15. Forchheimer Sparkassen-Open vom 01.10.2016 – 03.10.2016
„Notrufzentrale Forchheim, guten Abend.“
„Guten Abend, wir haben hier eine Rauchentwicklung in der Jahnhalle.“
„Eine Rauchentwicklung?! Was ist denn passiert?“
„Das wissen wir noch nicht, plötzlich drang aus der Lüftungsanlage starker Rauch aus, wir haben alle Leute sofort nach draußen geschickt. Verletzt wurde offenbar niemand.“
„Wie viele Leute? Was haben Sie dort für eine Veranstaltung?“
„Ca. 240 Leute. Wir spielen dort ein Schachturnier.“
„Ein Schachturnier? Alles klar, wir schicken sofort jemanden vorbei.“
So oder so ähnlich könnte sich das Telefonat am Samstagabend abgespielt haben. Wenig später fuhren ein Polizeiwagen, ein Notarzt und mehrere Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr an der Jahnhalle in Forchheim vor. Die Feuerwehrleute entrollten sofort ihre Schläuche, schlossen Wasser an und stürmten in ihren Schutzanzügen die Halle. Vielleicht mussten sie beim Anblick der ca. 120 Schachbretter und den darauf aufgebauten Figuren kurz inne halten, zu löschen gab es jedenfalls nichts. Alle Spieler hatten sich schon auf dem Vorplatz versammelt. Der ein oder andere wird die Stellung im Kopf weiteranalysiert haben. Die Kinder tollten herum. Langsam senkte sich die Dunkelheit über die Szenerie. Nur das stetige zucken des Blaulichts und die Blitze der Hobbyfotografen erhellten die versammelten Gesichter. Ein älterer Mann monierte lautstark, dass seine Jacke noch in der Halle sei und er jetzt friere. Nur in der angeschlossenen Gaststätte servierte der Kellner noch fröhlich Pasta und Pizza. Der Spielleiter Ackermann verkündete im Spaß, dass alle Partien morgen früh um 6:00 Uhr noch vor der fünften Runde weitergespielt werden. Aus Spaß sollte allerdings bald Ernst werden… Immer noch untersuchten die Feuerwehrleute die gesamte Halle: Keller, Erdgeschoss, Obergeschoss, Küche. Der Turnierleiter versicherte, dass er alle Uhren angehalten habe. Niemand wusste, ob er seine Partie wieder aufnehmen konnte. Selbst in der Gaststätten gingen jetzt die Lichter aus. Das Blaulicht erhellte die Dunkelheit.
Dann, es war bestimmt schon über eine gute Stunde vergangen, verkündete Ackermann, dass die Partien heute Abend tatsächlich nicht mehr weitergespielt werden könnten. Die Partien würden morgen früh um 8:00 Uhr fortgesetzt werden. Sofort sah er sich von einer Traube Menschen umringt. Erstaunlich viele Leute waren plötzlich offenbar der Meinung, dass ihre Partie ein sicheres Remis sei. In der Gruppe B endeten in dieser Runde sogar fast 50% aller Partien mit der Punkteteilung. Andere Spieler wiederum freuten sich über ihre erste Hängepartie ihrer Schachkarriere.
Unter den Remis-Kandidaten befand sich auch Manuel Simon vom SK Mömbris. Glück für ihn, zwei Züge zuvor hatte er noch auf -6.00 gestanden. Sein Bruder Jonathan hatte derweil seine Partie schon gewonnen. Der Feuerwehreinsatz zerstörte somit nicht nur einige Siegeshoffnungen, sondern auch die Essenspläne der Gebrüder Simon. Eigentlich hatte Jonathan mit einer Einkehr in die Gaststätte gerechnet. Also machten sich die beiden zunächst per Fuß, dann per Auto und schlussendlich doch wieder per Fuß auf die Suche nach einer adäquaten Einkehrmöglichkeit. Sie wurden schließlich in Form eines vorzüglichen Italieners fündig (nicht nur sie, sondern auch einige ältere Damen, die vielleicht schon das ein oder andere Weinglas zu viel genossen hatten…)
Da beide am nächsten Morgen also in ihren Betten bleiben konnten, bestand auch kein Grund zur Eile. Die allabendliche Vorbereitung konnte ja auch noch nicht stattfinden. Auf der Homepage des Veranstalters hieß es übrigens am nächsten Morgen wie folgt:
„Es wurde kein Brandherd entdeckt. Vermutlich wurde der Rauch des Kamins durch die Lüftungsanlage angezogen, so die Aussage der Feuerwehr.“
Aber auch schachlich gab es durchaus auch Feuer auf den Brettern. Es folgen einige Partiefragmente, die dem geneigten Leser als Übungsaufgaben gestellt seien (Lösungen am Ende).
Die folgende komplizierte Stellung stammte gleich aus der ersten Runde. Jonathan führte die weißen Steine. Er spielte gerade 18. cxd6?. Offenbar ist jetzt die schwarze Damen angegriffen. Der Bauer auf e4 scheint gefesellt.
Die nächste Stellung stammt aus der vierten Runde, also jener Runde, die durch den Feuerwehreinsatz unterbrochen wurde! Die faszinierende Variante, die ich vorführen möchte, kam nicht tatsächlich aufs Brett und Schwarz muss sich auch keineswegs darauf einlassen. Dennoch ist sie einen Blick wert.
In der Diagrammstellung sollte Weiß wohl 21. Sa4!? spielen. Die Idee von diesem Zug ist, dass jetzt sofort der Sf6 hängt und gleichzeitig der Sc5 angegriffen ist. Schwarz kann jetzt entweder 21. …,Sfd7 oder 21. …,Scd7 spielen, was beides völlig i.O. für ihn ist. Er kann sich aber auch auf die weiße Idee einlassen und 21. …, Sxa4!? spielen.
Dann folgt natürlich 22. Lxf6 (22. bxa4?, Sd7 =+), Sc3 23. Sh5! (23. Lxc3, Txc3 und Schwarz hat keine Probleme).
Der kritische Zug ist offenbar 23. …,Sxd1!? (für andere Züg siehe Bildunterschrift).
Jetzt ist 24. Sxg7, Tc1 25. Txd1, Txd1 26. Dxd1, Tc8 27. Sh5, Lh6 (alles einzige Züge) i. O. für Schwarz.
Also sollte Weiß 24. Lxg7 probieren. Jetzt kann Schwarz mit 24. …, f5!? fortsetzen, da Weiß nach 24. …, Tc1 25. Txd1, Tec8 26. Lb2, Txd1 27. Dxd1, e5 28. Sf6+ nebst Sd5 ausreichend Kompensation erhält. Jetzt scheint Schwarz nach 25. Lxf8 verloren (25. Dg3, Dc7). Doch Schwarz hat eine wundersame Rettung!
Die vollständige Analyse der Ausgangsstellung nach 21. Sa4!? finden Sie am Ende des Berichts. In der Partie versuchte Weiß übrigens einen ähnlichen Angriff am Königsflügel, allerdings unter schlechteren Bedingungen, so dass Schwarz leicht gewinnen konnte. Die beiden hatten gerade im Analyseraum die ersten fünf Züge gespielt, als die Halle geräumt wurde.
Alle Ergebnisse, zahlreiche Impressionen und irgendwann auch noch alle Partien finden sich auf der Homepage des Schachclub Forchheim.
Lösungen zu den Diagrammstellungen (pdf):
Text, Diagramme: Jonathan Simon,
Bilder: Manuel Simon