Endspielvorbereitung für die UEM – Teil 6: Remistendenzen
Die Theorie
Endspiele mit ungleichfarbigen Läufern sind bekannt für ihre hohe Tendenz zum Remis. Die Besonderheiten der Stellung sind dabei oft wichtiger als das Material. Oftmals kann sogar ein oder mehrere Bauern geopfert werden, wenn wir damit die Figurenstellung des Gegners verschlechtern können. Im vierten Teil haben wir uns bereits mit Läuferendspielen beschäftigt und dabei das Prinzip der einen Diagonale kennen gelernt. Sowohl für die stärkere als auch für die schwächere Seite ist es wichtig, dass der Läufer seine eigene Bauern auf ein und derselben Diagonalen verteidigen kann, ohne sich zu zerreißen (Dvoreckij). Bei diesen Endspielen ist es oft ratsam – im Gegensatz zu Endspielen mit gleichfarbigen Läufern – für die schwächere Seite die Bauern auf die Felderfarbe des eigenen Läufer zu stellen (denn dann können sie vom eigenen Läufer verteidigt, aber vom gegnerischen gar nicht erst angegriffen werden).
Schauen wir uns wieder ein Beispiel aus der „Endspieluniversität“ an um die Remistendenzen dieses Endspiels deutlich zu machen.
Offenbar besitzt Weiß im Moment schon zwei Bauern weniger, allerdings auch einen gut positionierten König. Wie kann Weiß Remis halten? Die Lösung: Mit einem weiteren Bauernopfer! Er spielt 1. c5! (Bauernopfer), Lxc5 2. Lb3! (Bauern ins Visier), e5 3. Le6 (Prinzip der einen Diagonale), Kc7 4. Ke4
Weiß hat eine Festung errichtet. Sein Bauer steht auf der Farbe des eigenen Läufers. Der Läufer kann alle Bauern des Schwarzen auf einer Diagonalen kontrollieren.
Oftmals gibt es Situationen, in denen die stärkere Seite einen Freibauern besitzt. Dieser kann entweder vom gegnerischen König blockiert werden (das ist meist sicherer) oder vom gegnerischen Läufer (was gefährlich sein kann). Die stärkere Seite kann versuchen diese Verteidigung zu brechen, wie in dem folgenden Beispiel.
Euwe – Yanofsky
In der Diagrammstellung blockiert der schwarze Läufer die Bauern a und b. Schwarz kann ein Unentschieden erreichen, schaffte es in der Partie aber nicht. Das Studium dieser Partie hilft uns später ungemein das Praxisbeispiel besser zu verstehen (die Züge können unten in dem Feature vom ChesBase nachgespielt werden).
Die Praxis
Wir schauen uns diesmal ein Beispiel aus der Saison 2016/17 aus der Bezirksliga an, d.h. von einem Spieler der zweiten Mannschaft, nämlich Thomas Schnetter. Bei ihm kam es in der Begegnung mit Friedhelm Wengerter (Großwallstadt) am 22.10.2017 zu folgendem Läuferendspiel, welches doch etwas an unsere oben betrachtete Beispielpartie erinnert.
Schnetter, T. – Wengerter, F.
In dieser Stellung wurde tatsächlich Remis vereinbart. Die Remistendenzen im ungleichfarbigen Läuferendspiel sind bekannt. Doch ist auch diese Stellung tatsächlich Remis?
Lösung:
Zunächst wird der gefährliche weiße Freibauer vom Läufer und nicht vom König blockiert. In der Tat muss der König auf seine restliche Schar acht geben. Der weiße König würde gerne zum Feld b8 laufen, wird aber vom schwarzen Gegenüber daran gehindert (notfalls mittels …, Kc8). Wie also geht es weiter? Der Gewinnplan benötigt ein eher deduktives Denken. Wo würde der weiße König gerne stehen? Sprechen sie mit ihren Figuren (Rowson)! Ahha, hat er es ihnen verraten? Richtig, auf g5!
Zunächst aber spielen wir 43. a7. Dann kann der weiße Läufer nämlich von b8 aus den Bauern decken, in der Zeit, in der der weiße Monarch zum Königsflügel eilt. Folgt dann 43. …, Kc8, so sofort 44. Kd6, Ld5 45. Ke7 nebst Kf6. Ansonsten läuft der weiße König ganz gemütlich zum Damenflügel. Aufpassen sollte er nur, wenn der schwarze Läufer versucht von f5 aus beide Bauern e6 und g6 zu verteidigen (via …, Lh3-f5) (Varianten unten).
Schnetter, T. – Wengerter, F. (Variante)
Die Lösung: Weiß spielt 48. g4!! und nach 48. …, gxh4 ist die schwarze Bauernstruktur demoliert und der Läufer kann nicht mehr nach f5 kommen. Und nach 48. …, Lh3? Dann spielt Weiß 49. g5!. Das sieht seltsam aus, denn dann kann wieder …, Lf5 folgen, aber Weiß kann auch hier Schwarz in Zugzwang bringen und wenn der g6-Bauer fällt, wird der g-Bauer ein starker Freibauer sein (Details siehe unten in den Varianten).
Der Schlussakkord könnte aus der folgenden Stellung verlaufen:
Schnetter, T. – Wengerter, F. (Variante)
Hier marschiert einfach der a-Bauer wie angedeutet nach vorne. Dann kann der schwarze König nicht mehr zwischen a8 und b7 hin und her pendeln und Schwarz kommt in Zugzwang, verliert einen der Bauern e6 oder g6 und damit die Partie.
Doch wie sieht es aus, wenn der schwarze König in der Mitte bleibt, während der Läufer weiterhin das Einzugsfeld a8 abdeckt? Dann kann Weiß mindestens die folgende Stellung erreichen (Varianten siehe unten):
Schnetter, T. – Wengerter, F. (Variante)
Schwarz muss nun mit dem Läufer ziehen, z. B. 48. …, Ld5. Dann folgt 49. g4! (auf 48. …, Lf3 um g4 zu verhindern, folgt entweder erst 49. a4 und der Läufer muss weiterziehen, oder trotzdem 49. g4, denn der Läufer kann sowieso nicht schlagen). Nach 49. …, hxg4 50. Kxg4, La8 51. Kg5, Le4 52. a4, Ld5 53. a5, Lc6:
Schnetter, T. – Wengerter, F. (Variante)
Nun folgt 54. Lc7! und der schwarze König kann nicht mehr rechtzeitig zum Königsflügel kommen nach 54. …, La8 (54. …, Ke7 55. Kxg6 ist hoffnungslos) 55. Kf4! (droht über e5-d6-d7 einzubrechen), Ke8 (55. …, Kd7 verliert nach dem gleichen Muster) 56. Ke5, Ke7
Schnetter, T. – Wengerter, F. (Variante)
Nun spielt Weiß einfach 57. Lb6!, Lb7 und 58. Lc5+ und egal wohin der König geht, der weiße König geht in die entgegengesetzte Richtung und gewinnt leicht (entweder indem er nach b8 läuft nach 58. …, Kf7) oder indem er nach 58. …, Kd7 59. Kf6 den g6-Bauern gewinnt (wieder war es wichtig früher den Zug g4 einzuschieben!).
Anbei nochmal die ganzen Varianten und die Partie Euwe – Yanofsky zum Nachspielen!
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