:00 Uhr begann schließlich das Pokerturnier mit insgesamt zwölf Teilnehmern. Dieses konnte, nach mehreren Stunden Spielzeit, Fritz Scholz vor Norbert Kuhn und Hans-Jörg Gies für sich entscheiden. Er gewann fast jede entscheidende Hand durch eine Straße! Somit fiel aber auch das gemeinsame Essen an diesen Abend aus. Manuel und Jonathan verspeisten zusammen mit der spanischen Auswandererkatze Miau (Achtung Insider!) zwei Döner.
Fritz hat die bessere Hand.
31.03.2016
Am Donnerstagmorgen kam Jonathan einmal mehr aus dieser Stellung in ein schlechtes Endspiel gegen Norbert Lukas.
J. Simon – N. Lukas
Auf den ersten Blick sieht de weiße Stellung, ob der Schwächen im schwarzen Lager, recht eindrucksvoll aus. Nach 20. …, c3! 21. Lc1, Lc5 22. Dc2, Dd5 (22. …,Sg4 ist noch stärker) 23. Dxg6, Df5 24. Dxf5, exf5 gewann allerdings Schwarz die Oberhand.
Markus begann am Abend langsam seine große Rochade (er verlor gegen Klaus Link die Philidor Stellung in einem Turmendspiel), während auch Michael Scholz nicht viel glückte. Manuel verlor am Morgen in denkbar schlechter Manier gegen Gerhard Müller und remisierte am Nachmittag. Jonathan gelang gegen Markus Markert eine schöne Kombination, welcher aus dieser Stellung zu einem inkorrekten Turmopfer in Zeitnot ansetzten.
M. Markert – J. SimonIn beiderseitiger Zeitnot folgte 36. Txe5??, Dxe5! 37. Ld4, Txg3+ 38. Kf2 (auf 38. Kf1, folgt 28. …,Txf3+ mit Ablenkung der Dame. Das war die Hauptidee von Schwarz).
M. Markert – J. Simon
Mit nur noch drei Sekunden auf der Uhr spielte ich 38. …,Th3+!! 39. Kg2, Tg7+. Die Pointe, die Dame ist jetzt entfesselt und droht Matt. Aus der Diagrammstellung hat Schwarz noch genau zwei weitere Gewinnzüge. Welche? (Lösung am Ende).
Am Abend waren wir wieder Gäste im Schlundhaus, konsumierten reichlich das dunkle Urstoff-Bier und aßen „butterzartes“ Schäufele. Die Nacht des Berichterstatters verlief wieder äußert unruhig, was ihn zur Aufstellung der Urstoff-Theorie veranlasste, wonach dieses Bier für den schlechten Schlaf verantwortlich sei.
01.04.2016
Am nächsten Morgen kam Jonathan in Runde 7 gegen Can Ersöz nach sehr interessanter Eröffnung wieder, wer hätte es gedacht, in ein schlechtes Endspiel. Die Bewertung der folgenden Stellung sei dem geneigten Leser als (schwierige) Übungsaufgabe überlassen (Lösungsansatz am Ende).
C. Ersöz – J. Simon
Hier hätte Weiß mit 38. Txf6+ in ein hochgradig kompliziertes Endspiel abwickeln können. Kann sich Schwarz retten?
Ersöz entschied sich in Zeitnot für die Wiederholung der Züge mittels Tc7+ und Tc8+ und die Partie endete Remis. Auch in der Nachmittagsrunde kam Jonathan gegen Norbert Kuhn erneut in ein schwer zu spielendes Endspiel und musste sich schließlich geschlagen geben. Markus stellte gegen Robert Link im frühen Mittelspiel die Qualität ein, damit war die Dreifachnull besiegelt. Fritz gewann an diesem Freitag zweimal.
02.04.2016
Am Samstag war für Markus an Aufstieg schon längst nicht mehr zu denken, Arnold katapultierte sich nach seinem letzten Sieg auf Platz 2. Manuel und Michael verloren und müssen im nächsten Jahr wieder im Hauptturnier antreten. Jonathan gab gegen Thomas Vogt nochmal alles. Darauf bedacht, in dieser Partie auf keinen Fall in ein schlechteres Endspiel abzuwickeln, wählte er das Doppelfianchetto-System mit Weiß. Später ergab sich daraus eine klassische Igel-Struktur. Nachdem sich dann der Königsflügel zugeschoben hatte, setzte er zu einem (inkorrekten) Springeropfer an, welches den Weg für seine Bauern ebnete. Danach kamen beide Spieler in hochgradige Zeitnot. In der folgenden Stellung stand Vogt vor einer schwierigen Entscheidung.
J. Simon – T. Vogt
Schwarz steht vor einer sehr schwierigen Wahl. Wie soll er 34. Tg2+ beantworten? Soll er 34. …,Kf7, 34. …,Kh7, 34. …,Kh8 oder 34. …,Lg7 spielen? (Hinweis: Ein Zug gewinnt für Schwarz, die anderen scheinen nur zu remisieren; Lösung am Ende).
Damit hatte Jonathan am Ende 4 Punkte vorzuweisen (Plätze 10-15 alle mit 4 Punkten). Leider fehlte ihm ein halber Buchholzpunkt, sodass er nur 15. hinter Can Ersöz und Norbert Lukas wurde, womit auch er den Abstieg nicht vermeiden konnte.
Somit endete unser Aufenthalt in Bad Königshofen nach sechs durchaus erlebnisreichen Tagen. Ein großes Dankeschön an dieser Stelle an die Ausrichter und die Turnierleitung für das tadellos durchgeführte Turnier.
Das kleine Provinzdorf Friedrichroda (50° 51′ N, 10° 34′ O) horcht auf. Angeblich wurden drei junge Bürger des Freistaates Bayern im tiefen Thüringer Wald gesichtet. Bei strahlenden Sonnenschein überquerten diese die (ehemalige) Grenze nach Ostdeutschland gegen 12:30 Uhr Ortszeit. Zeugen sahen diese gegen 14:00 Uhr in einer Pension abseits des Stadtzentrums verschwinden. Als gesichert gilt deren Auftauchen im Ramada Hotel in Friedrichsroda etwa eine halbe Stunde später. Dort fanden sich ca. 80 überwiegend männliche Personen zusammen, um dem königlichen Spiel zu frönen. Bei Schachspielern muss es sich allerdings um sehr lichtempfindliche Wesen handeln, war der große Saal doch komplett verdunkelt, sodass kein Sonnenstrahl seinen Weg ins Innere fand. Alsbald vernahmen wir Wörter wie Offizier, Kavallerie und Damenopfer, auch von einem indischen Angriff und einer Verteidigungsstellung in Frankreich (wörtlich: „französische Verteidigung“) war die Rede . Ein Zeuge versicherte uns nachhaltig ein Gespräch mit angehört zu haben, wonach ein Spieler „die Absicht habe eine (Berliner) Mauer zu errichten“. Alles sehr mysteriös…
Der erste Tote fand sich in Form des Fördervereins Schach Thüringen e.V., wobei die Indizien eindeutig auf einen Selbstmord hindeuten. Auf großzügige Spenden (vielleicht um die Bestattungskosten tragen zu können?!), wurde jedoch immer wieder mit Nachdruck verwiesen. Ein gewisser Schachfreund Preuße scheint zudem maßgeblich in diesen Fall involviert zu sein. Seltsame Dinge trugen sich auch nach dieser Trauerrede zu. Alle Beteiligten ließen sich auf ihren Plätzen vor einem meist hölzernen Schachbrett nieder. Alle Beteiligten? Nein! An Tisch 26 nahm ein älterer Herr vehement nicht Platz. Die genauen Gründe dafür sind uns nicht bekannt. Wir vermuteten zunächst, dass es sich um eine Art Einschüchterungsversuch handelte, zu dem auch die Begleiterin des älteren Herren – eine ältere Dame – ihren Beitrag leistete, indem sie sich über die gesamte Partie hinweg demonstrativ neben ihren Mann stellte. Zufällig handelte es sich bei dem Gegner dieses Herren um einen der erwähnten drei Bayern. Ob ein Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Mannes und dem Herkunftsland seines Gegners bestand, konnte indes noch nicht klar ermittelt werden. Die Indizien deuten allerdings drauf hin, fand man besagten Herren in den folgenden Tag doch stets in (auf drei Kissen gebetteter) sitzender Position vor. Letztendlich gelang dem bayerischen Spieler jedoch der Sieg. Zeugen wollen gehört haben, dass sich der Bayer mit der Aussage brüstete, er habe die Holländische Verteidigungsstellung überwunden.
13.08.2015
Am nächsten Morgen vernahmen wir ein erneutes Lob auf den Genossen Preuße. Die klare Identifikation mit einer anwesenden Person war uns allerdings nicht möglich. Danach beobachteten wir den „Holländisch-Überwinder“, der sich an diesem Tag anscheinend mit einem Engländer herumschlagen mussten. Zumindest, wenn man den Spielern am Nachbarbrett Glauben schenken darf, die ein geschlossenes Englisches System erwähnten.
Der andere Bayer, Marius Böhl, ließ seine Chance Remis zu machen aus und verlor schließlich.
M. Böhl – P. Stürmer
Hier hätte 58. h4! statt 58. Td3?? das Remis gehalten
Dem dritten im Bunde, Kevin Trapp, gelang sein erster Sieg.
Um die Mittagszeit wurden die drei Bayern erneut gesichtet, wie sie sich planungslos in unkoordinierten Routen durch die Kleinstadt bewegten, offenbar auf der Suche nach Nahrung. Die Suche war schließlich, in Form von drei Thüringer Bratwürsten, mit Erfolg gekrönt.
Die Spur der drei verliert sich allerdings in den Abendstunden. Angeblich seien diese nach „Mochhold hinter den Totensümpfen“ aufgebrochen. Ein Ort dieses Namens konnte allerdings nicht ausfindig gemacht werden. Andere Quellen berichten während der Fußballpartie Erfurt – Dresden ein lautes Johlen und Jubeln vernommen zu haben, wie es nur ein echter Bayer ausstoßen kann. Uns scheint es allerdings sehr unwahrscheinlich, dass ein Spiel zweier Ostdeutscher Clubs dermaßen die Aufmerksamkeit dreier Bayern auf sich zieht, sodass diese Berichte als unglaubhaft angesehen werden dürfen.
14.08.2015
An diesem Morgen schien Jonathan weiter in Kontakt mit den Engländern zu verweilen. Verlässliche Quellen berichten, wie er sich über das „langweilige Londoner System“ beschwerte. Eine positionelle Ungenauigkeit im 16. Zug erschwerte sein Spiel allerdings erheblich. Gewinnen konnte er nur nach einigen taktischen Ungenauigkeiten des Gegners, der für sich den Schneckenpreis als langsamten Spieler in diesem Turnier beanspruchte.
Marius ließ indessen zum zweiten Mal seine Chance aus, die Partie in den sicheren Remishafen zu steuern. In folgender Stellung, wäre eine wundersame Rettung möglich gewesen:
Der Nachmittag war frei, weshalb keine weiteren Auffälligkeiten festgestellt werden konnten. Uns liegen jedoch zahlreiche Fotos und Zeugenaussagen vor, aus denen hervorgeht, dass sich die drei in den Abendstunden mit einem kompletten Kasten Mineralwasser durch die Stadt bewegten. Wir gehen allerdings davon aus, dass es sich bei den Fotos um geschickte Fälschungen handelt, ist es doch allgemein bekannt, dass in Bayern das Weißbier als Grundnahrungsmittel angesehen wird und gegen jedes andere Getränk – insbesondere Mineralwasser – eine gewisse Abneigung vorherrscht!
Ist dieses angebliche Beweisfoto echt oder nur eine geschickte Fälschung?
15.08.2015
Die Wetterbedingungen haben sich deutlich verschlechtert, was die Ermittlungen sehr erschwert. Jonathan remisierte offenbar in einer vorbereiteten Variante, nachdem er einen „Bauern opferte“. Welche Gottheit er damit besänftigten wollte, ist allerdings unklar. Auch wurde keiner der ansässigen Landwirte als vermisst gemeldet.
Marius musste heute gegen den gestrigen Gegner von Jonathan antreten. Es entstanden hochkomplexe taktische Verwicklungen, als Marius schließlich fehlgriff. Ein Zwischenschach (c5+) hätte ihn gerettet und das tödliche …,Lb4+ verhindert. Der „Schneckenpreis-Gegner“ befand sich aber natürlich selbst in hochgradiger Zeitnot und fand den Gewinnzug nicht. Seltsam erschien uns aber noch ein weiterer Fakt. Beide Spieler führten ihre Züge mit hoher Geschwindigkeit aus. Beide hatten nur noch unter fünf Minuten Restbedenkzeit. Ein zunächst anwesender Assistent, der die Züge der beiden notierte, verschwand nach einiger Zeit aus ungeklärten Gründen. Auch die Rekonstruktion der Partie nach dem Blättchenfall schien der Schiedsrichter nicht für nötig zu halten, sondern ließ das Spiel einfach weiter laufen, wobei sogar auf die Zeit des bayerischen Spielers diskutiert wurden. Auch nach mehrmaligen Durchsehen der FIDE-Regeln ist uns kein Paragraph bekannt, der ein solches Vorgehen rechtfertigen würde, oder handelt es sich bei diesem Vorgehen um eine geheime „Ostregel“?
In der Nachmittagsrunde beging Jonathan schon in der Eröffnung einen so schweren positionellen Fehler (13. …, d5?), dass es zunächst schien, als würde er dem Tod begeistert entgegen gehen. Als er dann auch noch in folgender Stellung die Chance zur Rehabilitation ausließ, wurde der Fall immer mysteriöser…
Angesteckt von der Fehlerlust des Bayers setzte auch sein Gegner alsbald zu einem zweifelhaften Läuferopfer an, dass ihm in der praktischen Partie dennoch exzellente Gewinnaussichten bescherte, die er schließlich umsetzte.
Während dieser hochspannenden Begegnung, die schließlich in einem tragischen Königsmord gipfelte, entfernten sich die anderen beiden Bayern vom Spielort. Diesmal gelang es uns ihrer Spur zu folgen. Während sich diese vor Hunger schon fast auf dem Boden wälzten (anscheinend hatten sie ihren Vorrat an Weißbier bereits aufgebraucht), vergnügte sich Jonathan noch mit einer seeehhhr ausführlichen Analyse im Spielhotel. Man sah ihn danach schon unschlüssig vor einem Asiatischen Restaurant verharren, als er es sich doch nochmal anders überlegte und seine Kollegen mit dem Auto abholte. Danach stürzten sich alle drei wie ausgehungerte Löwen auf ihr Essen, dass sie wahrscheinlich auf eine Art und Weise verzehrten, die sie nicht in der Öffentlichkeit preisgeben wollten, verschwanden sie doch sogleich wieder in ihrer Unterkunft. Das scheint uns nicht weiter verwunderlich, ist der Bayer doch für seinen oftmals unvorstellbar großen Appetit und seine unangepassten Tischmanieren hinreichend bekannt. Seltsamerweise beweisen Überwachungsvideos der örtlichen Sparkasse und Raiffeisenbank deren erneutes Auftauchen in den späten Abendstunden. Es ist unklar, ob mit dem abgehobenen Geld unerwartete Wettschulden beglichen werden mussten, oder ob der Appetit doch so groß war, dass er die finanziellen Mittel der drei zu stark ausschöpfte.
16.08.2015
Wie auch immer die Ereignisse des Vorabends zu erklären sind, irgendetwas muss die drei in einen regelrechten Blutrausch versetzt haben. Ohne mit der Wimper zu zucken brachten alle drei den König ihres Gegenübers zur Strecke. Aber zumindest der König von Jonathans Gegner musste schon an schweren Depressionen gelitten haben, wie ist es sonst zu erklären, dass er sich in dieser Stellung ins eigene Schwert stürzte?
J. Simon – J. Deutsch
Nach 21. …, Dxf6 22. Dxh7+, Kf8 23. Sxb7 ist 23. …, Dh6! ein starker Zwischenzug. Nach dem Damentausch findet der Springer keinen Ausweg. Stattdessen war 21. …, gxf6?? 22. Dxh7+, Kf8 23. Dh8+, Ke7 24. Sf5# reiner Selbstmord.
Während der Siegerehrung vernahmen wir erneut einen preisenden Hochgesang auf Schachfreund Preuße. Offenbar handelt es sich dabei um eine Halbgottähnliche Person, die umnebelt von Mythen und Legenden im Schatten der Geschichte verweilt…
Leider haben sich die Wetterbedingungen gegen Nachmittag so stark verschlechtert, dass uns eine weitere Verfolgung nicht möglich war. Da uns aber seit diesem Tag keine weiteren ungewöhnlichen Vorkommnisse in Friedrichsroda gemeldet wurden (außer dem Fund zweier Getränkekartons ungenießbaren Inhalts), gehen wir davon aus, dass sich die drei wieder in heimische Gefilde zurück bewegt haben und schließen die Akten hiermit.
Hinweis: Die Ereignisse und Kommentare in diesem Bericht sind bisweilen sehr überspitzt, sarkastisch und stark übertrieben dargestellt. Bei den abgebildeten Diagrammen handelt es sich jedoch ausnahmslos um tatsächliche Partiepositionen. Die angegebenen Analysen und Bewertungen wurden geprüft.
Um ca. 11 Uhr fuhren Manuel und ich zusammen mit Michael Pfarr nach Stetten. Dort angekommen, bezogen wir zunächst unsere großzügig eingerichteten Zimmer in der Weinstube Schwalbennest in Mühlbach. Auch der kurzentschlossene Michael bekam noch ein Zimmer.
Unser Quartier für die nächsten Tage – Die Weinstube Schwalbennest.
Am Spielsaal eingetroffen, stachen mir sofort mehrere illustrierte Landkarten, Fotomontagen und -alben ins Auge. Anscheinend konnte sich Stetten nicht nur seiner Schachspieler, sondern auch seiner Fotografen rühmen.
Nach ein paar längeren und auch kürzeren Reden („Grüß Gott“ – Jürgen Müller) ging es um Punkt 14:00 Uhr schon los. Mein erster Gegner wurde Reiner Köhler vom TSV 1895 Karlburg.
Die Weinprinzessin Anna-Lena Mehling loste die Farbe Weiß für den Spitzenspieler. Da ich an Brett sechs spielte, musste ich mich also mit den schwarzen Steinen zufrieden geben. Spätestens jetzt wurde mir klar, woher die Stettener ihre unzähligen Fotografien nahmen. Wie die Heuschrecken über Ägypten fielen die Fotografen über uns Schachspieler her! Manch einer wird sich wohl schon wie ein ganz Großer gefühlt haben. Doch die Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen. Zahlreiche Impressionen finden sich auf der Homepage von Stetten.
Zurück zu den Partien: Durch das aggressive wie unvorsichtige 7. g4?! meines Gegners gelang es mir recht schnell erst einen, dann zwei Bauern zu gewinnen. Der erste volle Punkt war damit nicht mehr fern.
Unsere anderen beiden M II-Spieler hatten nicht so viel Glück, wurden sie doch gleich zu Beginn gegeneinander gelost. Am Ende zog Arnold den kürzeren. In der M I hatte Michael derweil das Vergnügen gegen den Favoriten und späteren Turniersieger Fabian Englert antreten zu dürfen. Nach beiderseitigen sizilianischen Flügelstürmen unterlief Michael im 41.(!) Zug mit 41. Le2?? ein schrecklicher Fehler, der ihm nicht nur einen Bauern, sondern auch gleich die ganze Partie kostete. Manuel gelang es (unter Mithilfe des Gegners) Freibauern auf der e- und f-Linie zu bilden, die letztendlich die Partie entschieden.
2. Tag, 07.04.2015:
Als Aufstehzeit vereinbarte ich mit Manuel 6:45 Uhr. Um 7:00 Uhr trafen wir uns mit Arnold und Michael P. zum Frühstück in der Weinstube. Diese machte ihrem Namen mit Sekt- und Rotweingelee alle Ehre. Der reichliche Konsum dieser Köstlichkeit brachte mich hochmotiviert zurück ans Brett. Heute Morgen musste ich gegen Marco Meyer antreten. Bereits bei meiner ersten Unterfränkischen in Obernau 2009 brannte unser Brett lichterloh. Ich hatte zwischenzeitlich zwei Figuren mehr und musste (?!) diese wieder zurückgeben. Zu allem Überfluss stellte ich am Ende noch meinen Läufer ein, konnte die Partie aber irgendwie noch ins Remis retten. Jürgen Müller bemerkte damals: „Von euch will aber heute keiner gewinnen…“. Dessen eingedenk wählte ich diesmal mit Weiß eine Eröffnung, in der ich mich auskannte, den Jussupow-Aufbau mit b3, d4, e3, Lb2, Sbd2, Sf3 (ich taufte diese Eröffnung so, weil A. Jussupow diesen Aufbau in „Tigersprung auf DWZ 2.100“ empfiehlt). Mich traf der Schlag, als Meyer im 15. Zug groß rochierte. So hatte gegen mich noch keiner gespielt! Ich hätte gut daran getan seinen Königsflügelbauern etwas mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Alsbald erstürmten sie meine mit 12. f4?! geschwächte Rochadestellung. Als Meyer dann seinen Springer opferte um die h-Linie zu öffnen, schlug ich getreu nach dem Motto „Ein Opfer widerlegt man durch seine Annahme“ zu.
J. Simon – M. Meyer
Es folgte 18. …, g5! und nach 19. h3 einfach …, gxf4! Ein starkes Springeropfer!
Nur zwei Züge später sah ich meinen Irrtum ein und opferte meinen Springer zurück. Doch es half alles nichts. Mein Angriff am Damenflügel war noch nicht richtig ins Rollen geraten, da geriet mein Königsflügel schon völlig unter die Räder. Nach einer forcierten Sequenz verlor ich einen Turm und musste mich geschlagen geben. Der Rotweingelee war schuld, oder doch nicht…?!
Michael Scholz remisierte mit einer von mir vorgeschlagenen Variante mit Weiß im Grünfeld-Inder gegen Hans-Martin Röder. Manuel gelang es nicht seinen massiven Entwicklungsvorsprung gegen Jiuli Chen zu verwerten (z. B. mit 14. …,Tc8) und stellte schließlich im 21. Zug seine Dame ein… Michael Pfarr verlor erneut in einem c3-Sizilianer gegen Josef Krauß.
Die erste Runde dieses Tages verlief nicht gerade berauschend. Geknickt von meiner Niederlage kam ich auch am Abend gegen den Remiskönig Andreas Deißenberger (8 Remis aus 9 Partien) nicht über ein – wer hätte es gedacht – Remis hinaus.
Michael P. indes gelang nach hartem Kampf im Figurenendspiel sein erster Sieg gegen Jiaoji Chen, dem Underdog in der M I (1689 DWZ).
Michael Scholz schaffte es nicht seinen Materialvorteil (Läufer für zwei Bauern) gegen Thomas Drewes zu verwerten und musste am Ende ein Remis auf seinem Partieformular notieren. Arnold verlor gegen das starke Nachwuchstalent von Schweinfurt, Simon Li (11 Jahre).
Fritz erreichte im Hauptturnier gegen den favorisierten Stefan Blank ein sehr interessantes Springerendspiel. Durch ein Bauernopfer hätte er beträchtliches Gegenspiel erhalten. Leider gelang es unserem Fritz nicht das Remis zu halten.
F. Scholz – S. Blank
Mit 47. f4! (oder 47. h4!), hätte sich Fritz das nötige Gegenspiel sichern können.
Abends stärkten wir uns mit einer scharfen Pizza Diabolo in der Gaststätte von nebenan.
3. Tag, 08.04.2015:
Die erste Doppelrunde war geschafft, heute hieß es kämpfen und verschnaufen. Erneut konnte ich am Frühstückstisch nicht meine Finger vom Rotweingelee lassen. Erneut lief es nicht wie ich wollte, denn ich wurde mit meinem Eröffnungsexperiment gegen Thomas Heller (1. d4, d5, 2. Sc3!?) nicht wirklich glücklich. Zum Glück gelang es mir im 18. Zug einen Nachschlag in Form seiner Dame zu mir zu nehmen.
Michael P., der sicherlich schon von Läufer- und Springeropfern auf b5 träumte, bekam gegen Klaus Link zwar leider nicht die Schwesnikow-Variante aufs Brett, aber durchaus eine vorteilhafte Bauernstruktur. Das Qualitätsopfer von Klaus brachte ihm nicht genug Gegenspiel, wonach Michael nur auf ein mögliches Dauerschach achten musste. Er ließ keines zu und gewann auch diese Partie.
Michael S. verlor in einer zwischenzeitlich hochtaktischen Partie gegen Norbert Lukas, während Arnold der Sieg gegen Reiner Köhler glückte. Manuel und Fritz remisierten heute beide.
Kämpferisch war der Vormittag für mich also nicht gerade verlaufen, verschnaufen hieß es trotzdem. Manuel und ich nutzten das sonnige Mittwochnachmittagswetter für den „Aufstieg“ auf die Karlsburg, auf der wir auch den ein oder anderen Schachspieler trafen.
Die idyllisch gelegene Ruine der Karlsburg
Derart erholt verschlug es uns an diesem Abend in die Karlstadter Altstadt ins Bistro Michel. Erneut waren wir nicht die einzigen Schachspieler, die zugegen waren. Bei Rinderroulade und Schweinelendchen ließen wir es uns gut gehen.
Die allabendliche Vorbereitung auf den nächsten Gegner durfte natürlich auch heute nicht fehlen! Dieser hieß in meinem Fall Thomas Drewes. Klaus Link riet mir noch zu dynamischen Spiel, zu welcher Eröffnung konnte ich also greifen…?
4. Tag, 09.04.2015:
Richtig, zu Benoni! Natürlich durfte ich bei solch einer Vorgehensweise meinem Körper nicht dem Entzug des mittlerweile liebgewonnenen Weingelees aussetzen, welches ich auch an diesem Morgen mit großem Genuss konsumierte.
Am Brett setzte ich nach 1. d4 sofort mit 1. …,c5 fort. Zum Glück für mich hatte Drewes den thematischen Vorstoß …b5 nicht unter Kontrolle, sodass meine Bauern alsbald über den Damenflügel rollten. Derart unter Druck konnte er nur noch verteidigen. Ein Springeropfer, das er ablehnte, ebnete meinen Bauern den Weg nach vorne.
T. Drewes – J. Simon
Es folgte 29. …, Sxc3!, 30. Txa5, Txa5 31. Txa5, Dc7
Mein b-Bauer war nun schon gefährlich nahe an seiner Grundreihe. Nach einigen Abtauschen kam ihm der c-Bauer zu Hilfe, räumte den weißen Bauer b2 aus dem Weg und ermöglichte somit die Umwandlung meines Bauern in eine zweite Dame. Am Schluss gelang es mir sogar den Zug 48. Dgf2+ zu notieren. Zwei Damen konnten auf f2 ziehen! Aus diesem Mattnetz fand sein König kein Entkommen mehr.
Michael P. remisierte in der M I relativ zügig gegen Matthias Basel. Auch Arnold kam gegen Andreas Deißenberger nicht über dessen Lieblingsergebnis hinaus. Manuel spielte gut gegen Frank Stolcz vom SK 1929 Mainaschaff. Er gewann im Mittelspiel eine Figur, schaffte es dann aber nicht das Doppelturmendspiel für sich zu entscheiden, da er durch einen taktischen Trick im 61. Zug seinen Springer wieder hergeben musste. Sein c-Bauer rannte Richtung Umwandlungsfeld, der f-Bauer seines Gegners aber auch! Schließlich musste Manuel seinen Turm den Heldentod sterben lassen, um den übermütigen Bauern zu stoppen. Ähnlich erging es seinem Gegenüber, sodass die Partie letztendlich Remis endete.
Auf ging’s zur Nachmittagsrunde! Endlich in den vorderen Reihen (an die Live Bretter) zurückgekehrt, wurde mir diesmal der Startranglistenerste zugelost: Hans-Martin Röder. Laut Michael P. ein echter 2.000er (Michael und ich stellten eine Theorie über „echte“ und „unechte“ 1800er / 1900er / 2000er usw. auf). Ich wählte einen sehr verhaltenen Aufbau mit c3, d4, e3, drückte schließlich e4 durch und dachte kurz alles unter Kontrolle zu haben. Doch Röder, stets um taktische Verwicklungen bemüht, schaffte es auch diesmal Leben in die Stellung zu bringen. Ich wählte eine ruhige Abwicklung, wonach sich ein leicht besseres Endspiel für Schwarz ergab (Röder blieb das Läuferpaar). Dann schaffte ich es dank einer kleinen Ungenauigkeit meines Gegners (21. …,Tab8) meinen verbleibenden Läufer effektvoll umzugruppieren. Danach meinte Röder, er sei mit einem Remis einverstanden. Schnell schlug ich ein!
Michael S. bekam gegen Jaro Neubauer heute Nachmittag ebenfalls die Benoni Eröffnung vorgesetzt. Auch hier lief der schwarze b-Bauer bis nach b2, wurde aber dann von Michaels König abgeholt. Er selbst ließ seinen Bauern Richtung Umwandlungsfeld rennen. Währenddessen jonglierte Neubauer mit seinen Springern. Verwundert muss er geschaut haben, also eines seiner Rösser plötzlich kein Rückzugsfeld mehr hatte, Michael gewann.
Nach dem schnellen Remis vom Vormittag war Michael P. in der M I wieder richtig in Kämpferlaune. Gegen den Stettener Florian Amtmann kam die scharfe Königsindische Verteidigung (klassische Variante mit 9. Se1) aufs Brett. Michael wählte das am Brett gefundene Manöver …Tf6-g6 und stieß seinen g-Bauer bis g3 vor (von wo er schließlich auch noch den Bauern h2 schlug). Die Stellung war total gewonnen für Michael! Zwischenzeitlich Matt in 11.
F. Amtmann – M. Pfarr
Hier hätte 30. …,Ta2! sofort gewonnen. Weiß kann quasi gar nicht mehr ziehen
In Zeitnot fand er die besten Züge nicht, sondern beging mit 30. …,Df4? und 33. …,Ta2? mehrere Ungenauigkeiten, wonach sich Amtmann noch ins Remis retten konnte. Manuel, wahrscheinlich noch geschockt vom morgendlichen Einsteller, ließ sich gegen Josef Buchberger leider mattsetzen.
An diesem Abend zog es uns, nach ein paar verrückten 1-Minute Blitzpartien, einmal mehr in die Gaststätte von nebenan. Der inzwischen Stammgast gewordene Gunter Beyersdorf vom SC Bad Königshofen gesellte sich wieder zu uns. Irgendwie wurde es jeden Tag später…
Am Hotel angekommen, bereitete ich mich noch auf Can Ersöz vor. Er spielte den Grand-Prix Angriff, ich war vorbereitet!
5. Tag, 10.04.2015:
Das war auch gut so, ungefähr bis zum 15. Zug war ich noch in der Vorbereitung. Im 16. Zug unterlief mir aber gleich eine Ungenauigkeit, die zwar nichts verdarb, aber eine erste große Chance auf Vorteil ausließ. Danach gelang es mir seinen König zunehmend unter Druck zu setzen, doch Ersöz hielt stand und konnte einige Figuren tauschen, wonach ich sogar fast noch in Nachteil geriet. In Zeitnot fand er die nötigen Züge allerdings nicht, ich tauschte jetzt willig alles ab und es entstand ein vollkommen gleiches Endspiel, das bald mit dem Remisschluss besiegelt wurde.
Michael P. gelang an diesem Morgen ein schöner Sieg gegen Markus Markert. Mit Weiß opferte Michael in einer Tarrasch Verteidigung (Französisch) einen Bauern. Er beherrschte die Theorie allerdings besser als Markert. Die weißen Figuren erreichten perfekte Koordination und ihm gelang ein durchschlagender Angriff, wofür er sogar den Preis der „Partie des Tages“ gewann.
Manuel setzte derweil zu seinem Endspurt an und gewann gegen Udo Rachor vom TSV Karlburg. Fritz gelang mit seiner Aljechin Eröffnung ebenfalls ein Sieg gegen Gregor Blum.
Am Nachmittag ging es endlich ganz hoch hinaus, und zwar gleich für mehrere von uns! Ich musste gegen den mit 5,5 Punkte Führenden Lutz Müller antreten. Michael P. hatte das Vergnügen mit Schwarz gegen FM Harald Golda zu spielen. Nach meinem nicht ganz erfolgreichen Angriff von heute früh, war ich jetzt erst recht in Angriffsstimmung. Mein Gegner wählte die Königsindische Verteidigung, ich lenkte die Partie mit 7. e3 in einen etwas ruhigeren Aufbau. Und es zahlte sich aus! Nach meinem provozierenden 14. h4!? konnte Müller nicht länger an sich halten und stürmte mit …f5 und …e5 kraftvoll nach vorne. Derweil gelang es mir einen starken Springer auf d6 zu festigen und schließlich die d-Linie komplett zu erobern. Müller gab einen Bauern, erhielt aber nicht das erhoffte Spiel. Da er in Zeitnot war, entschloss ich mich, ich muss es zugeben, zu einem nicht ganz korrekten Springeropfer (schon wieder! In drei von neun Partien gab es bei mir Springeropfer!). Zum Glück für mich fand er nicht die korrekte Verteidigung und musste sich im 42. Zug geschlagen geben. Mit diesem Sieg war ich an die Spitze der Tabelle aufgerückt!
Derweil in der M I: Nach 14. Sg5?, Sb6! gewann Michael gegen Harald Golda schon der Eröffnung einen Bauern und tauschte den schwarzfeldrigen Läufer (gegen einen Springer). Golda stürmte daraufhin mit seinen Königsflügelbauern in Richtung Michaels König. Nach dem irritierenden 19. Se4! schaffte es Michael in starker Zeitnot nicht den ganzen Punkt zu sichern, sondern musste sich mit Remis zufrieden geben. Trotzdem ein sehr gutes Resultat!
FM H. Golda – M. Pfarr
19. Se4! stiftete kräftig Verwirrung
Manuel gewann im Hauptturnier zum zweiten Mal in Folge, erhöhte sein Punktekonto somit auf fünf Punkte und rückte auf den neunten Platz auf.
6. Tag, 11.04.2015:
Erstaunlich schnell ging diese Woche zu Ende. Zum letzten Mal genossen wir unser reichhaltiges Frühstücksbuffet, packten unsere Sachen und fuhren zum Spielsaal.
Für Michael Scholz, Fritz Scholz sowie Michael P. ging es um nichts mehr. Weder Aufstieg noch Abstieg lagen im Bereich des Möglichen. Bei mir und Manuel sah das noch anders aus. Manuel benötigte einen vollen Punkt für den Aufstieg, mir reichte ein halber. Oder doch auf Sieg spielen für den möglichen Turniersieg?! Lutz Müller und ich hatten jetzt beide 5,5 Punkte. Mein Gegner (Simon Li vom SK Schweinfurt 2000, 5 Punkte) benötigte allerdings ebenfalls noch einen ganzen Punkt für den Aufstieg. Würde er um jeden Preis spielen wollen? Eigentlich rechnete ich damit, spielte den beschleunigten Drachen und bot im 10. Remis. Wider erwarten nahm Simon an. Die Verlustgefahr war ihm zu groß (ich hatte ca. 4 Monate zuvor beim 3. Wittelsbacher Weihnachtsopen in Kehlheim gegen ihn gewonnen).
Damit war ich also sicher unter den ersten drei. Zum Turniersieg verhalf mir dann Jaro Neubauer, der gegen den, vielleicht angeschlagenen Lutz Müller, gewann. Damit hatte Neubauer zwar auch 6 Punkte, aber sicher die schlechtere Buchholz-Wertung. An Brett drei duellierten sich Thomas Drewes (4,5 Punkte) und Lukas Norbert (5 Punkte). Alles sah danach aus, als gäbe es nur zwei mögliche Ergebnisse. Weiß gewinnt oder remisiert. Beides wäre sehr günstig für mich, dann müsste ich nicht mehr bangen. Doch dann, der Schock! Drewes beging mit 67. Kh3?? den katastrophalen Fehler, der ihm nach 67. …, Df3+ 68. Dg3, Dh1+ gleich die gesamte Partie kostete.
T. Drewes – N. Lukas Nach 67. Kh3??, Df3+ 68. Dg3, Dh1+ 69. Dh2, Dxh2+ ist alles vorbei.
Jetzt gab es also drei Spieler mit sechs Punkten, wobei Neubauer ziemlich sicher hinter mir war.
Ich kannte das Endergebnis noch gar nicht, da erreichten mich schon Glückwünsche per SMS 🙂 Spätestens jetzt war mir klar, ich hatte es geschafft! Aber denkbar knapp, wie sich herausstellen sollte. Ich gewann nur durch die etwas bessere Punkt-Summe Wertung vor Norbert Lukas. Überglückglich nahm ich meinen Pokal (und mein Preisgeld) entgegen.
Bei Arnold ging es ebenfalls noch um etwas, allerdings um die Vermeidung des Abstiegs. Er musste gegen Elmar Gottfried gewinnen. Alles sah gut aus. Arnold festigte einen Springer auf c6 und besaß sehr aktives Figurenspiel, geriet dann aber zunehmend in Zeitnot und verlor nach einigen Ungenauigkeiten. Leider war damit der Abstieg beschlossene Sache.
Michael Pfarr verlor relativ unspektakulär aus der Eröffnung heraus gegen das Geburtstagskind Jana Schneider. Nach einem Rechenfehler in einer mehrzügigen Kombination, der ihm eine Figur kostete, blieb ihm nichts als die Aufgabe. Ein schönes Geburtstagsgeschenk!
Auch Manuel gab nochmal alles. Leider „opferte“ er im 17. Zug gegen Martin Herberich die Dame für nur zwei Läufer. Doch auch dieser war in „Schenkerlaune“, denn er gab ihm die Qualität gerade noch hinterher. Jetzt war die Materialverteilung schon spannender. Ins eigene Schwert lief Herberich allerdings erst mit 24. g3?, das die weißen Felder um den entblößten König entscheidend schwächte. Manuel aktivierte seine Türme und konnte Mattdrohungen aufstellen, denen der Gegner letztendlich nicht gewachsen war. In der nachfolgenden Analyse fand Norbert Kuhn die verblüffende Rettung für Weiß. Er konnte Material zurückgeben und in ein Turmendspiel abwickeln, das keineswegs elementar für Schwarz gewonnen war. Doch Manuel hatte Glück, holte seinen dritten Punkt in Folge, und schloss das Turnier als vierter (Aufstieg!) ab.
An dieser Stelle noch ein großes Dankeschön an alle Organisatoren und Helfer von Stetten, dem Bezirksspielleiter Hans-Jörg Gieß, dem Schiedsrichter Jürgen Müller und nicht zuletzt allen Teilnehmern für diese gelungene Meisterschaft.
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