Allgemeinsonstige Turniere

Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen: Der Linksspringer

Rumpel, rumpel, klapper… Autsch, dat war de Läufer! ‚Ai Kollege‘. Und’s Türmle ach vorbeigerollet. Schon wieder weg. Rumpel, rumpel, klapper, schepper. Dann: Licht. Mehr Licht! Und Finger, die grabschen. Juhhuuu wir fliegen!! Alle Wege führen nach Rom und irgendwann zurück auf’s Schachbrett. Der ganze Abgrund scheint sich in dunkle und bleiche Quadrate einzuteilen und ich sehe die Ewigkeit mir entgegenkommend und unerbitterlich vor mir ausbreitend. Flug zu Ende. Bruchlandung bei Kollege Caesar rechts vor mir. Dann: In Reih und Glied und marschbereit. Eins, zwei, drei, eins zwei, drei, eins zwei drei. Aufgesattelt und unruhig mit den Hufen scharrend. Kollege Rechtsspringer mir aufmunternd zuwiehret. Feindliche Schwarzrappen sieben Reihen entfernet erspähet. König, Oberer, Weißbart rückt Krone zurecht, Königin in Gewandung wunderschön anzusehen. Ein Ozean von Bauern. Schwarzläufer rechts von mir. Kollege weißer a-Linien Schwarzturm mit schwärzestem Schwarzhumor links von mir erzählet mir schon zum neunten Mal den Witze: Was ist der Unterschied zwischen Manhattan und einem vollen Schachbrette? – Auf dem Schachbrette stehen noch alle Türme. Hahaha, was haben wir gelachet… Reflexionen der weißen und schwarzen Feldern sich in meinen Augen spiegeln, frisch aufgewehte Winde mit Kampfesstimmung mir durch die Mähne wehen. Dann: Blitzlichtgewitter. Die Fotografen kommen! Kollege weißer a-Linien Schwarzturm mit Schwarzhumor murmelt: Sagt ein Schachspieler zu Zeus: „Lass uns eine Runde blitzen“. Jetzt aber gut ist. Jürgen Müller, Schiedsrichter wie eh und je durch die Reihen streifet, kontrolliert Aufstellungen der Kollegen und Positionen der großen digitalen Zeitwächter. Letzte Runde der 66. Unterfränkischen Einzelmeisterschaft in Stetten! Handys aus! Allen Partien einen fairen und spannenden Verlauf. Bretter sind frei! Menschenworte und Uhrengeräusche. Klicken der großen digitalen Zeitwächter. Turnierruhe. Kratzen der Stifte auf Partieformular. All dies meine Schach-Rappen-Ohren vernehmen. Ich unruhig mit den Hufen scharrend. Wann geht es los? Dann Menschenhand greifet nach Bauer Emil und rücket ihn zwei Felder nach vorne. Gegner erwidert ebengleiches. Rechtsspringer vor Freude wiehret als er durch die Lüfte schwebend davongaloppierend weiße Felder beschreitet. Rechtsspringerschwarzrappengegnerpferd einigen Reihen entfernet durch die Lüfte wirbelnd. Weißer Weißläufer nach dem Felde c4 hin gelaufen wird. Aha, Italienische Eröffnung!, ich freudig ausrufe. Humorloser a-Linien Schwarzturm mir zuflüstert: Klingelt es an der Haustür, öffnet der Hausherr und sieht einen Italiener.“Wer sind Sie und was wollen Sie?“, fragt er diesen. – „Ich bin Umberto und ich bin hier, um Ihre Tochter zu verführen. „Um was? „Umberto.“ Aua, der tat weh… Jetzt, wirds aber Zeit, dass ich hier wegkomme. Auf ins Vierspringerspiel! Nein? Giuoco Pianissimo, oder wie? Ah, nun endlich nach acht Zügen an der Zahl Menschenfinger nach mir greifen und galoppierend ich zum Felde d2 hinreite, vor die Königin und ihr Gemahl Herr Weißbart auch noch stehend daneben befehligend sein Heer. Ahh, und nun die Dame hinwegreisend dem Felde b3 hin zu. Und kaum war’s geschehen auch der König wegrochiert.

Herberich, Martin – Simon, Manuel

Stellung nach 10. 0-0. Die Eröffnung ist beendet.

Und nun meine Gedanken schweifen während die Kollegen über schwarze und weiße Felder huschen. Zurück über die letzten Tage, denn seit Ostermontag wird ein großes Turnier ausgetragen hier im wunderschön beschaulichen Stetten. Mit allerlei Menschen-Spielern. Ich höre sie lachen und witzeln und Vorbereitungen murmeln. Ich höre sie Abends  1-Minuten Bullet Partien spielen und jedes Mal tut es mir in der Seele wehe, wenn ich sehe wie andere Linksspringerfreundschaftspferde über die Bretter mehr rollen als galoppieren. Manuel Simon von den Mömbrisern, der mir nun gegenüber sitzt erst gestern Abend spielte diese verrückten Partien mit seinem Bruder Jonathan, der gerade um den Turniersieg in der M II spielte. Ich höre aus der Ferne Fritz Scholz etwas murmeln. Schon gestern spielte Manuel Simon an diesem Brette, aber auf dessen weißer Seite gegen den Herrn Schölzing. Hier ich nach Englischer Eröffnung gleich im zweiten Zuge zum Einsatz kam! Und kurz vor dem Ende ich erst von dem gegnerischen Turme geschlagen, aber keine drei Züge später Schölzing gab auf! Danach ich hörte wie sein Bruder Jonathan zu ihm kam, um ihm zu gratulieren und hörte wie er erzählte, dass sie wieder zum Italiener nebenan gingen und sich freuten, wenn sich wieder Gunter Beyersdorf vom SC Bad Königshofen zu ihnen gesellen würde. Doch vor dem Essen sie spielten noch ihre 1-Minuten Partien! Am Tage davor auch schon Manuel spielte an diesem Brette mit den weißen Steinen. Auch hier ich im zweiten Zuge zum Einsatz kam! Und war mehr als 60 Züge mit von der Partie. Herrlich! Und schon in der allerersten Runde Manuel spielte ebenfalls an diesem Brette mit den weißen Steinen. Hier ich sogar den Siegzug dem Felde g7 hin ausführte! Und davor. Ach die Aufregung! Endlich wieder ein Turnier. Endlich wieder Schach! In meiner einsamen Figurenbox, mir kam es vor als lebte ich auf sozialer Distanz in einem Lockdown ohne Abstandsregeln. Dieser humorlose a-Linienschwarzturm gefühlt Jahre auf mir lag ufff. Als ich dann endlich in Grundstellung aufgereiht und reitbereit stand, da war mir wie als wenn ich gerade erst frisch geschnitzt wäre. Und gebannt alle Figuren verfolgten als Anna-Lena Mehling, die Weinprinzessin, die Farbe für das Spitzenbrett ausloste (es wurde Weiß) und meine Springerohren Jürgen Müllers ausufernd lange Rede („Grüß Gott!“) vernahmen. Viel Dank zum Gegengruß! Doch nun, doch nun, was hier passieret? Was hören meine Ohren da? Ein Gewiehre und Getrampel, das können nur zwei Rappen sein!

Herberich, Martin – Simon, Manuel

Stellung nach 15. Sxe5. Nun ist die Dame auf d7 angegriffen. Sollte sie ziehen?

Ahhhh, Linksspringerschwarzrappengegnerpferd nun direkt neben mir wiehret und auf e3 den armen Läufer-Kollegen geschlagen hat und nun seinerseits die Königin ihre Mäjestät angreifet. Daher Bauern-Kollege Fritz sich mutig dem Rappen stellend ihn vom Brette fegt. Doch nun h-Linienweißturm, weißfelder Läufer und Kollege Rechtsspringer alle vereinet den Armen schwarzen Friedolin angreifen. Daher der gegnerische Schwarzrappe mutig den Läufer schlaget seine Königin im Stiche lassend. Kollege Rechtsspringer zum Abschied leise wiehret und hinzugaloppiernd der dunklen Königin. Schon wieder direkt vor mir ein Schwarzrappe sich grasend niederlässt!!

Herberich, Martin – Simon, Manuel

Stellung nach 17. …, Sxe3. Aber man kann nicht alle auf einmal aufhängen.

Nun zunächst die Königin weichen muss, aber wie ein altes russisches Sprichwort gehet: Man kann nicht alle auf einmal aufhängen. Deshalb die gemeine Gabel des Schwarzrappen sich als wirkungslos erweist und Manuel zuerst den Kollegen Rechtsspringer aufhängen muss. Turm, so weiche nun! Mit zwei Läufern für Ihre Majestät der Sieg uns so gut wie sicher ist! Doch nun?! Was sich Bauer Boris erlaubert zunächst zu schlagen auf a6? Den Plan, den seh ich wohl, allein mir fehlt der Glaube! Und mir bangt es wär mein End nach 19. …, Sxf1 20. axb7, Sxd2 21. b8D, Txb8 22. Dxb8+ und dann es wären drei Figuren für Ihre Majestät…

Herberich, Martin – Simon, Manuel

Stellung nach 19. bxa6. Ein Bauer geht seines Weges.

Doch Gegner schlägt mit Schwarzbauer den Boris raus und nun oh Turm, oh Turm, so weiche nun! Doch nein!?? Erneut ein kleiner Bauersmann um sein Leben bangt und nach d4 hin vormarschiert? Schwarzrappe vor mir freudig wiehert und mit den Hufen ausschlagend sich genüsslich für den h-Linienweißturm gibt. Schon a-Linienschwarzturm an mir vorbeisausend den Rappen vom Brette fegt.

Herberich, Martin – Simon, Manuel

Stellung nach 21. Txf1. Das taktische Intermezzo ist beendet. Die Stellung ist nicht klar.

Nun die Stellung tatsächlich sehr unklar geworden ist. Mich erfreut, dass ich der letzte Rappe auf dem ganzen Felde bin! Derweil ich höre Menschengeflüster wie Jonathan Simon seinem Bruder sagt, dass er gegen Simon Li im Drachen remisiert habe und damit wahrscheinlich den Turniersieg vergeben, aber den Aufstieg in die Meisterklasse 1 gesichert habe. Glückwunsch, mein Herr! Spieler überlegen. Langsam die großen digitalen Zeitwächter ticken. Sollte es je einmal Serien über Schach geben, die Macher müssten die Szenen wohl im Zeitraffer abspielen…

Nun endlich Menschenfinger nach mir greifen und mich dem Felde c4 hin schicken. Der Schwarzturm weichet von d6 nach f6 und nun der große Garry ein Feld nach vorne stürmet. Doch trügen mich meine Schach-Augen, oder sind nun die Felder um seine königliche Majestät empflich geschwächet?

Herberich, Martin – Simon, Manuel

Der positionelle Fehler 24. g3? bereitete den Boden für einen schwarzen Sieg!

Nein, nein, nein! Schon wieder rückwärts geht’s und ich mich wieder finde, wo ich gerade noch gewesen wart. Und nun?! Waaas? Erneut dem Felde c4 hin zu? Oh weh, oh weh, oh weh. Wir verliern’s… Die Türme sich mächtig aufbauen in Batterien. Die Läufer alle Felder kontrollierend und ich wie ein Hampelmann hin und her galoppierend. Und nun erneut dem Feld d2 hin zu?! Meine Springer-Ohren schon das Schallen der Posaune statt Siegesreden vernehmen…

Herberich, Martin – Simon, Manuel

Erneuter Springerrückzug nach d2. Jetzt ist es aus!

Juhee, immerhin wir decken das Feld f1 vor drohendem Ungemach. Humorloser a-Linienschwarzturm wie im Anfang so am Ende neben mir stehet und mir zuflüstert: Sagt der Mann zum Dokor nach der Diagnose: Herr Doktor, wie lange habe ich noch? Sagt der Doktor: Zehn. Der Mann: Zehn was?! Jahre, Monate?! Der Doktor: Neun. Oh weh, oh weh. Doch nun, wer kommt da? Wer kommet DA? Wer schreitet heran durch Nacht und Wind? Es ist der LÄUFER mit seinem –… RUMS.

Anmerkungen:

  • Dieser Bericht behandelt den letzten Tag der UEM 2015 in Stetten.
  • Die Witze habe ich der Seite: http://schachverein-goerlitz.de/Foren/Fun/witze/index.php entnommen.
  • Es finden sich wieder zahlreiche Zitate u.a. aus Lushins Verteidigung und Faust und Anspielungen auf den Corona-Lockdown oder die neue Netflix-Serie Queens Gambit und weitere.
  •  Alle, die einen normaleren Bericht zum Turnier vorziehen und ergänzend lesen möchten, verweise ich auf den Bericht Unterfränkische Einzelmeisterschaft in Stetten vom 06.04.2015 – 11.04.2015 (übrigens der allererste Bericht auf dieser Homepage!). In diesem Bericht werden andere Partien im Detail behandelt, die hier behandelte Partie wurde allerdings auch schon erwähnt.
  • Damit wurden nun in sechs Teilen der Serie Auf der Suche nach der verlorenen Unterfränkischen insgesamt die sechs verschiedenen Spieltage einer Unterfränkischen nachgebildet, wobei jeweils in einer anderen Erzählweise und -stil von Unterfränkischen Meisterschaften der letzten Jahre berichtet wurde (eben jeweils von einem bestimmten Tag: Ostermontag – Ostersamstag). Die Berichte finden sich hier auf der Homepage.
  • Anbei noch die gesamte Partie Herberich – Simon zum nachspielen, inklusive einiger Analysen.

Verfasser: Jonathan Simon (Kontakt).

Diagramme & Analysen: Jonathan Simon.

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