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Endspielvorbereitung für die UEM Teil 4 – Die Schere

Die ersten drei Teile dieser Endspielreihe beschäftigten sich mit sehr konkreten und teils sehr schwierigen Positionen. Wir wollen uns nun Beispiele ansehen, die ein breiteres theoretisches Fundament haben. Wir beginnen mit Läuferendspielen. Die folgenden Beispiele sind auch für Einsteiger geeignet und nicht besonders schwierig.


Die Theorie

Wenn ein Läufer gegen meherere Bauern kämpft gibt es eine Situation, die im Schachjargon als Schere bezeichnet wird. Schauen wir uns dazu zunächst ein theoretisches Beispiel an, welches ich aus dem Buch „Die Endspieluniversität“ von Mark Dvoreckij entnehme.

 

Weiß am Zug hält Remis.

Der natürliche Zug scheint hier 1. Lf6? zu sein, doch dann folgt 1. …, f4 2. Kd6, f3 3. Ld4 und nun 3. …, c3! und der Läufer kann nicht beide Bauern gleichzeitig aufhalten – er zerreißt.

Es ist die Schere entstanden. Der Läufer zerreißt auf den zwei Diagonalen.

Richtig in der Ausgangsstellung ist 1. g6! (droht 2. g7), fxg6 2. Lg5=

Der Läufer hält auf einer Diagonalen alle Bauern unter Kontrolle.

Nun hält der Läufer alle drei Bauern im Schach. Wir nennen dies das Prinzip der einen Diagonale.


Die Praxis

Schauen wir uns nun wieder ein Beispiel aus der Mömbriser Turnierpraxis an, in welchem die Schere zum Einsatz kam. Markus Susallek, der in 2018/19 eine nahezu perfekte Saison gespielt hat (siehe Susallek schafft sie alle) fiel leider vor zehn Jahren bei der UEM 2009 (Obernau) in der M2 der Schere von Erich Feichtner (Würzburg) zum Opfer. Am 17.04.2009 entstand in der achten Runde nach 65 Zügen das folgende Läuferendspiel:

Feichtner, E. – Susallek, M.

Stellung nach 65. b5.

Markus hat einen Läufer mehr für zwei Bauern, die Stellung ist allerdings ausgeglichen, denn der Läufer d8 kontrolliert den Bauern b5, geht dieser vor, kann (muss nicht) sich der Läufer gegen den Bauern opfern und das Endspiel mit ungleichfarbigen Läufern ist leicht remis. ‚Verlieren kann man diese Stellung eh nicht‘, wird sich Markus wahrscheinlich gedacht haben und spielte prompt 65. …, Lxg5?? Das ist ein kapitaler Fehler (Todsünde: Materialismus [vgl. Jonathan Rowson]), denn nach 66. Lxg5, Kxg5 67. b6 war plötzlich eine Schere entstanden! Nach 67. …, Le4 würde die Situation die folgende gewesen sein.

Feichtner, E. – Susallek, M. (Variante)

Die Schere: Der Läufer zerreißt.

Der Läufer zerreißt nun. Wie im Lehrbeispiel oben, kann er nicht beide Bauern gleichzeitg aufhalten. Nach 67. b6 blieb Markus somit nur noch die Aufgabe. Sehr ärgerlich! Eben noch eine Mehrfigur und zwei Züge später der Partieverlust. Zehn Jahre später am gleichen Ort wird das sicher nicht mehr passieren. Hoffen wir das Beste!

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