Endspielvorbereitung für die UEM Teil 3 – Wellen von Freibauern
Nach unserem Aprilscherz Der beste erste Zug nun zurück zum rein schachlichen Teil!
Der Ostermontag und somit der erste Tag der diesjährigen Unterfränkischen naht immer mehr heran. Aktuell gibt es immerhin schon 55 Voranmeldungen. Die M2 dürfte mit über 20 Teilnehmern hart umkämpft werden (die DWZ Spanne reicht von 1432 bis 1948). Dr. Harald Bittner startete allerdings einen Aufruf für eine höhere Beteiligung. Ich hoffe natürlich mit dieser Endspielserie für entsprechende Motivation und Vorfreude bei den Unentschlossenen zu sorgen.
In diesem dritten Teil wollen wir uns wieder ein Endspiel aus neuerer Zeit ansehen, nämlich von unserem Neuzugang dieser Saison Ulrich Fischer. In der Unterfrankenliga kam es in der 5. Runde am 20.01.2019 gegen Klingenberg II in der Begegnung Ulrich Fischer gegen Gerald Hein zu folgendem Endspiel:
Fischer, U – Hein, G.
Schwarz hatte zwei Züge zuvor eine Qualität gegeben, um die verbundenen Freibauern g und h zu bekommen. Außerdem besitzt er das Freibauernpaar d und e, während Weiß einen Freibauern auf der d-Linie besitzt und einen potentiellen Freibauern auf der b-Linie. Weiß hat nun einen aktiven Turm, der den schwarzen König abschneidet, der schwarze Springer hingegen scheint passiv, kann aber von f6 aus den Bauern d5 gut kontrollieren (bzw. von d7 aus auch ein Auge auf das Feld b8 werfen). Was also sollte Weiß ziehen? Aus dieser Stellung gibt es genau eine bis auf Zugumstellung eindeutige Remismöglichkeit für Weiß. Können sie alle Varianten bis zum Ende berechnen? (Wahrscheinlich nicht, wenn sie kein Computer sind, denn die Hauptvariante wird uns bis in den 60. Zug führen). Die Ausführungen zur Partie sind im Folgenden in blau, die zur Remisvariante in braun/orange und die Untervarianten der Remisvariante in rot geschrieben. Die folgenden Analysen richten sich in erster Linie an fortgerschrittene Spieler (ich übernehme keine Garantie für die Korrektheit der angegebenen Varianten).
Schauen wir uns zunächst die (fehlerhafte) Partiefortsetzung an. Es folgte 47. Kc1?, Sf6 48. d6, Sd7?!
(am klarsten gewönne hier 48. …, h5! und die verbundenen Bauern laufen zusammen und der Turm kann sie nicht aufhalten, z. B. 49. b4, h4 50. a4, g3 51. b5, axb5 52. axb5, g2 53. Tg1, h3 54. b6, Kf5 55. b7, Sd7! -+ Tatsächlich war das eine mit 47. Kc1? verschenkte Tempo entscheidend, siehe unten. Das Motiv der zusammenhaltenden Bauern kennen wir schon von Teil 2 – Der voreilige Bauer!).
49. b4 (die einzige Chance von Weiß), h5 50. a4, g3 51. b5:
Fischer, U – Hein, G.
Nun stand Schwarz vor der ersten wichtigen Entscheidung. Er entschied richtig und spielte 51. …, a5! (und nicht 51. axb5?? 52. a5! und Weiß gewinnt). Dann folgte 52. Kd1, h4 53. Ke2 und es war die folgende Stellung erreicht.
Fischer, U – Hein, G.
Schwarz steht weiterhin auf Gewinn (zur Erinnerung: nur wegen des Fehlers 47. Kc1?), spielte aber jetzt 53. …, g2? Das ist zu voreilig und gibt den Gewinn aus der Hand (ursprünglich wollte ich diesen Teil der Serie „der voreilige Bauer“ nennen aufgrund dieses Zuges, aber dann habe ich das Endspiel von Michael gefunden, wo der Titel noch besser passte. Aber in der Tat ist das Motiv verblüffend ähnlich zum schon betrachteten Endspiel Oehrlein – Pfarr). Es folgte 54. Tb1, Sb6 55. Kf2 und der g-Bauer ging einfach verloren (…, h3, Kg3) und nach 86 Zügen endete die Partie, die in einem Endspiel Turm + König gegen Springer + König mündete, remis.
Aus der Diagrammstellung heraus bestitzt allerdings Schwarz einen Gewinn, beginned mit 53. …, d3! und erst nach 54. Kxd3 erst dann …,g2! 55. Tg1, h3 und nun ist er schnell genug. Und wenn Weiß den Bauern nicht schlägt, sondern 54. Kf3 spielt? Dann folgt 54. …, d2 (oder 54. …, Kg5/f5 und Weiß ist nicht beiden Wellen von Freibauern gewachsen).
Lösung:
Gehen wir nun zurück zum ersten Diagramm. Der einzige Gewinnplan von Weiß ist offenbar die Bauern a / b und d laufen zu lassen. Er sollte damit sofort beginnen. Die Remisvariante geht los mit 47. d6! und dann 47. …, Sf6 (klar, der Springer muss d7 kontrollieren).
Fischer, U – Hein, G. (Variante)
Nun sollte Weiß keine Zeit verlieren und 48. b4 spielen. Dann steht Schwarz vor der Wahl, welchen Freibauernklumpen er laufen lassen will. Die d- und e-Bauern oder die g- und h-Bauern? Beides sieht sehr furchterregend aus. Die Mittelbauern laufen zu lassen führt tatsächlich zum Verlust für Schwarz (Varianten siehe unten). Nun muss also Schwarz ums Remis kämpfen! Der einzige Zug, der das Gleichgewicht hält ist 48. …, h5 (zugegeben der natürliche Zug) und dann 49. a4! (ebenfalls einziger Zug):
Fischer, U – Hein, G. (Variante)
Erneut muss Schwarz eine Entscheidung treffen. Nach dem oben gesagten scheint 49. …, h4 logisch zu sein, um die Bauern nicht zu zerreißen. Aber Schach ist ein sehr konkretes Spiel und nur 49. …, g3! (einziger Zug) hält weiterhin das Remis.
Schauen wir uns trotzdem einmal die Variante beginned mit 49. …, h4? an. Es folgt 50. b5, a5 51. Txf6! (und nicht b6? wegen …, Sd7 -+), Kxf6 52. b6, h3:
Fischer, U – Hein, G. (Analysediagramm)
Es sieht so aus als wäre Weiß auch hier verloren, z. B. nach 53. b7?, h2 54. b8D, h1D+ und Schwarz gewinnt das Endspiel. Tatsächlich aber gibt es eine sehr schöne Rettung für Weiß. Er gewinnt sogar nach 53. d7!!, Ke7 (53. …, h2 54. d8D+) und jetzt erst 54. b7, h2 (…, Kxd7 55. b8D, h2 56. Db7+! +-) 55. d8D+ (der Trick), Kxd8 56. b8D+ (Schach!) nebst 57. Db7! und Weiß gewinnt.
Zurück zur Hauptvariante nach 49. …, g3. Es folgt weiterhin eine ganze Sequenz einziger Züge. Wird ein Zug nicht gefunden, führt dies sofort zum Verlust der entsprechenden Partei. Dennoch sind die folgenden Züge relativ einfach: 50. b5, a5 51. b6, Sd7 52. b7, d3! (und nicht etwa 52. …, h4? +- siehe unten) und wir erreichen diese Stellung:
Fischer, U – Hein, G. (Variante)
Der Springer scheint beide Freibauern von Weiß aufzuhalten, während überall auf dem Brett die schwarzen Freibauern wie Ameisen nach vorne krabbeln. Trotzdem kann sich Weiß retten und zwar mit 53. Tf8! (ein Ablenkunsopfer). Natürlich darf der Turm nicht genommen werden und es droht b8D, z. B. ist 53. …, h4? 54. b8D, Sxb8 55. Txb8, h3 56. Tg8+ nebst 57. Txg3, h2 58. Th3 schon zu langsam für Schwarz. Aber 53. …, Kg7 ist kritisch. Dann folgt 54. Td8 (nichts bringt 54. Tf5, Kg6 usw.), g2! (oder 54. …, d2) 55. Txd7+, Kf6 56. b8D, g1D+
Fischer, U – Hein, G. (Variante)
Nach 57. Ka2 folgt …, Df2+ (und nicht …, Dh2+, Ka3! und Weiß gewinnt) 58. Ka3, Dc5+ 59. Ka2+, Dc2+ mit Dauerschach. Wie wir gesehen haben, hat sich der weiße König gar nicht in Richtung des Königsflügels bewegen müssen. Die Präsenz am Damenflügel (und somit die Möglichkeit zumindest die Mittelbauern zu stoppen) war ausreichend.
Das war mal ein Kampf und selbst Stockfish hat hier seine Zeit gebraucht! Im nächsten Beitrag werden wir uns wieder ein einfachereres Beispiel ansehen, von einer früheren UEM aus dem Jahr 2008 und es wird um Läuferendspiele gehen! Wer Lust kann gerne alles nochmal an einem Brett nachspielen. Anbei die relevanten Varianten.
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